Doris Schmidauer, Bundespräsident Alexander Van der Bellen und die Direktorin der KZ-Gedenkstätte Mauthausen Barbara Glück
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Mauthausen-Gedenken

„Dunkelste Seite unserer Geschichte“

Die internationale Befreiungsfeier in der KZ-Gedenkstätte Mauthausen ist heuer unter dem Thema „Recht und Gerechtigkeit“ gestanden. „Die Nazis suchten ein Rechtssystem, in dem sich ihre Ideologie widerspiegelte. Das Recht richtete sich nach der Politik“, so der Vorsitzende des Mauthausen Komitees Österreich, Willi Mernyi. Bundespräsident Alexander Van der Bellen betonte anlässlich der Gedenkfeier, dass sich die „dunkelste Seite unserer Geschichte“ niemals wiederholen dürfe.

Die weltweit größte KZ-Befreiungsfeier wird jedes Jahr traditionell von zahlreichen internationalen Delegationen sowie Vertreterinnen und Vertretern aus Politik und Gesellschaft besucht, die am Sarkophag auf dem ehemaligen Appellplatz Kränze niederlegen und der Opfer gedenken. Die Moderatorinnen Mercedes Echerer und Konstanze Breitebner erinnerten daran, dass rund 200.000 Menschen im KZ Mauthausen und seinen über 40 Nebenlagern inhaftiert, gequält und rund die Hälfte von ihnen ermordet wurden. „All das war damals geltendes Recht.“ Am 7. Mai 1945 wurde das KZ durch die 11. Panzerdivision der Dritten US-Armee befreit.

Das offizielle Österreich war am Sonntag durch Bundespräsident Van der Bellen, Innenminister Gerhard Karner und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (beide ÖVP) sowie Justizministerin Alma Zadic, Sozialminister Johannes Rauch und Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (alle Grüne) vertreten. Ebenso nahm der oberösterreichische Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) am Gedenkzug teil, zahlreiche Vertreter von Nationalrat, Bundesrat, von ÖVP, SPÖ, Grünen, NEOS und KPÖ, der Religionsgemeinschaften und internationale Gäste aus den Herkunftsländern der Opfer erwiesen diesen die Ehre.

Sozialminister Johannes Rauch, Justizministerin Alma Zadic, Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne), Doris Schmidauer, Bundespräsident Alexander Van der Bellen, die Direktorin der KZ-Gedenkstätte Mauthausen Barbara Glück, Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP), Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) und OÖ LH Thomas Stelzer (ÖVP)
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Die internationale Gedenkfeier erinnert an die 200.000 Menschen, die im KZ Mauthausen inhaftiert waren

„Politik des Rassenwahns, einer Politik der Verfolgung“

„Wenn wir von Recht und Gerechtigkeit sprechen, beziehen wir uns auf ein Konzept, in dem es um faire Behandlung von Personen geht“, sagte Mernyi in seiner Ansprache. Es gehe um Gleichheit vor dem Gesetz, niemand dürfe bevorzugt oder benachteiligt werden, „unabhängig von der Herkunft, vom Status“, aber: „Im Nationalsozialismus war nichts von dem Realität. Die Nazis suchten ein Rechtssystem, in dem sich ihre Ideologie widerspiegelte. Das Recht richtete sich nach der Politik. Einer Politik des Rassenwahns, einer Politik der Verfolgung“, sagte er. „Selbst für die Ermordung von Millionen von Menschen hatten sie ein Gesetz, die Nürnberger Rassengesetze.“

Auch heute noch werde das Recht von autoritären Regimen missbraucht, „die Demokratie, wie wir sie nach dem Ende des Faschismus aufgebaut haben, darf nicht zu einer illiberalen Demokratie verkommen“, warnte Mernyi, „das sind wir den Opfern schuldig“.

Mauthausen Komitee Österreich, Vorsitzender Willi Mernyi
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„Die Nazis suchten ein Rechtssystem, in dem sich ihre Ideologie widerspiegelte“, so der Vorsitzende des Mauthausen Komitees Österreich, Willi Mernyi

Warnung vor „bedrohlicher Entwicklung“

Die Geschichte lehre, dass „politische Parteien, die aus Machtgier Koalitionen mit antidemokratischen Parteien eingehen, diese letztendlich stärken und den Weg für die Abschaffung der Demokratie ebnen“, warnte der Präsident des Comite International de Mauthausen, Guy Dockendorf, „diese bedrohliche Entwicklung muss endlich ernst genommen werden“.

