Andreas Schieder, EU-Spitzenkandidat SPÖ
ORF
SPÖ-Spitzenkandidat Schieder

„Europe first“ statt „Made in China“

„‚Europe first‘ statt ‚Made in China‘“: Diesen Slogan hat SPÖ-Spitzenkandidat für die EU-Wahl am Sonntag in der ORF-„Pressestunde“ bei öffentlichen Aufträgen gefordert. Heftige Kritik übte er außerdem an Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Eine Zusammenarbeit mit den beiden rechten Fraktionen im EU-Parlament und damit auch der FPÖ schloss Schieder aus.

In seiner Wortwahl bediente Schieder sich beim ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump, wenn er einen „Europe first“-Pakt einforderte. Europa sei politisch und wirtschaftlich ins Hintertreffen geraten. Längst sei man in einer „massiven Standortauseinandersetzung“ mit den USA und China. „Wir können nicht zuschauen, wie Produktionsstandorte ausgelagert werden“, so Schieder.

Es müsse daher eine rechtliche Grundlage geschaffen werden, die gewährleistet, dass künftig bei öffentlichen Ausschreibungen europäische Firmen bevorzugt werden. Um die „Re-Industrialisierung“ der Europäischen Union voranzutreiben, müsse in den Markt eingegriffen werden. „Wenn es Protektionismus sein soll, sei es drum“, sagte der SPÖ-Spitzenkandidat.

„Green Deal“ und Österreichs „Schande“

Die Infrastruktur gehöre ausgebaut und Standorte gefördert, so Schieder. Insgesamt solle es sich um ein „großes Investitionspaket“ handeln wie schon nach der Coronavirus-Krise. Pharmaprodukte oder E-Autos sollten laut Schieder nicht aus China importiert, sondern in Europa produziert werden.

Schieder fordert einen „Europe first“-Pakt

Schieder fordert in der ORF-„Pressestunde“, die Bevorzugung europäischer Produktion in den Richtlinien für Ausschreibungen zu verankern.

Beim europäischen „Green Deal“ hätten die Europäische Kommission und das Europaparlament ihre Aufgabe erfüllt. Es seien Gesetzesentwürfe für die verschiedenen Bereiche vorgelegt worden, trotzdem sei es nicht gelungen, die Widerstände einzelner Mitgliedsstaaten zu überwinden. „Dass Österreich als einziger Staat keinen Klimaplan vorgelegt hat, ist eine Schande“, sagte Schieder.

Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) habe sich bei der Abstimmung zur Renaturierung entschieden, sich zu enthalten, „was dazu führt, dass dieses Gesetz blockiert ist, weil es die entscheidende Stimme wäre für das Gesetz“. „Wenn man als Grüne das zentrale grüne Gesetz kaputtmacht in Europa, dann finde ich das schäbig“, so der SPÖ-Kandidat. Er sei für das Verbrennerverbot 2035.

Kritik an Kommissionspräsidentin von der Leyen

Die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ist für Schieder „sehr wankelmütig“.

Keine Zusammenarbeit mit Rechten

Eine Zusammenarbeit mit den beiden rechten Fraktionen im EU-Parlament und damit auch der FPÖ schloss Schieder abermals aus. In diesem Zusammenhang kritisierte er Kommissionspräsidentin von der Leyen (EVP). Diese müsse „klarmachen, wo sie steht“. Sie dichte sich nicht nach rechts außen ab und sei „sehr wankelmütig“. Aber auch die ÖVP in Österreich koaliere, sobald sich die Gelegenheit biete, sofort mit der FPÖ, schaue man etwa nach Salzburg und Niederösterreich.

Schieder verteidigte den EU-Migrationspakt. Gemeinsamer Außengrenzschutz, schnellere Verfahren und faire Verteilung auf alle Mitgliedsstaaten seien der europäische Weg. Ob dieser gelingt, werde man sehen. Die Migrationsfrage sei eine große Herausforderung seit vielen Jahren, weil solche wie der ungarische Regierungschef Viktor Orban immer wieder Sand ins Getriebe werfen. Aber auch die österreichische Regierung von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) sei nicht hilfreich. „Ich würde mir wünschen, dass auch die ÖVP proeuropäisch agiert“, so der SPÖ-Kandidat.

