Peter Gridling im Rahmen des U-Ausschusses zum „Rot-Blauen Machtmissbrauch“
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„Rot-Blau“-U-Ausschuss

Ex-BVT-Chef über „erste Hinweise“ zu Ott

Der von der ÖVP eingesetzte und an Zeugenschwund leidende U-Ausschuss zum „rot-blauen Machtmissbrauch“ hat am Mittwoch überraschend doch eine Auskunftsperson befragen können. Nach einer kurzfristigen Zusage stand Peter Gridling, der ehemalige Direktor des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), Rede und Antwort. Zentral von Interesse war der unter Spionageverdacht stehende Ex-Verfassungsschützer Egisto Ott. Überhaupt war dazu einiges ein Fall für eine geheime Sitzung.

Auf die Frage, wann Ott das erste Mal „auffällig“ wurde, sprach Gridling von „ersten Hinweisen“ im Jahr 2015. Die hätten aber „bei Weitem nicht ausgereicht“, dass es Konsequenzen geben habe müssen, so Gridling auf Fragen von NEOS-Fraktionsführer Yannick Shetty. Über Details dazu wollte Gridling nur in einem geheimen Sitzungsteil Auskunft geben, dieser fand dann auch statt. Zugleich sagte er, dass es generell immer wieder Gerüchte gegeben habe, denen sei nachzugehen – viele hätten aber keine Substanz gehabt, so Gridling sinngemäß.

Mit Blick auf Ott fragte SPÖ-Mandatar Reinhold Einwallner Gridling nach Datenabfragen im BVT. Man habe stichprobenartig Kontrollen durchgeführt. Ob Ott jemals eine der Personen war, die so überprüft worden seien, wisse er nicht, so Gridling. FPÖ-Mandatar Thomas Spalt wollte wissen, wieso das BVT nicht bemerkt habe, dass Ott illegale Datenabfragen getätigt habe. „Wir hatten keinen Einfluss, welche Personen bei den Stichproben ausgeworfen wurden“, zudem habe es damals keinen Verdacht gegen Ott gegeben, so Gridling.

Reinhold Einwallner (SPÖ)
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Reinhold Einwallner (r.) fragte Peter Gridling zu Datenabfragen Egisto Otts

Fokus auf Suspendierung

Eingangs ging es um die Suspendierung Otts. Diese wurde bekanntlich im Juni 2018 vom Bundesverwaltungsgericht aufgehoben, der mutmaßliche Russland-Spion aber erst 2021 wieder suspendiert. Gridling verwies darauf, dass eine Anzeige erfolgt sei, weil Ott Dokumente von dienstlichen auf private Accounts geschickt habe. Wegen des Verdachts der nachrichtendienstlichen Tätigkeit habe er Anzeige erstattet, so Gridling.

Damit sei seine Aufgabe als Dienststellenleiter „abgeschlossen“ gewesen. Die Ermittlungen habe dann das Bundeskriminalamt und nicht das BVT geführt. „Man hat (als BVT, Anm.) keine Information über die Ermittlungen haben können“, so Gridling – diese sei im Innenministerium gelegen. Wieso die folgenden Ermittlungen dann vorerst ohne Konsequenz blieben, müsse man die Ermittler fragen, so der Ex-BVT-Direktor.

Sicherheitsabteilung im Außenministerium

Im Zusammenhang mit der „Restrukturierung“ des BVT sei Ott ein Posten versprochen worden, sagte NEOS-Mandatar Shetty. Es gebe Querverbindungen zwischen Ott, Ex-FPÖ-Mann Hans-Jörg Jenewein und dem im Dienste Russlands stehenden Ex-Wirecard-Mann Jan Marsalek, so Shetty. Gridling mutmaßte, dass es bei dem Posten für Ott wohl nicht um eine Stelle im BVT gegangen sei, sondern wohl um eine Sicherheitsabteilung im Außenministerium – Genaueres wisse er aber nicht. Dass Marsalek über dessen Suspendierung informiert gewesen wäre, wisse er nicht, so Gridling.

