Plenum des europäischen Parlaments in Straßburg (Frankreich)
Reuters/Yves Herman
Immer noch Schlupflöcher

EU-Abgeordnete und ihre Zuverdienste

Der Korruptionsskandal im EU-Parlament hat dazu geführt, dass die Abgeordneten genauere Angaben zu ihren Nebeneinkünften machen müssen. Vor allem bei den Fraktionen rechts der Mitte wird oft gut dazuverdient, wie nun eine Auswertung von Transparency International (TI) zeigt, die am Montag veröffentlicht wurde. Und: Offenbar gibt es immer noch Schlupflöcher – das ist auch für Österreich relevant.

In der aktuellen Debatte über Einfluss aus Ländern wie China und Russland auf EU-Abgeordnete zeigt der TI-Bericht, dass zusätzliche Tätigkeiten für die Parlamentarierinnen und Parlamentarier an sich nichts Außergewöhnliches sind. 70 Prozent haben eine Nebentätigkeit dokumentiert, immerhin jeder Vierte wird dafür auch bezahlt. Insgesamt verdienen die Abgeordneten damit jährlich über 8,7 Millionen Euro dazu.

Die Spitzenverdiener kommen dabei überwiegend von rechtskonservativen und Rechtsaußen-Parteien. Die 20 Spitzenverdiener kommen überwiegend aus diesen Parteien, Abgeordnete aus Österreich sind nicht darunter.

Absurde Geschäfte und fragwürdige Vorstandsposten

Sieht man sich die Liste genauer an, sticht vor allem Viktor Uspaskich hervor, der ein geschätztes Zusatzeinkommen von drei Millionen jährlich hat. Der fraktionslose Abgeordnete aus Litauen wurde 2021 von den Liberalen nach homophoben Äußerungen hinausgeworfen. Bei seinen Einkünften ist eine Firma namens Edvervita aufgelistet, der unter anderem eine Mineralwassermarke gehört, die in der Pandemie damit geworben haben soll, gegen Covid-19 zu wirken, wie „Politico“ berichtet.

der litauische EU-Abgeordnete Viktor Uspaskich
European Union 2023/Alain Rolland
Viktor Uspaskich verdient jährlich fast drei Millionen Euro dazu

Dahinter folgen der fraktionslose Franzose Jerome Riviere (220.248 Euro) und der ungarische FIDESZ-Abgeordnete Laszlo Trocsanyi (171.637 Euro). EVP-Chef Manfred Weber liegt an vierter Stelle mit einem geschätzten jährlichen Nebenverdienst von 170.640 Euro.

Neben absurd anmutenden Geschäftsideen sieht TI auch zahlreiche Unvereinbarkeiten von Nebenbeschäftigung und Themengebiet in der parlamentarischen Arbeit. Hervorgehoben wird etwa der deutsche EVP-Abgeordnete Axel Voss, der Berichterstatter für den „AI-Act“ über künstliche Intelligenz war, gleichzeitig aber im Datenschutzbeirat der Deutschen Telekom sitzt. Bei mehr als drei Viertel aller Nebentätigkeiten handelt es sich um Vorstandsmitgliedschaften, die Abgeordneten müssen dabei nicht angeben, ob diese bezahlt sind.

Transparency International kritisiert, es gebe keine Vorschriften über die Zahl der Nebentätigkeiten, die ein EU-Parlamentarier ausüben kann, oder über die Höhe der Zusatzverdienste. Auch gegen Interessenkonflikte werde zu wenig vorgegangen.

Fast alle heimischen Abgeordneten mit Nebenbeschäftigung

Während Abgeordnete aus Österreich nicht unter den Topverdienern sind, hat dafür fast jeder von ihnen eine Nebenbeschäftigung – damit ist Österreich an der EU-Spitze. Das höchste jährliche Nebeneinkommen unter den derzeit 19 österreichischen Europaabgeordneten weist laut TI Barbara Thaler (ÖVP) mit 65.357 Euro auf, sie liegt damit auf Rang 32 aller EU-Abgeordneten.

Wie eine EVP-Sprecherin Montagabend mitteilte, soll TI in der Analyse ein Rechenfehler unterlaufen und der Nebenverdienstbetrag Thalers zu hoch angegeben worden sein. Thalers Nebeneinkünfte betragen demnach für das Jahr 2023 vielmehr 39.622 Euro (unversteuert) und setzen sich aus ihrer Tätigkeit in der Wirtschaftskammer und als Unternehmerin zusammen.

Thaler ist seit Ende des Vorjahres Wirtschaftskammer-Präsidentin in Tirol und seit Februar Tiroler ÖVP-Wirtschaftsbund-Chefin. Bei der heurigen EU-Wahl wird sie nicht mehr kandidieren. Den zweithöchsten Nebenverdienst unter Österreichern hat laut der Auswertung FPÖ-Delegationsleiter Harald Vilimsky mit 12.000 Euro jährlich.

„Schlupflöcher“ auch für österreichische Abgeordnete

Ein Blick auf Österreichs Abgeordnete macht aber auch klar: Ganz transparent sind die aktuellen Regeln im EU-Parlament noch lange nicht. Die grüne Abgeordnete Sarah Wiener gab zwar fünf bezahlte Aktivitäten an, wie viel sie dafür bekommt, ist aber unklar, weil sie sich auf Geheimhaltungsvereinbarungen berufen kann, wie es auf Nachfrage bei TI heißt.

Zwar könnten diese Zuverdienste vom Parlament geprüft werden, es ist aber nicht klar, wie genau das abläuft. „Es ist absolut absurd, dass sich ein Europaabgeordneter bei der Angabe seines Einkommens hinter einer Geheimhaltungsvereinbarung verstecken kann. Das ist ein schwerwiegendes Schlupfloch, das zeigt, dass die Regeln des EU-Parlaments nicht auf der Höhe der Zeit sind“, hieß es gegenüber ORF.at. Wiener wurde von ORF.at um ein Statement gebeten.

Grafik zu Nebeneinkünften von EU-Abgeordneten
Grafik: APA/ORF; Quelle: Transparency International EU

„Ergebnisse nicht überraschend“

TI kritisiert das Fehlen strengerer Regeln und bezeichnet die Resultate der Auswertung daher auch als „nicht überraschend“. „Nicht nur, dass die Abgeordneten weiterhin lukrativen und einflussreichen Nebentätigkeiten nachgehen können, sie werden auch intern kaum auf mögliche Interessenkonflikte hin überprüft. Eine Situation, die trotz zahlreicher Skandale unverändert bleibt“, so TI in einem Statement gegenüber ORF.at.

Und: Die Topverdienenden haben sich aktiv gegen schärfere Regeln ausgesprochen. So hätten 16 der 20 Abgeordneten mit den höchsten Zuverdiensten gegen einen Änderungsantrag gestimmt, der ihnen bezahlte Lobbyarbeit für Unternehmen im EU-Transparenzregister untersagt hätte.

„Diejenigen, die am meisten von den derzeitigen laxen Regeln profitieren, sind also auch am wenigsten bereit, sie zu ändern“, so die Organisation. Im Hinblick auf die EU-Wahl müssten „die Abgeordneten den Bürgerinnen und Bürgern versichern, dass sie für sie arbeiten, und diese Nebentätigkeiten ein für alle Mal verbieten“, so TI.