Israelischer Panzer feuert nahe an der Grenze zu Gaza
Reuters/Ammar Awad
Delegationen abgereist

Keine Einigung über Feuerpause in Gaza

Bei den Verhandlungen über eine Feuerpause im Gazastreifen hat es bei der bisher letzten Verhandlungsrunde in Kairo erneut keine Einigung zwischen Israel und der Terrororganisation Hamas gegeben. Nachdem Israel einen vorgelegten Vorschlag abgelehnt habe, liege „der Ball nun vollständig“ bei Israel, wie die Hamas am Freitag mitteilte. Unterdessen verdichteten sich zuletzt die Anzeichen auf eine israelische Offensive in Rafah im Süden des Gazastreifens.

Der den ägyptischen Behörden nahestehende Sender al-Kahira News hatte am Donnerstag unter Berufung auf eine „hochrangige Quelle“ berichtet, dass die Delegationen der Hamas und Israels nach zweitägigen Gesprächen über eine Feuerpause im Gazastreifen und die Freilassung von israelischen Geiseln Kairo wieder verlassen hätten. Die Bemühungen der internationalen Vermittler sollten dessen ungeachtet weitergehen.

Ein israelischer Regierungsmitarbeiter erklärte, die bisher letzte Verhandlungsrunde in Kairo zum Thema Waffenruhe im Gazastreifen sei am Donnerstagabend beendet worden. Israel werde seine Operation in Rafah und anderen Teilen des Gazastreifens wie geplant fortsetzen, erklärte er.

Sein Land habe den Vermittlern seine Vorbehalte gegenüber dem Vorschlag der Hamas zur Freilassung von Geiseln mitgeteilt. Die Verhandlungen in Kairo laufen bereits einige Wochen. Sie werden indirekt über die Vermittler Ägypten, Katar und USA geführt. Ägypten forderte sowohl die Hamas als auch Israel auf, „Flexibilität“ zu zeigen.

„Israel befindet sich in einer Sackgasse“

In Tel Aviv ist ORF-Korrespondent Nikolaus Wildner. Er gibt eine Einschätzung, ob Israel es sich leisten kann, jetzt auf Waffenlieferungen zu verzichten.

Vorschlag für Israel nicht vereinbar

Die Hamas hatte am Montag erklärt, einem Vorschlag Ägyptens und Katars für eine Feuerpause im Gazastreifen zugestimmt zu haben. Dieser sehe eine dreistufige Feuerpause mit dem Ziel eines dauerhaften Waffenstillstands vor. Jede der drei Phasen würde 42 Tage dauern.

Zudem enthalte die Vereinbarung Pläne für einen vollständigen Rückzug Israels aus dem Gazastreifen, die Rückkehr der durch den anhaltenden Krieg vertriebenen Palästinenser sowie einen Austausch von Geiseln in der Gewalt der Hamas und palästinensischen Gefangenen in israelischen Gefängnissen.

Das Büro von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu teilte daraufhin mit, dieser Vorschlag sei „weit von den wesentlichen Forderungen Israels“ entfernt. Am Dienstag erklärte Netanjahu, er habe seine Delegation angewiesen, „weiterhin hartnäckig an den Bedingungen festzuhalten, die für die Freilassung der Geiseln“ notwendig und für die Sicherheit Israels „wesentlich“ seien.

Anzeichen für Offensive in Rafah

Ungeachtet der Verhandlungen über eine Feuerpause gab es auch am Freitag wieder israelische Angriffe auf die Stadt Rafah. Israelische Truppen brachten die Hauptstraße unter ihre Kontrolle, die den Ostteil der von Geflüchteten überfüllten Stadt vom Westteil trennt. Damit haben die Bodentruppen mit ihren Panzern faktisch den Ostteil Rafahs eingekesselt. Anrainer sprachen von anhaltenden Explosionen und Gewehrschüssen im Osten und Nordosten.

