Baby Lasagna mit seinem SC-Beitrag für Kroatien
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Erstes Halbfinale

Song-Contest-Favorit im Hexenzirkel

Am Dienstagabend startet der 68. Eurovision Song Contest in Malmö mit dem ersten Halbfinale. Zwar ist die österreichische Kandidatin Kaleen noch nicht am Start, dafür aber der aktuelle Buchmacherfavorit aus Kroatien. Dazu bringt der erste Abend schon einiges aus der heuer wieder stark vertretenen Schublade skurril bis grenzwertig: von einer irischen Hexenbeschwörung bis zum finnischen Windows95man.

Geht es nach den Wettquoten, könnte Kroatien heuer zum ersten Mal den Song Contest gewinnen: Mit Sänger Baby Lasagna der für seinen Beitrag „Rim Tim Tagi Dim“ Pop, Techno, Metal und Trap wild gemischt hat. Zwischenzeitlich hatte ihn der Schweizer Kandidat Nemo – er tritt erst im zweiten Halbfinale an – von der Spitze der Wettquoten verdrängt. Seit Beginn der Proben liegt Kroatien aber wieder mit Abstand voran, was sich als Indiz lesen lässt, dass sich die Performance auf der großen Bühne durchsetzen könnte.

Marko Purisic aka Baby Lasagna war Gitarrist in einer kroatischen Folkmetalband und schrieb Songs für andere Gruppen dieses Genres, ehe er sich quasi selbstständig machte. Zum nationalen Vorentscheid trat er als Ersatzkandidat an – der Rest ist Geschichte. Der Song über Landflucht in Kroatien lässt das Land von einer kleinen Sensation träumen. Bisher waren ein paar Top-Five-Platzierungen in den 1990er Jahren das höchste der Gefühle.

Liveticker auf ORF.at

Die Semifinale am Dienstag und Donnerstag sind wie das Finale am Samstag jeweils ab 21.00 Uhr live in ORF1 und im Livestream in tvthek.ORF.at zu sehen. ORF.at begleitet den Bewerb mit einem Liveticker – samt Bildern, animierten GIFs und Social-Media-Kommentaren.

Ukraine mit starker Frauenhymne

Ein starkes Abschneiden darf sich heuer auch wieder die Ukraine erwarten. Sängerin Jerry Heil und die bekannte Rapperin Alyona Alyona bringen mit „Teresa & Maria“ eine kraftvolle Hymne mit Ohrwurmfaktor.

„Frauen können alles erreichen“ ist die Botschaft des ukrainischsprachigen Songs, der wohl nicht zuletzt aufgrund der durch den russischen Angriffskrieg vertriebenen Ukrainerinnen und Ukrainern auf viele Stimmen aus ganz Europa rechnen darf.

alyona alyona & Jerry Heil, SC-Teilnehmerinnen für die Ukraine
AP/Martin Meissner
Alyona Alyona und Jerry Heil treten mit einer Frauen-Empowerment-Hymne für die Ukraine an

Litauens Teilnehmer Silvester Belt hat mit dem Beitrag „Luktelk“ in seiner Heimat direkt nach dem Vorentscheid die Charts gestürmt, und auch in Malmö darf er mit Publikumszuspruch rechnen. Der Elektropopsong handelt – entgegen den flotten Beats – von einer depressiven Phase und ist auch für nicht Litauischsprachige eingängig. Dass man „Luktelk“ (dt.: „Warten“) offenbar wie „Lockdown“ ausspricht, gibt dem Refrain nach den vergangenen Pandemiejahren zusätzlich Wiedererkennungswert.

Kaum vergessen lässt sich auch der finnische Beitrag, wenn auch weniger wegen seiner musikalischen Qualität. Mit „No Rules!“ als Windows95man tritt der Aktionskünstler Teemu Keisteri gemeinsam mit Sänger Henri Piispanen an und liefert eine reichlich schräge Performance in engem Tanga. Das zum Künstlernamen passende Windows-Logo war der ausrichtenden Eurovision Broadcasting Union dann doch zu viel der Microsoft-Werbung und darf auf Bühne und T-Shirt nur verpixelt gezeigt werden.

Der Beitrag von Windows 95 man aus Finnland mit dem Song „No rues!“
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Finnland verspricht absurde Action

Hexen, Hexen

Gruseliges kommt aus Irland: Bambie Thug und der Song „Doomsday Blue“. Bambie Thug liest sich nonbinär und bezeichnet sich als praktizierende Hexe, ihre Stilrichtung als „Ouija Pop“. Das manifestiert sich in gesprochenen Zaubersprüchen gemischt mit Electropop und Punkanklängen. Offenbar trifft das einen Nerv – eine Finalteilnahme scheint trotz der sehr düsteren Performance sicher zu sein.

