Plakate rufen zur Freilassung der Geiseln auf
Reuters/Ronen Zvulun
Israel – Hamas

Gaza-Verhandlungen bleiben festgefahren

Am Sonntag sollen die indirekten Verhandlungen zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas über eine Feuerpause und die Freilassung weiterer Geiseln fortgesetzt werden. Bisher bleiben sie allerdings festgefahren. Die Schuld dafür weisen die beiden Seiten sich gegenseitig zu.

Israel und die Hamas warfen einander am Wochenende wechselseitig eine Blockade der Gespräche in der ägyptischen Hauptstadt Kairo vor. Von der israelischen Regierung hatte es am Samstag geheißen, die Forderung der Hamas nach einem dauerhaften Waffenstillstand sei ein Hindernis für die Verhandlungen.

Bis dato habe die Hamas ihre Forderung nach einer Beendigung des Krieges nicht aufgegeben „und damit die Möglichkeit einer Einigung vereitelt“. Im Onlinenachrichtenportal Times of Israel kam ein namentlich nicht genannter Regierungsbeamter zu Wort, der erklärte, Israel werde unter keinen Umständen einer Vereinbarung zustimmen, die eine israelische Verpflichtung zur Beendigung des Krieges beinhaltet. Arabische Medienberichte, die darauf hindeuteten, dass Israel den Vermittlern Garantien für ein Ende des Krieges geben werde, seien falsch.

Vorerst keine Delegation aus Israel

Israel schickt anders als die Hamas vorerst kein Team zu den indirekten Verhandlungen über eine Waffenruhe und die Freilassung weiterer nach Kairo. Israel werde erst eine Delegation in die ägyptische Hauptstadt entsenden, wenn die Hamas auf einen Vorschlag für ein Abkommen geantwortet habe, berichtete der israelische Sender Kan am Samstag.

Demonstranten rufen zur Freilassung der Geiseln auf
Reuters/Ronen Zvulun
In Tel Aviv demonstrierten erneut Tausende Menschen für eine Freilassung der Geiseln

Sollte die Hamas dem vorgelegten Entwurf zustimmen, werde Israel eine Delegation schicken, zitierte die israelische Zeitung „Haaretz“ einen ranghohen israelischen Beamten. Vertreter der politischen Führung der Hamas waren am Samstag aus Katar kommend in Kairo eingetroffen, um die Gespräche fortzusetzen. In der israelischen Stadt Tel Aviv demonstrierten Samstagabend erneut Tausende Menschen für eine Freilassung der Geiseln, die sich nach wie vor in den Händen der Hamas befinden. Laut israelischer Einschätzung befinden sich noch knapp 100 Geiseln lebend im Gazastreifen.

Eine rote Linie für Israel

Gegenstand der indirekten Verhandlungen, bei denen Ägypten, Katar und die USA vermitteln, ist ein Vorschlag, der die Freilassung von Geiseln aus der Gewalt der Hamas sowie die Einstellung der Kampfhandlungen im Gazastreifen seitens Israels in mehreren Phasen vorsieht.

Die Hamas forderte bis zuletzt einen umfassenden Waffenstillstand, einschließlich eines vollständigen Abzugs der israelischen Armee aus dem Gazastreifen. Israel, das die komplette Zerschlagung der extremistischen Organisation zum Ziel erklärt hat, lehnt eine solche Bedingung bisher entschieden ab.

Laut Bericht der US-Zeitung „Wall Street Journal“ vom Samstag ersuchten die USA Katar, die politische Führung der Hamas aus dem Land auszuweisen, sollte die Islamistenorganisation in Kairo einem Abkommen nicht zustimmen. Das Golfemirat sei bereit, der Bitte im entsprechenden Fall auch nachzukommen.

