An diesem Tag vor 74 Jahren hätten sich die europäischen Staaten zur Zusammenarbeit für „ein Leben in Frieden, Freiheit und Wohlstand“ entschieden, anstatt gegeneinander Kriege zu führen. „Wir entscheiden, welche Ideen von Europa wir gut finden“, so Van der Bellen.
„Autokratien auf der ganzen Welt – siehe Russland – versuchen gezielt, unsere liberale Demokratie in Europa zu schwächen. Sie streben nach mehr Macht, mehr Land, mehr Einfluss. Ein schwaches Europa wäre verletzlich. Und es wäre ohnmächtig gegenüber diesem Einfluss“, konstatierte Van der Bellen weiter.
Verteidigung auch militärisch
Ein starkes, unabhängiges Europa könne sich aber gegen Einflüsse wie diese wehren, etwa durch eine gestärkte Demokratie, eine intakte Medienlandschaft und ein funktionierendes Rechtssystem. „Und offen gesagt: Wir müssen uns auch darauf vorbereiten, unser Europa gegen militärische Angriffe zu verteidigen“, so Van der Bellen.
Große Probleme, wie die Klimakrise, müssten auch im Großen angepackt werden. „Gemeinschaftlich und vereint, als Europäische Union.“ Nun gelte es zu entscheiden, „ob diese Union in einzelne kleine Teile zersplittert“ oder weiterentwickelt werde „für uns alle“. Diese kleinen Teile seien freilich alle wunderbar, so der Bundespräsident.
„Reich an Kulturen, Bräuchen, Sprachen. Und wir alle lieben unser wunderschönes Österreich. Aber: Um das Kleine – unser Land – zu schützen, muss das Große – das vereinte Europa – stark sein“, sagte Van der Bellen.
„Freiheiten fallen nicht vom Himmel“
Die Freiheiten Europas, das einfache Reisen, das vernetzte Arbeiten, die Effizienz bei der Krisenbewältigung oder einfach die Freiheit zu leben, lieben und zu glauben, „fallen nicht einfach so vom Himmel. Wir müssen schon auch was dafür tun“, sagte der Bundespräsident. Daher sei es nicht egal, ob man bei der EU-Wahl am 9. Juni hingehe oder nicht. „Nehmen Sie an der EU-Wahl teil. Ihre Kinder und Enkelkinder werden es Ihnen danken.“
Bundespräsident zum Europatag
Anlässlich des Europatags hat Bundespräsident Alexander Van der Bellen bei einer TV-Rede an den Grundgedanken der EU erinnert und die Wichtigkeit der EU-Wahl betont. „Wollen wir im Weltmaßstab 27 Zwerge sein oder eine ernstzunehmende Macht? Wir entscheiden das“, sagte Van der Bellen.
Schumans Idee für europäische Kooperation
Der Europatag wird alljährlich am 9. Mai für Frieden und Einheit in Europa begangen. Am 9. Mai 1950 hatte der damalige französische Außenminister Robert Schuman seine Idee für eine neue Form der politischen Zusammenarbeit in Europa vorgestellt.
Ein Jahr später gründeten die beiden ehemaligen Kriegsgegner Deutschland und Frankreich gemeinsam mit den Niederlanden, Belgien, Luxemburg und Italien die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS), mit denen die beiden kriegswichtigen Güter unter gemeinsame Kontrolle gestellt wurden.
Die Kooperation weitete sich in den folgenden Jahrzehnten auf andere Lebensbereiche aus und mündete im Jahr 1992 in der Gründung der Europäischen Union, die einen gemeinsamen Binnenmarkt und eine gemeinsame Währung hat und mittlerweile 27 Mitgliedsstaaten umfasst.
Nehammer: EU-Mitgliedschaft „Erfolgsgeschichte“
„Österreichs EU-Mitgliedschaft war und ist eine Erfolgsgeschichte für Sicherheit, Wirtschaft, Wohlstand und Stabilität in unserem Land“, betonte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) anlässlich des Europatags. Der ÖVP-EU-Spitzenkandidat Reinhold Lopatka bezeichnete die EU als „wesentliche Grundlage für Frieden und Wohlstand in Österreich“.
SPÖ warnt vor Zerbrechen der EU
Die SPÖ-Doppelspitze für die EU-Wahl, Andreas Schieder und Evelyn Regner, bezeichneten die EU als „historische Lehre aus zwei Weltkriegen“ und dem Holocaust. „Wenn wir die EU nicht vor autoritären Angriffen und Rechtsaußen schützen und endlich fair gestalten, droht sie zu zerbrechen“, so Schieder und Regner. In der EU-Wahl ortete Schieder eine „Richtungsentscheidung“.
Kickl: „Richtungsentscheidung“ bei EU-Wahl
Vom „Grundgedanken einer Wirtschaftsgemeinschaft zum Wohle der Bürger und zur Wahrung des Friedens“ sei nichts mehr übriggeblieben, kritisierte FPÖ-Chef Herbert Kickl anlässlich des Europatags. „Die EU der Zukunft kann nur eine Gemeinschaft souveräner Nationalstaaten sein, die ihren Bürgern Frieden, Sicherheit, Freiheit und Wohlstand garantiert“, so Kickl. Die EU-Wahl stelle diesbezüglich eine „Richtungsentscheidung“ dar.
Brandstätter warnt vor „Populisten“
Als ein „Friedensprojekt von unermesslichem Wert“ bezeichnete NEOS-EU-Spitzenkandidat Helmut Brandstätter die EU und warnte vor „Populisten, die Europa schwächen“ wollen. Wer sich auf die Seite von Autokraten wie Russlands Präsidenten Wladimir Putin, Donald Trump oder Ungarns Premier Viktor Orban schlage, „will Österreich arm, abhängig und wehrlos machen“, so Brandstätter. Der Brexit habe gezeigt, was passiert, wenn man jenen Zukunftszerstörern das Feld überlasse, sagte EU-Listenzweite Anna Stürgkh.