Kaleen auf Bühne
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Zweites Semifinale

Stunde der Wahrheit für Kaleen

Am Donnerstagabend wird es ernst für die österreichische Song-Contest-Kandidatin Kaleen: Im zweiten Halbfinale treten 16 Länder an, um sich die zehn verbliebenen Ticktes fürs Finale zu sichern. Die Konkurrenz ist groß – auch und vor allem in Kaleens Genre. Ansonsten werden wohl alle Augen auf die Schweiz und die Niederlande gerichtet sein – und auf Israel.

Kaleen und ihr Team sind bereits seit über einer Woche in Malmö und haben in den Proben an den letzten Kleinigkeiten gefeilt. Am Ende habe sich alles „sehr gut und stimmig angefühlt“, sagte die Künstlerin. Ihre Eurodance-Nummer „We Will Rave“ stammt von einem skandinavischen Team, das sich mit dem Song Contest gut auskennt: Jimmy Thörnfeldt schrieb schon an Loreens Vorjahressiegertitel „Tattoo“ mit, Thomas Stengaard am dänischen Siegertitel „Only Teardrops“ von 2013.

Das Hauptaugenmerk wird bei Kaleens Performance, die sie mit vier Backgroundtänzern bestreitet, aber wohl auf den Tanzeinlagen liegen – eine Premiere für Österreich. In den Wettquoten ging es in den vergangenen Tagen zwar leicht bergab, die Chance auf einen Finaleinzug ist aber nach wie vor im realistischen Bereich.

Schweizerischer Performer auf Bühne
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Nemo aus der Schweiz nennt seinen Song „The Code“ ein „künstlerisches Manifest“

Schweiz will Siegescode knacken

Keine Sorgen um ein Weiterkommen sollte sich die Schweiz heuer machen: Nemo tritt mit dem Song „The Code“ an, einem „künstlerischen Manifest einer persönlichen Reise“. Selbst eine non-binäre Person, will Nemo damit das Publikum aufrufen, „das Reich der Authentizität zu betreten“. Mit Rapelementen, einem eingängigen Refrain und Opernelementen lag Nemo damit wochenlang ganz oben auf der Favoritenliste der Buchmacher, bis die Schweiz die Position vor wenigen Tagen an Kroatien abtreten musste. Aber noch ist alles offen.

Für den niederländische Kandidaten Joost Klein ging es in den letzten Tagen hingegen tendenziell aufwärts in Richtung Top Five der Gesamtwertung. Der Techno-Ohrwurm „Europapa“, mitproduziert von Szenegröße DJ Paul Elstak, hat einen hohen Ohrwurmfaktor und vor allem – beim Song Contest nicht unwichtig – Wiedererkennungswert. Am Ende des Songs setzt Joost dann auch noch auf große Gefühle.

Liveticker auf ORF.at

Das Semifinale am Donnerstag ist wie das Finale am Samstag ab 21.00 Uhr live in ORF1 und im Livestream in tvthek.ORF.at zu sehen. ORF.at begleitet den Bewerb mit einem Liveticker – samt Bildern, animierten GIFs und Social-Media-Kommentaren.

Israel mit geändertem Beitrag

Im Vorfeld zweifellos die meiste Aufmerksamkeit lag schon auf dem israelischen Beitrag, denn sosehr sich die Veranstalter auch bemühen, lässt sich der Gaza-Krieg beim Song Contest nicht ausblenden. Für die gesamte Woche, vor allem aber für Donnerstag und Samstag sind in Malmö Demonstrationen angesagt, während des ersten Semifinales gab es auch in der Show versteckte Proteste gegen Israel. Viele der großen internationalen Eurovision-Hashtags in sozialen Netzwerken wurden während des Events mit Bildern aus Gaza überschwemmt.

Der ursprünglich eingereichte Beitrag von Sängerin Eden Golan musste aufgrund des EBU-Reglements, das politische Botschaften und Anspielungen untersagt, geändert werden. Statt „October Rain“ und Bezügen zum Hamas-Angriff auf Israel am 7. Oktober heißt die hochemotionale Ballade nun „Hurricane“. Auch ohne die konkreten Textzeilen fällt es wohl schwer, den dramatischen Beitrag vom Kontext zu trennen.

Israelischer Performer auf Bühne
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Eden Golan präsentiert für Israel die dramatische Ballade „Hurricane“

Gold und Glitzer

In der Kategorie Tanz mit leichter Bekleidung zeichnet sich heuer ein hoher Konkurrenzdruck ab. Nutsa Buzaladze aus Georgien liefert zu „Firefighter“ eine – dem Titel entsprechend – feurig-goldene Performance, Maltas Sarah Bonnici legt bei „Loop“ in hautengem Glitzer den Schwerpunkt hauptsächlich auf die Tanzpausen. Stoffreicher, aber ähnlich funkelnd und energetisch wird der Auftritt von Besa aus Albanien.