Hamas sieht „volle Verantwortung“ bei Israel

Allerdings: Die eigentlichen Entscheidungsträger der Hamas befänden sich nach wie vor im Gazastreifen, und mit denen hätten die Vermittler keinen direkten Kontakt, hatte zuvor US-Außenminister Antony Blinken gesagt. „Es ist also eine Herausforderung zu verstehen, was sie denken.“ Zuletzt hieß es wieder, dass für die Hamas ein Ende des Krieges die Grundbedingung für ein Abkommen sei.

Die islamistische Palästinenserorganisation warf dem israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu vor, er wolle aus „persönlichem Kalkül“ ein Abkommen verhindern. Die Hamas sei an einer Einigung interessiert, aber „nicht um jeden Preis“. Falls kein Abkommen zustande komme, trage Israel die „volle Verantwortung dafür“, da das Land weiterhin auf einer Bodenoffensive in Rafah im Süden des Gazastreifens beharre.

Laut Hamas hatten die Gespräche in Kairo am Samstag „keine Fortschritte“ gebracht, man sei jedoch bereit, weiterzuverhandeln. Vor der Abreise ihrer Delegation nach Ägypten hatte die radikale Palästinenserorganisation erklärt, sie habe den Vorschlag für ein Abkommen in einem „positiven Geist“ geprüft und wolle in Kairo nun „eine Einigung erzielen“.

Hanija wirft Israel „Sabotage“ vor

Der Chef des Politbüros der Hamas, Ismail Hanija, warf Netanjahu vor, die Vermittlerbemühungen bei den laufenden Gesprächen zu sabotieren. Netanjahu wolle „ständige Rechtfertigungen für die Fortsetzung der Aggression erfinden“, sagte Hanija am Sonntag von seinem Wohnsitz in Doha aus.

Israels Regierungschef wolle damit „den Konfliktkreislauf erweitern und die Bemühungen verschiedener Vermittler und Parteien sabotieren“. Hanija fügte hinzu, die Hamas sei „weiterhin bestrebt, ein umfassendes und zusammenhängendes Abkommen zu erreichen, das die Aggression beendet, den Rückzug sicherstellt und einen ernsthaften Gefangenenaustausch erzielt“.

Warnung vor Hungersnot im Gazastreifen

Mit dem andauernden Krieg im Gazastreifen verschärft sich dort kontinuierlich die humanitäre Lage. Die Direktorin des Welternährungsprogramms der UNO (WFP), Cindy McCain, sagte am Wochenende gegenüber dem US-Sender NBC, im Gazastreifen herrsche eine „Hungersnot, die sich immer weiter nach Süden ausbreitet“. Nötig sei „ein Waffenstillstand und die Möglichkeit, ungehindert Zugang“ zu dem Küstengebiet zu haben, um dort humanitäre Hilfe zu leisten.

Menschen tragen tragen Packungen
Reuters/Ramadan Abed
Der Gazastreifen ist dringend auf Hilfslieferungen angewiesen

In den vergangenen Monaten hatten die USA und andere enge Verbündete Israels zunehmend Druck auf die dortige Regierung gemacht, mehr Hilfslieferungen in das abgeriegelte Küstengebiet zu lassen. Aufgrund der verzweifelten Lage hatten die USA, Deutschland und andere Länder außerdem den Abwurf von humanitären Gütern aus der Luft sowie die Einrichtung eines Hilfskorridors über den Seeweg veranlasst.

Israel meldet Tötung von Hamas-Kommandeur

Die israelische Armee gab laut Times of Israel bekannt, vor Kurzem im zentralen Gazastreifen einen Brigadekommandanten der Hamas und weitere Kämpfer der islamistischen Gruppe bei einem gezielten Luftangriff getötet zu haben. Der Kommandeur habe als einer der Hauptverantwortlichen für den Angriff auf Israel am 7. Oktober gegolten.

„Haaretz“ berichtete am Sonntag von einem weiteren Luftangriff im südlichen Gazastreifen, bei dem gleichfalls ein Brigadekommandant der Terrororganisation Islamischer Dschihad und zwei weitere Männer getötet worden seien. Auch sie hätten zu den Tätern des 7. Oktober gehört.