Israelische Panzer in Gaza
Reuters/Israel Defense Forces
Gaza-Krieg

Israels Bodentruppen rücken auf Rafah vor

Israels Bodentruppen sind in der Nacht in Richtung der Stadt Rafah im südlichen Gazastreifen vorgerückt. Laut Armeeangaben erreichten sie Vororte der Stadt und übernahmen die Kontrolle des Grenzübergangs zu Ägypten auf palästinensischer Seite. Es soll sich dabei um eine begrenzte Operation handeln. Auch laut US-Regierung hat die lange angekündigte Großoffensive wohl noch nicht begonnen.

Israelische Truppen seien im Osten Rafahs im Einsatz, und der Rafah-Grenzübergang nach Ägypten sei auf der palästinensischen Seite unter „operativer israelischer Kontrolle“, teilte ein ranghoher israelischer Militär am Dienstag mit. Es handle sich um einen „präzisen Anti-Terror-Einsatz in sehr begrenztem Umfang“. Spezialtruppen durchsuchten den Rafah-Übergang nach Terroristen.

Nach Angaben palästinensischer Augenzeugen wurden am Übergang israelische Flaggen gehisst. Auch die zentrale Straße, die den Norden des Gazastreifens mit dem Süden verbindet, ist Medienberichten zufolge unter Kontrolle der israelischen Armee. In dem Gebiet hielten sich israelische Panzer auf.

Kämpfe gehen weiter

Israel erhöht den Druck im Süden des Gazastreifens, greift Ziele an und übernimmt in Rafah die Kontrolle des Grenzübergangs zu Ägypten auf palästinensischer Seite. Es soll sich aber nicht um den Beginn der lange angekündigten Offensive auf Rafah handeln.

Der für die Lieferung von Hilfsgütern wichtige Grenzübergang Kerem Schalom wurde aus Sicherheitsgründen vorerst geschlossen. Die Hamas beschoss ihn nach eigenen Angaben am Dienstag erneut mit Raketen. Am Sonntag waren bei einem Raketenangriff auf Kerem Schalom vier israelische Soldaten getötet worden.

USA: Wohl noch nicht Offensive

Die US-Regierung geht nach jetzigem Stand aber nicht davon aus, dass es sich bei den jüngsten Angriffen um den Beginn einer großangelegten Offensive handelt. Das teilte ein US-Regierungsvertreter mit. An den ernsthaften Bedenken der amerikanischen Seite wegen einer solchen Militäroffensive in dem dicht besiedelten Gebiet habe sich aber nichts geändert. Diese Position sei auch klar vertreten worden.

Grafik zum Gazastreifen
Grafik: APA/ORF; Quelle: NY Times

Das US-Nachrichtenportal Axios berichtete unter Berufung auf israelische Regierungsbeamte, der Einsatz von Panzern und Bodeneinheiten östlich von Rafah sei als erste Phase der Offensive zu verstehen. Die Übernahme des Grenzübergangs solle nicht nur den Machtverlust der Hamas im Gazastreifen demonstrieren. Anschließend sollten Palästinenser ohne Verbindung zur Terrororganisation an der Verteilung von Hilfsgütern beteiligt werden, die aus Ägypten in das abgeschottete Küstengebiet kommen.

Kriegskabinett hält an Militärplänen fest

Das israelische Kriegskabinett hatte zuvor entschieden, den Militäreinsatz in Rafah fortzusetzen, um den militärischen Druck auf die Hamas zu erhöhen und die eigenen Kriegsziele durchzusetzen. Israels Verteidigungsminister Joav Galant sprach von einer mehrstufigen Invasion, die gestoppt werden könne, wenn sich die Hamas zu einer vernünftigen Verhandlungslösung zum Austausch der Geiseln bereiterkläre.

Palästinenser jubeln nach der Verkündung einer Feuerpause durch die Hamas in Rafah
Reuters/Doaa Al Baz
Unmittelbar nach der Hamas-Ankündigung strömten Menschen in Rafah auf die Straßen, um zu feiern

Die israelische Regierung vermutet in Rafah noch Tausende Hamas-Kämpfer und womöglich auch einige der nach wie vor festgehaltenen Geiseln. Nach Ansicht der Regierung ist die als Kriegsziel ausgerufene Zerschlagung der Hamas ohne die Kontrolle über Rafah nicht erreichbar. Am Montag hatte Israel eine Teilevakuierung der Stadt, wo rund eine Million Flüchtlinge Schutz gesucht haben, eingeleitet.

Hamas-Vorschlag für Israel nicht akzeptabel

Die Hamas hatte am Montagabend ihre Zustimmung zu einem Verhandlungsvorschlag über eine Waffenruhe erklärt. Dieser besteht laut US-Sender CNN aus drei Phasen – von einer Geiselfreilassung über einen Teilabzug israelischer Truppen bis zu einer dauerhaften Kampfpause und dem Wiederaufbau Gazas. Die Hamas-Ankündigung löste Jubelszenen auf den Straßen in Rafah, Gaza-Stadt und anderen Orten aus.

Aus dem Büro des israelischen Regierungschefs Benjamin Netanjahu hieß es, der Hamas-Vorschlag sei weit entfernt von dem, was Israel verlange. Der israelische Polizeiminister Itamar Ben-Gvir bezeichnete die Zustimmung der Hamas als taktischen Trick. Israel werde eine Delegation nach Kairo schicken, wo Unterhändlern über eine Waffenruhe, die Freilassung von Geiseln und Häftlingen sowie ungehinderte Hilfslieferungen verhandeln, wie Katar mitteilte.

Demonstration für die Befreiung der Geiseln in Tel Aviv
AP/Ariel Schalit
Geiselangehörige demonstrierten in Tel Aviv für die Freilassung

In einer Stellungnahme der Angehörigen der von der Hamas verschleppten Geiseln hieß es am Montagabend, die Ankündigung der Hamas müsse den Weg für die Rückkehr der Verschleppten ebnen. Vertreter der Angehörigen begrüßten die Ankündigung der Regierung Netanjahus, eine Verhandlungsdelegation zu Gesprächen mit den Vermittlern zu entsenden. In mehreren Städten Israels kam es am Montagabend zu Demonstrationen für eine Verhandlungslösung zur Freilassung der Geiseln.

UNO-Generalsekretär Antonio Guterres rief die Konfliktparteien auf, alles zu tun, um endlich ein Abkommen zu erreichen. „Eine Bodenoffensive in Rafah wäre nicht hinnehmbar aufgrund der verheerenden humanitären Folgen und wegen der destabilisierenden Folgen für die Region.“ Auch der EU-Außenbeauftrage Josep Borrell mahnte Israel zu Zurückhaltung. „Ich fürchte, es wird wieder viele Opfer geben, viele zivile Opfer“, sagte Borrell „Es gibt keine sicheren Zonen in Gaza.“