„Herumwurschteln“ bei Russland-Sanktionen

Auch eine europäische Armee kann sich Schieder weiterhin nicht vorstellen. Der SPÖ-Spitzenkandidat baut weiterhin auf die Neutralität, die auch ein Beistand in der europäischen Sicherheitsarchitektur sein könne. Das Russland-Engagement mancher österreichischer Betriebe wie Raiffeisen kritisierte Schieder: „Wir machen zwar in der Rhetorik über Sanktionen mit, wurschteln in der Umsetzung aber herum.“ Wenn man sich auf Sanktionen einigt, müsse auch Österreich mitmachen.

Schieders Haltung zu Ukraine-Krieg

„Wir machen zwar in der Rhetorik über Sanktionen mit, wurschteln in der Umsetzung aber herum“, sagte Schieder in der ORF-„Pressestunde“.

Eine kritische Rückschau auf Kontakte mit Russland schade auch der SPÖ nicht, so Schieder. Die Entwicklung in Russland unter Putin habe aber gezeigt, dass viele getäuscht wurden. Den Auszug einiger roter Abgeordneter bei der Selenskyj-Rede im Nationalrat kritisierte der SPÖ-Kandidat als Fehler, der nie mehr passieren werde.

Die Position zum Nahost-Konflikt

Schieder hält in der ORF-„Pressestunde“ an einer „Zweistaatenlösung“ fest.

Auf die Frage, ob sich die SPÖ beim Thema Überfall der Terrororganisation Hamas auf Israel und antisemitischen Demonstrationen schwertue, antwortete Schieder, der Überfall sei aufs Schärfste zu verurteilen, und Israel habe das Recht auf Selbstverteidigung, es gehe aber auch um Verhältnismäßigkeit. „Jeder Tote ist zu beklagen.“ Regierungschef Benjamin Netanjahu sei ebenso „korrupt“ wie die palästinensische Autonomieverwaltung. „Wir müssen festhalten an eine Zweistaatenlösung.“ Die EU sei viel zu wenig präsent in der Region und überlasse zu viel der US-Außenpolitik.

Von der Leyen „demokratiepolitischer Sündenfall“

Dass von der Leyen an die Spitze der Kommission kam, sei ein „demokratiepolitischer Sündenfall“. Auch die „Erbpacht“ der ÖVP bei der Nominierung des Kommissars sollte nicht hingenommen werden. Dass sich Schwarz-Grün bereits 2019 im Sideletter auf einen ÖVP-Kommissar festlegte, hielt Schieder für „Hintertürpostenschacher auf tiefstem Niveau“. Es brauche auch da einen politischen Wechsel immer wieder, sagte Schieder. Die SPÖ wäre bereit dafür.

„Hintertürpostenschacher auf tiefstem Niveau“

Schieder kritisiert in der ORF-„Pressestunde“ die Wahl der Kommissionspräsidentin und die Nominierung des österreichischen EU-Kommissars.

Bei den letzten drei EU-Wahlen lag die SPÖ jeweils hinter der ÖVP auf Rang zwei. Schieder führt bereits zum zweiten Mal die SPÖ in die Wahl am 9. Juni und geht nicht davon aus, auf Platz drei zu landen. Dass sein Bekanntheitsgrad bei 38 Prozent liege, kümmere ihn nicht. Er wolle die Attacke von rechts europaweit stoppen. „Ich gehe an die Startlinie mit absolutem Siegeswillen. Wie es sein wird, sehen wir am 9. Juni am Abend“, so Schieder.

Kritik von FPÖ und NEOS

Gegen den von den Sozialdemokraten forcierten „Green Deal“ wetterte FPÖ-Spitzenkandidat Harald Vilimsky in Reaktion auf Schieder und ortete eine Allianz der österreichischen Vertreter anderer Parteien, „um ihr Heimatland Österreich zu zerstören“. NEOS-Spitzenkandidat Helmut Brandstätter warnte vor einer wirtschaftlichen Isolation Europas. „Wer Slogans von Trump kopiert und von ‚Europe first‘ spricht, hilft Europa nicht weiter“, so Brandstätter.