Frau sitzt mit Rechnungen vor Laptop
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Teuerung

Schuldenfalle schnappt schneller zu

Die Teuerung treibt weiterhin Private in die Schuldenfalle – und das in größerem Ausmaß, wie der am Montag veröffentlichte „Schuldenreport 2024“ zeigt. Der Ausweg aus der Schuldenfalle wird zugleich schwieriger. Auch nahmen etwa die Erstkontakte mit den Schuldenberatungsstellen stark zu. Die Dunkelziffer bei Überschuldung ist offenbar ebenfalls recht hoch.

Im abgelaufenen Jahr 2023 war es für deutlich mehr Menschen notwendig, sich erstmals an die Schuldenberatung zu wenden. Die Zahl der Erstkontakte nahm im Vergleich zu 2022 um 17 Prozent zu. Maßgeblich für den Anstieg war unter anderem die Teuerung: Die Zahl der Betroffenen, die die gestiegenen Lebenshaltungs- und Wohnkosten als Grund für ihre Überschuldung nannten, habe sich 2023 mehr als verdoppelt, so der „Schuldenreport 2024“.

Insgesamt nahmen 2023 hierzulande 21.600 Menschen erstmals das Angebot einer Schuldenberatungsstelle in Anspruch. „Österreichweit ist das der Höchstwert in den letzten zwölf Jahren, und es gibt einzelne Bundesländer, wo das sogar ein Allzeithoch ist“, sagte der Geschäftsführer der Dachorganisation ASB Schuldnerberatungen, Clemens Mitterlehner, am Montag bei einer Pressekonferenz.

Grafik zur Überschuldung
Grafik: APA/ORF; Quelle: schuldenberatung.at

Verlust des Arbeitsplatzes häufigster Grund

Der häufigste Grund für Überschuldung war auch 2023 der Verlust des Arbeitsplatzes bzw. eine Verschlechterung des Einkommens, für 32 Prozent der Betroffenen wurde das im vergangenen Jahr zum Problem. Etwa jeder bzw. jede fünfte Betroffene nannte den Umgang mit Geld bzw. die mangelnde Finanzbildung als Überschuldungsgrund, für 18 Prozent war es eine ehemalige Selbstständigkeit.

Die gestiegenen Lebenserhaltungs- und Wohnkosten waren für zwölf Prozent ein Überschuldungsgrund, deutlich häufiger als noch 2022, damals waren es fünf Prozent. Die Teuerung spiele eine immer größere Rolle, „die Klientinnen und Klienten berichten, dass sie sich das Leben nicht mehr leisten können“, sagte Mitterlehner.

55.000 Euro als Durchschnitt

Mehr und mehr Menschen, die bei einer Schuldenberatungsstelle vorstellig werden, hätten sehr wenig Einkommen, in einem Drittel der Fälle lag es unter dem Existenzminimum von derzeit 1.217 Euro pro Monat, sagte Mitterlehner. Gleichzeitig könnten sich immer mehr Menschen den Privatkonkurs nicht leisten. Im Schnitt waren Betroffene mit rund 55.000 Euro verschuldet, bei jenen mit ehemaliger Selbstständigkeit lag der Wert mit rund 103.000 Euro deutlich höher.

Rauch fordert strukturelle Maßnahmen

„Schulden sind nie nur auf individuelles Verschulden zurückzuführen, sondern haben strukturelle Ursachen“, sagte Sozialminister Johannes Rauch (Grüne). Er fordere deshalb auch strukturelle Maßnahmen gegen Überschuldung. Dazu zählten eine Neuaufstellung der Mindestsicherung, die Valorisierung des Arbeitslosengeldes und der Notstandshilfe, eine Eingrenzung der Inkassokosten, eine Kindergrundsicherung und eine verbesserte Datenlage zur Überschuldung in Österreich.

Rauch verwies hier auch auf zähe Verhandlungen mit dem Koalitionspartner ÖVP: „Eine Reform des Sozialhilfegesetzes, hin zu einer Mindestsicherung, die den Namen verdient, das ist mit der ÖVP aktuell nicht machbar.“

Lücken bei Erfassung sollen geschlossen werden

Laut Mitterlehner „gehen pro Jahr 8.000 bis 9.000 Menschen in Privatkonkurs, wir wissen aber, es gibt deutlich mehr überschuldete Menschen, aber nicht genau, wie viele“. Es gebe aktuell keine fundierten Daten zur Gesamtzahl der verschuldeten Menschen in Österreich. Gemeinsam mit der Statistik Austria sollen diese und andere Lücken nun geschlossen werden, künftig sollen etwa Daten aus Exekutionsverfahren mit Verwaltungsdaten verknüpft werden können.

Schuldenberatung fordert mehrere Maßnahmen

Auch die Schuldenberatung sieht politischen Handlungsbedarf. Sie fordert die Anhebung der Nettoersatzrate beim Arbeitslosengeld auf 70 Prozent des letzten Bezuges, eine Erhöhung des Existenzminimums und besseren Konsumentenschutz, etwa bei Werbung für Konsumkredite.

Außerdem kritisierte Mitterlehner die „Explosion von Forderungsbeträgen“. So werde Überschuldung durch Zinsen, Zinseszinsen, Gerichts- und Inkassokosten weiter verschärft. Die Schuldenberatung fordert deshalb, dass sich Schulden maximal verdoppeln dürfen. Weiters drohe eine Verschärfung des Insolvenzrechts: Mitterlehner forderte, dass die Möglichkeit der dreijährigen Entschuldung dauerhaft erhalten bleibt.

FPÖ: Rauch „Feuerteufel“

Kritik kam von der Opposition. FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz sah im „immensen Anstieg an Verschuldungen“ ein „einziges Schuldeingeständnis“. Sozialminister Rauch sei „in gewohnter schwarz-grüner Manier“ in die Rolle des „Feuerteufels“ geschlüpft. Da fahre er „gemeinsam mit seinen anderen unwilligen Ministerkollegen von ÖVP und Grünen unser Land in den letzten Jahren mit Vollgas an die Wand“ und wolle sich „dann mit bereits gesetzten Maßnahmen, mit denen die Rekordinflation noch mehr in die Höhe getrieben wurde, noch als angeblichen Retter inszenieren“. Schnedlitz forderte den Rücktritt der Regierung.

NEOS-Konsumentenschutzsprecherin Katharina Werner forderte indes am Montag flächendeckend eine bessere Bildung für Verbraucher und Verbraucherinnen an den Schulen. „Leider sind immer mehr der ver- und überschuldeten Menschen sehr jung. Es braucht daher flächendeckend ein besseres Angebot an Verbraucher- und Verbraucherinnenbildung an den Schulen, damit junge Menschen schon geschützt werden, bevor sie überhaupt in die Schuldenfalle tappen“, so Werner.