Bundespräsident Van der Bellen schrieb auf X (Twitter) anlässlich der Gedenkfeier, dass sich die „dunkelste Seite unserer Geschichte“ niemals wiederholen dürfe. „Deshalb müssen wir alle sehr genau hinsehen und alles tun, um antidemokratische, die Würde des Menschen verletzende, autoritäre Tendenzen rechtzeitig und entschlossen zu stoppen.“

„Menschenrechte durch Recht des Stärkeren ersetzt“

Bei einem ökumenischen Gottesdienst in der Kapelle der Gedenkstätte betonte der Linzer Diözesanbischof Manfred Scheuer die Bedeutung des Rechts zur Eindämmung von Macht, Willkür und Unmenschlichkeit. Der Nationalsozialismus habe das Recht gebeugt und Menschenrechte durch ein Recht des Stärkeren ersetzt. Auch der evangelische Bischof Michael Chalupka wies darauf hin, dass der Nationalsozialismus eine „Politisierung des Rechts“ betrieben habe, um die Diktatur zu festigen.

Hunderte Menschen bei der Internationalen Gedenkfeier zum 79. Jahrestag der Befreiung des KZ Mauthausen
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Wie jedes Jahr versammelten sich Delegationen aus aller Welt in Mauthausen

„Nie wieder darf keine Floskel sein“

„Nie wieder“ dürfe keine Floskel sein, so auch die SPÖ-Sprecherin für Erinnerungskultur, Sabine Schatz, am Sonntag. Steigender Antisemitismus und ein enormer Anstieg rechtsextremer Straftaten seien ein klarer Handlungsauftrag. „Wir brauchen endlich einen umfassenden Aktionsplan gegen Rechtsextremismus und ein Nachschärfen in der Strategie gegen Antisemitismus“, forderte sie. „Heute sind wir um unser Geschichtswissen reicher. Es liegt an uns, wie wir damit umgehen.“

Auch NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger betonte in einer Aussendung am Sonntag, man müsse Verantwortung übernehmen, „indem wir in unserer Gesellschaft antisemitische und menschenverachtende Tendenzen aller Art klar benennen und niemals akzeptieren. Wir müssen aus der Vergangenheit lernen und den Blick demütig in die Zukunft richten.“ Auch von vielen Österreicherinnen und Österreichern seien in der NS-Zeit grauenhafte Verbrechen begangen worden. Mauthausen konnte passieren, weil sich Menschen „gegen ihre eigenen Nachbarinnen und Nachbarn sowie Freundinnen und Freunde gewandt haben“.

Gedenken an Befreiung in Mauthausen

Der 5. Mai gilt als Jahrestag für die Befreiung der Insassen des Konzentrationslagers in Mauthausen. Im früheren KZ, der heutigen Gedenkstätte in Oberösterreich, fand daher am Sonntag die jährliche Feier statt. Tausende Menschen aus aller Welt nahmen an der Feier teil, die sich heuer unter anderem dem Thema „Recht und Gerechtigkeit im Nationalsozialismus“ widmete.

Gedenken in National- und Bundesrat

Am Donnerstag hatten Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und einige schwarze Mitglieder der Bundesregierung im Rahmen eines Festakts in Mauthausen der Befreiung gedacht. Nationalrat und Bundesrat hielten bereits am Freitag ihre jährliche gemeinsame Gedenkveranstaltung gegen Gewalt und Rassismus im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus ab. Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) erinnerte an die lange Vorgeschichte des Judenhasses und Antisemitismus, die letztlich in der Schoah gipfelte. Der Aufruf „Nie wieder!“ sei weiterhin aktuell. Daher sei dem österreichischen Parlament die stetige Erneuerung des erinnernden Gedenkens ein großes Anliegen.

Am Samstagabend folgte eine gemeinsame Feier der Gedenkstätte Mauthausen und des Gusen Gedenkdienstkomitees auf dem Areal des ehemaligen KZ Gusen in Langenstein. Beim schon traditionellen „Fest der Freude“ am Jahrestag der Kapitulation der deutschen Wehrmacht am 8. Mai geht es heuer ebenfalls schwerpunktmäßig um „Recht und Gerechtigkeit im Nationalsozialismus“. Als Höhepunkt ist die Rede der Zeitzeugin Rosa Schneeberger angekündigt.