US-Präsident Joe Biden
IMAGO/Sipa USA
Biden warnt Israel

Keine US-Waffen für Angriff auf Rafah

Im Gaza-Konflikt erhöhen die USA ihren Druck auf Israel. US-Präsident Joe Biden drohte Israel erstmals damit, im Fall einer Großoffensive auf die Stadt Rafah die Lieferung von Waffen einzuschränken. Eine wurde bereits ausgesetzt. Biden kritisierte außerdem die Kriegsführung im Gazastreifen deutlich. Israel setzt seine Offensive dort fort, die Verhandlungen mit der radikalislamischen Hamas bleiben festgefahren.

Washington hatte Israel bereits mehrfach davor gewarnt, Rafah im Süden des Gazastreifens großflächig anzugreifen. Waffen, welche die USA geliefert hatten, hätten im Gazastreifen Zivilisten getötet, sagte Biden in einem Mittwochabend (Ortszeit) ausgestrahlten Exklusivinterview mit dem US-Sender CNN. In und um Rafah halten sich Hunderttausende palästinensische Flüchtlinge auf.

Er habe klargemacht, so Biden, dass falls Israel eine Großoffensive auf Rafah beginnt, Waffen, die Israel in der Vergangenheit bekommen und im Gazastreifen eingesetzt habe, nicht mehr bekommen werde. Biden bezog sich auch auf schwere Bomben, deren Lieferung die USA bereits eingestellt haben – aber nicht nur. Er sprach auch andere Waffen an.

Auch Artilleriemunition gemeint

Die USA würden weiterhin dafür sorgen, dass Israel unter seinem Luftabwehrsystem „Iron Dome“ sicher sei und sich gegen Angriffe aus Ländern im Nahen Osten (wie zuletzt aus dem Iran) verteidigen kann, sagte Biden. Aber ein Großangriff auf Rafah wäre falsch, und die USA würden in diesem Fall etwa auch die Lieferung von Artilleriemunition einschränken. Verteidigung und Krieg zu führen seien nicht dasselbe, so Biden sinngemäß.

US-Präsident Joe Biden beim israelischen Premier Benjamin Netanyahu in Tel Aviv im November 2023
Reuters/Miriam Alster
US-Präsident Joe Biden und Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu

Ungewöhnlich deutliche Kritik

CNN nannte Bidens Aussagen einen „Wendepunkt“. Er hatte Israel bisher mehr oder minder bedingungslos unterstützt, geriet deshalb zuletzt innenpolitisch unter Druck. Nun kritisierte Biden Israel bzw. die Kriegsführung im Gazastreifen ungewöhnlich scharf. US-Bomben seien dort dazu genutzt worden, um Zivilisten zu töten, sagte er in dem Interview. Eine geplante Lieferung von über 3.000 Bomben wurde bereits ausgesetzt.

Menschen fliehen erneut

Israel hält trotz internationaler Kritik und der laufenden Verhandlungen über eine Waffenruhe und die Freilassung von Geiseln an seinen Plänen für eine Bodenoffensive in Rafah fest, wo aktuell mehr als eine Million Menschen Zuflucht vor den Kämpfen suchen.

Israel bezeichnet die Stadt im Süden des Gazastreifens als letzte verbliebene Hochburg der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas. Mittlerweile sollen 80.000 Menschen aus Angst vor einem israelischen Angriff Rafah wieder verlassen haben, die BBC berichtete am Donnerstag von einem Artilleriebeschuss der Stadt.

Israelische Armee besetzt Grenzübergänge

Am Dienstag hatte die israelische Armee Panzer nach Rafah geschickt und auf der palästinensischen Seite die Kontrolle über den Grenzübergang zu Ägypten übernommen. Biden sagte CNN, Israel sei nicht in Wohnviertel vorgedrungen. Er habe Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu und dem Kriegskabinett jedoch klargemacht, „dass sie nicht unsere Unterstützung erhalten werden, wenn sie tatsächlich in diese Wohnviertel gehen“.

Rauchsäulen über Rafah
AP/Ismael Abu Dayyah
Die israelische Armee besetzte die palästinensische Seite des Grenzübergangs bei Rafah

Das US-Nachrichtenportal Axios berichtete, ranghohe israelische Beamte hätten ihre „tiefe Frustration“ über die Kursänderung der USA zum Ausdruck gebracht. Sie hätten außerdem davor gewarnt, dass diese die indirekten Verhandlungen über eine Waffenruhe und die Freilassung von Geiseln gefährden könne. Diese Verhandlungen finden aktuell unter Vermittlung Ägyptens, Katars und der USA in Kairo statt.

Israels Botschafter bei den Vereinten Nationen, Gilad Erdan, zeigte sich am Donnerstag „sehr enttäuscht“ über die Drohung Bidens. „Das ist eine schwierige und sehr enttäuschende Äußerung von einem Präsidenten, dem wir seit Beginn des Krieges dankbar sind“, sagte er dem israelischen Sender Kan. Bidens Äußerungen würden von Israels Feinden Iran, Hamas und Hisbollah als etwas interpretiert, „das ihnen Hoffnung auf Erfolg gibt“.

Hamas schließt weitere Zugeständnisse aus

„Die USA sagten, sie wollten, dass wir die Operation einschränken, dass wir uns mit einer großangelegten Invasion zurückhalten. Und Israel hat das getan und wird immer noch bestraft“, zitierte das „Wall Street Journal“ in der Nacht auf Donnerstag Michael Oren, ehemals Botschafter Israels in Washington.

Die US-Zeitung zitierte israelische Analysten, wonach die Hamas mit dem Einsatz in Rafah unter Druck gesetzt werden soll, ein Abkommen zu akzeptieren, das hinter den Forderungen der Terrororganisation zurückbleibe. Die Hamas besteht weiterhin unter anderem auf einem Abzug der israelischen Truppen, was Israel jedoch strikt ablehnt.

Weitere Zugeständnisse in den Verhandlungen über eine Waffenruhe schloss die Hamas am Donnerstag aus. „Israel meint es nicht ernst mit einem Abkommen und benutzt die Verhandlungen als Vorwand, um in Rafah einzumarschieren und den Grenzübergang zu besetzen“, sagte der Vertreter des Hamas-Büros, Issat al-Rischk, in Katar. Man werde nicht über den am Montag akzeptierten Waffenstillstandsvorschlag hinausgehen. Israel hatte zuvor erklärt, der Dreiphasenvorschlag sei inakzeptabel, weil die Bedingungen verwässert worden seien.