Marina Satti bringt mit „Zari“ aus Griechenland musikalisch modern aufbereiteten Lokalkolorit aus ihrer Heimat, ebenso Ladaniva mit „Jako“ aus Armenien – Letztere unterstreicht die folkloristische Komponente zusätzlich mit traditionellen Elementen im Kostüm.

Georgische Performer auf Bühne
AP/Martin Meissner
Georgien ist mit knappem Kostüm und viel Tanzeinlagen in einem Genre mit starker Konkurrenz

Von Buchmachern unterschätzt

Zu ihrem Song eigentlich wenig passend setzt die tschechische Sängerin Aiko auf textile Transparenz. Die recht radiotaugliche Nummer „Pedestal“ erinnert mit Punkpop-Anleihen ein wenig an Olivia Rodrigo. Merkwürdigerweise wird der Song von allen Beobachtern links liegen gelassen, es steht zu befürchten, dass auch die Bühneninszenierung durchfällt.

Ebenfalls als Wackelkandidat gilt der lettische Sänger Dons, obwohl sein Song „Hollow“ einen Refrain bietet, der in anderen Jahren schon für Platzierungen gereicht hätte, für die man sich nicht schämen muss.

Ähnliches gilt auch für Saba aus Dänemark, ihr balladesker Song „Sand“ droht aber im sonst sehr aufgeregten Feld zu Treibsand zu werden. Recht fix auf den Finaleinzug hoffen darf hingegen der Belgier Mustii, dabei verschenkt er aber die Hälfte der Zeit, ehe „Before the Party’s Over“ zündet.

Belgischer Performer auf Bühne
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Mustii aus Belgien wird als relativ sicherer Finalanwärter gesehen

Rock und nicht genommene Drogen

Norwegen schickt mit Gate eine ehemals recht erfolgreiche Folkrockband nach Malmö. Ihre größten Erfolge feierte die Gruppe vor rund 20 Jahren, nach langer Funkstille sind Gate nun seit ein paar Jahren wieder aktiv, ob mit dem nicht besonders eingängigen Song „Ulveham“ das Comeback gelingt, ist offen. Raue Töne kommen heuer auch aus San Marino, die spanische Rockband Megara versucht es mit dem Song „11:11“.

Mit dem kompliziertesten Künstlernamen und dem längsten Songtitel der Song-Contest-Geschichte tritt Estland an: 5Miinust & Puuluup singen in „(Nendest) narkootikumidest ei tea me (küll) midagi“ in spaßiger Herrenrunde über Drogen, die sie (noch) nicht genommen haben.

Hochkarätiges aus Frankreich und Italien

Das zweite Semifinale bietet auch einen Blick auf drei feststehende Finalisten, die heuer ihren Song ja vollständig und live vorab präsentieren dürfen – und alle drei haben es in sich. Slimane ist in Frankreich ein Superstar, der stimmgewaltige Sänger dürfte mit „Mon Amour“ für Gänsehautmomente in der Halle sorgen – und vor allem die Jurys überzeugen. Für Italien besingt Angelina Mango in „La noia“ die Langeweile, dem recht raffinierten Song werden – wie fast jedes Jahr dem italienischen Beitrag – zu Recht Siegeschancen eingeräumt.

Italienische Performer auf Bühne
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Alles andere als langweilig: Angelina Mango mit „La noia“

Spanien in eigener Liga

„Zorra“ des spanischen Duos Nebulossa ist der vielleicht gesellschaftlich spannendste Beitrag des Jahres. Das Ehepaar Mery Bas und Mark Dasousa betreibt eigentlich ein Friseurgeschäft.

TV-Hinweis

ORF1 startet am Donnerstag schon um 17.15 Uhr mit einem ausführlichen Song-Contest-Paket, jede Menge Zusatz- und Backstagevideos sind im Schwerpunkt in ORF On zu finden.

Mit ihrem Song sind sie aber dabei, das frauenfeindliche Wort „zorra“ („Schlampe“) in einen selbstbewussten Kampfruf zu verwandeln – teils mit den charmanten Gesichtern nicht mehr ganz junger Frauen im Video, teils mit einer weniger subtilen Bühneninszenierung. In Spanien sorgte das alles für einen Riesenwirbel, es bleibt abzuwarten, ob sich Resteuropa davon anstecken lässt.