Zwischen israelischen Soldaten und Kämpfern der Hamas sowie des Islamischen Dschihad gebe es heftige Gefechte. Augenzeugen meldeten zudem Luftangriffe und Gefechte in der Stadt Gaza weiter nördlich. Bereits am Donnerstag gab es Berichte über starken Artilleriebeschuss und eine Fluchtbewegung aus Rafah im Süden des Gazastreifens.

Rauch über Rafah
Reuters/Hatem Khaled
Die Anzeichen für eine israelische Offensive in Rafah hatten sich zuletzt verdichtet

Laut Angaben der Vereinten Nationen von Freitag sind seit Beginn des Beschusses von Rafah am Montag rund 110.000 Menschen aus der Stadt geflohen. In Rafah und der unmittelbaren Umgebung halten sich bis zu eine Million Flüchtlinge auf. Der Grenzübergang nach Ägypten blieb weiter für humanitäre Hilfslieferungen gesperrt, wie die palästinensische Grenzbehörde mitteilte.

Biden droht mit Aussetzen von Waffenlieferungen

Angesichts einer drohenden Offensive zeigte sich zuletzt Israels wichtigster Verbündeter, die USA, kritisch gegenüber dem israelischen Vorgehen in Rafah. In einem Exklusivinterview mit dem US-TV-Sender CNN, das am Mittwochabend ausgestrahlt wurde, unterstrich Biden die Warnungen an Israel nochmals deutlich. Waffen, welche die USA geliefert hatten, hätten im Gazastreifen Zivilisten getötet, sagte Biden.

Er habe klargemacht, so Biden, dass Israel, falls es eine Großoffensive auf Rafah beginnt, Waffen, die es in der Vergangenheit bekommen und im Gazastreifen eingesetzt habe, nicht mehr bekommen werde. Biden bezog sich auch auf schwere Bomben, deren Lieferung die USA bereits eingestellt haben – aber nicht nur. Er sprach auch andere Waffen an.

Israelische Armee besetzt Grenzübergänge

Am Dienstag hatte die israelische Armee Panzer nach Rafah geschickt und auf der palästinensischen Seite die Kontrolle über den Grenzübergang zu Ägypten übernommen. Biden sagte CNN, Israel sei nicht in Wohnviertel vorgedrungen.

US-Präsident Joe Biden beim israelischen Premier Benjamin Netanyahu in Tel Aviv im November 2023
Reuters/Miriam Alster
US-Präsident Joe Biden und Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu

Er habe Israels Regierungschef Netanjahu und dem Kriegskabinett jedoch klargemacht, „dass sie nicht unsere Unterstützung erhalten werden, wenn sie tatsächlich in diese Wohnviertel gehen“, sagte Biden. Israel sieht Rafah als letzte verbliebene Hochburg der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas.

Netanjahu: Notfalls allein kämpfen

Israels rechtsgerichteter Ministerpräsident Netanjahu sagte, sein Land sei bereit, notfalls allein zu kämpfen. „Wie ich bereits gesagt habe, werden wir, wenn es sein muss, mit unseren Fingernägeln kämpfen“, so Netanjahu in einer Videobotschaft. „Aber wir haben viel mehr als unsere Fingernägel, und mit dieser Willensstärke, mit Gottes Hilfe, werden wir gemeinsam siegreich sein.“

Netanjahu hält an Plänen fest

Bei den Verhandlungen über eine Feuerpause im Gazastreifen hat es bei der bisher letzten Verhandlungsrunde in Kairo erneut keine Einigung zwischen Israel und der Terrororganisation Hamas gegeben. Nachdem Israel einen vorgelegten Vorschlag abgelehnt habe, liege „der Ball nun vollständig“ bei Israel, wie die Hamas am Freitag mitteilte.

Der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates der USA, John Kirby, verwies am Donnerstag darauf, dass Israel noch keine Bodenoffensive in Rafah begonnen habe. „Wir hoffen, dass es nicht dazu kommt“, sagte er. „Wenn Israel tatsächlich mit einer großen Bodenoperation voranschreitet, werden die USA bestimmte Waffen zur Unterstützung einer solchen Operation nicht liefern“, bekräftigte Kirby. Die Entscheidung liege bei Israel.