Ein bisschen ähnlich gruselig verspricht der slowenische Auftritt zu werden, wenn Sängerin Raiven in „Veronika“ die Geschichte einer Frau, die als Hexe ertränkt wurde, beschwört. Für Wirbel sorgte in Slowenien weniger der Song selbst als Schiebungsgerüchte bei der Auswahl.

Musikalisch eingängiger – und damit auch mit größeren Finalchancen – tritt Luna für Polen an. Mit „The Tower“ wird sie auf der Bühne eine Partie Schach spielen.

Es beginnt beschwingt

Beschwingt wird Silia Kapsis für Zypern den heurigen Song Contest eröffnen. Mit der Dancepop-Nummer „Liar“ gibt sie auch quasi programmatisch den Takt vor. Auch für das Comeback des Jahres sollte sich Dienstagabend ein Happy End ausgehen: Erstmals seit fast drei Jahrzehnten schickt Luxemburg wieder ein Lied zum Song Contest, allein das sollte Sängerin Tali mit „Fighter“ einen Finalplatz bescheren.

Tali mit dem Song „Fighter“ für Luxemburg
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Gründungsmitglied Luxemburg ist heuer nach langer Abstinenz zurück im Rennen: mit Tali und „Fighter“

Aserbaidschan galt einige Jahre als verlässlicher Top-Ten-Kandidat, dass diese Zeiten vorbei sind, steht auch für Fahree feat. Ilkin Dövletov zu befürchten, die Ethnoballade „Özünle Apar“ wird es nur schwer ins Finale schaffen. Ein ähnliches Schicksal könnte Natalia Barbu aus Moldawien mit „In the Middle“ ereilen.

Sehr landesspezifisch werden wohl die Beiträge von Serbien und Portugal ausfallen. Dass sich der schwermütige Reiz portugiesischer Beiträge in Resteuropa oft nur schwer dechiffrieren lässt, dürfte sich auch beim heurigen Beitrag „Grito“ von Sängerin Iolanda bewahrheiten. Für das Finale könnte es ebenso eng werden wie für die serbische Sängerin Teya Dora, die im vielleicht stillsten Song des Bewerbs mit „Ramonda“ wahrscheinlich metaphorisch das Gesneriengewächs Nathalia-Felsenteller besingt.

Teya Dora mit ihrem Song für Serbien
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Serbien setzt auf eine melancholische Ballade

Kaum Chancen für Island und Australien

Eine starke Schwankung – mit aktuellem Ausschlag nach unten – lieferte Island bei der Auswahl der Song-Contest-Beiträge in den vergangenen Jahren. Mit Hera Björk ist heuer eine Veteranin am Start, sie vertrat ihr Land bereits 2010 und landete mit „Je ne sais quois“ damals auf dem 19. Platz. Dass sie mit dem reichlich altbackenen Beitrag „Scared of Heights“ nun das Finale erreicht, scheint so gut wie ausgeschlossen.

Schwierig dürfte es auch für Australien im neunten Jahr der Teilnahme werden. Das Duo Electric Fields tritt mit „One Mikali (One Blood)" an, einem Song über den Traum einer vereinten Welt – quasi das mit Unterstützung von Didgeridoo-Klängen vertonte Motto des heurigen Bewerbs: „United By Music“.

Finalisten in voller Länge

Erstmals dürfen heuer auch jene Länder, die fix für das Finale qualifiziert sind, ihre Songs in voller Länge in den Semifinalen präsentieren. Am Dienstag sind Deutschland, Großbritannien und Schweden an der Reihe – und zwar eingeschoben zwischen die anderen Beiträge. Das Vereinigte Königreich schickt mit Olly Alexander den wohl bekanntesten Kandidaten des heurigen Felds, als Frontmann der Band Years & Years trat er ebenso bereits in Erscheinung wie auch als Schauspieler, zu erwarten ist viel nackte Männerhaut.

Deutschland klebt seit Jahren das Pech an der Sohle, mit Isaak versucht man es heuer stimmgewaltig. So recht zünden wollte die durchaus eingängige Nummer „Always on the Run“ im Vorfeld aber auch nicht. Gastgeber Schweden wiederum will mit dem norwegischen Brüderpaar Marcus & Martinus punkten, nach einem Heimsieg sieht es für die schnelle Popnummer „Unforgettable“ aber nicht aus.