Yannick Shetty (NEOS)
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NEOS-Fraktionsführer Yannick Shetty fragte Gridling, wann Ott „auffällig“ geworden sei

Goldgruber gab „Geheimprojekt“ im BVT in Auftrag

An anderer Stelle ging es in der Befragung auch um zwei „Geheimprojekte“ im BVT, eines zur Analyse, das andere zu Informationsbeschaffung. Gridling bestätigte auf Fragen von ÖVP-Mandatarin Corinna Scharzenberger, dass der damalige Innenministeriumsgeneralsekretär Peter Goldgruber Auftraggeber für eines der „Geheimprojekte“ gewesen sei. Das Innenministerium habe ihm, Gridling, mitgeteilt, dass er dazu keine Informationen erhalten habe. Später seien diese Projekte dann beendet worden, so der Ex-BVT-Direktor.

Auch die Bestellung von Klaus-Dieter Fritsche zum Mitglied der BVT-Reformgruppe als Berater war Thema – er beriet das Ministerium im Auftrag des damaligen Innenministers Herbert Kickl (FPÖ) zur Neustrukturierung des Verfassungsschutzes. Dass Fritsche Zugang zu klassifizierten Akten bekommen solle, sei vom Ministerium – konkret von Goldgruber – gekommen. „Ohne Wissen (auch zu geheimen Materien, Anm.) hätte Fritsche seiner Beratertätigkeit nicht nachkommen können“, so Gridling – er habe jene Informationen erhalten, die er für seine Tätigkeit gebraucht habe.

Corinna Scharzenberger (ÖVP)
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ÖVP-Mandatarin Corinna Scharzenberger fragte Gridling zu „Geheimprojekten“ im BVT

„Vorsichtige“ Weitergabe von Infos an Innenministerium

Kickl hatte bei seiner Befragung im April angegeben, dass er bei Amtsantritt von Gridling keine Information über den „Problemfall Ott“ bekommen habe. Die Suspendierung sei nicht in die Zeit gefallen, als Kickl Innenminister gewesen sei, so Gridling. Kickls Vorgänger als Innenminister, Wolfgang Sobotka (ÖVP), sei über den Fall informiert gewesen, sagte der Ex-BVT-Chef auf FPÖ-Fragen. Wann er mit Kickl das erste Mal „face to face“ gesprochen habe, könne er zeitlich nicht mehr festmachen, so Gridling.

Generell seien Informationen aus dem BVT an das Innenministeriumskabinett „immer mit der nötigen Vorsicht“ weitergegeben worden, es habe stets bewertet werden müssen, wie Informationen übermittelt werden. Ob es von Goldgruber Anfragen gab, die seitens der BVT abgelehnt worden seien? Diese habe es gegeben, so Gridling, etwa bei der Frage nach den verdeckten Ermittlern, die bei Verbindungen – also konkret Burschenschaften – eingesetzt waren.

Peter Gridling im Rahmen des U-Ausschusses zum „Rot-Blauen Machtmissbrauch“
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Ex-BVT-Direktor Gridling bei seiner Ankunft vor dem U-Ausschusslokal – ein Teil seiner Befragung wurde geheim abgehalten

Unter FPÖ „schwierige Zeit für Staatsschutz“

„Man habe gewusst: Wenn die FPÖ das Innenministerium innehat, dann ist das eine schwierige Zeit für den Staatsschutz“, so Gridling. Schließlich habe sich im Zuge der Ermittlungen immer wieder gezeigt, dass es Verbindungen zwischen rechtsextremer Szene und FPÖ-Politikern gebe – in diesem Zusammenhang erwähnte Gridling zweimal auch Kickl namentlich und verwies auf einen Auftritt bei einer einschlägigen Veranstaltung.

Generell habe man nach der BVT-Hausdurchsuchung „wenig Unterstützung aus der ÖVP“ gehabt, man habe sich „im Stich gelassen gefühlt“, so Gridling. Der Beamtenschaft seien „Umfärbungen nicht unbekannt“. Von seiner eigenen Suspendierung sei er „sehr betroffen gewesen“, so Gridling. Er wäre auch nicht erstaunt gewesen, wenn zwei Wochen danach ein neuer BVT-Direktor präsentiert worden wäre, so Gridling. Dazu ist es aber nicht gekommen.

ÖVP lässt signs-Chef vorführen

Für eine Befragung am Mittwoch abgesagt hatte bereits am Vortag der ehemalige Sicherheitschef von Ex-Kanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ). Bereits für Dienstag hatten Kickl und der Chef der Werbeagentur signs abgesagt – bei den beiden wäre es um Treuhandverträge bezüglich der Werbeagentur gegangen. Die ÖVP brachte einen Antrag auf polizeiliche Vorführung des signs-Geschäftsführers ein – eine Mehrheit stimmte laut ÖVP dafür.