LUKAS HAAS als Mike Collins, RYAN GOSLING als Neil Armstrong and COREY STOLL als Buzz Aldrin in „First Man“
Viennale

„First Man“: Mondlandung in Echtzeit

Regisseur Damien Chazelle, Oscar-Preisträger und Hollywood-Jungspund, hat den Mut gehabt, die altbekannte Geschichte von der ersten Mondlandung neu zu verfilmen. Er konzentriert sich in „First Man“ auf die Menschen hinter der Mission, schafft ein Heldenepos ohne Pathos und lässt das Ganze in einem fulminanten Finale gipfeln.

Donald Trump hat verkündet, dass er sich „First Man“ nicht ansehen werde. Zu unpatriotisch sei es, dass ausgerechnet auf die historische Szene, in der die amerikanische Flagge auf dem Mond aufgestellt wird, verzichtet wurde. Chazelle, der letztes Jahr mit 32 Jahren als jüngster Filmemacher aller Zeiten für „La La Land“ mit dem Regie-Oscar ausgezeichnet wurde, wird das wenig kümmern. Er betonte immer wieder, die Mondlandung sei keine amerikanische Errungenschaft gewesen, sondern eine menschliche. Dafür hat er allerdings einen ziemlich amerikanischen Film gemacht.

Der Mann auf dem Mond

„First Man“ ist ein Biopic über den Astronauten Neil Armstrong (gespielt von Ryan Gosling) und beschreibt dessen beschwerlichen Weg vom Testpiloten der NASA bis zum Kommandanten der Raumfahrtmission Apollo 11. Der Titel bezieht sich darauf, dass er bekanntlich der erste Mensch war, der auf dem Mond spazieren ging, nachdem das Raumschiff am 20. Juli 1969 dort gelandet war.

RYAN GOSLING als Neil Armstrong in „First Man“
Viennale
„Ein kleiner Schritt für einen Menschen …“

Gleich zu Beginn das erste Drama: Armstrongs zweijährige Tochter stirbt 1962 an einem Gehirntumor, die Familie stürzt in eine tiefe Krise. Armstrongs Ehefrau Janet (Claire Foy) wird zum psychischen Wrack und will einfach nur ein normales Leben führen, während Neil sich in die Arbeit stürzt, um zu vergessen. Weil für das Weltraumprogramm der NASA Piloten mit Erfahrungen als Ingenieur gebraucht werden, wird er für die Apollo-11-Mission ausgewählt. Das ausdrückliche Ziel im Rahmen des Kalten Krieges ist es, vor der Sowjetunion bis zum Ende des Jahrzehnts Amerikaner auf dem Mond landen zu lassen.

Weg voller Rückschläge

Was nun folgt, ist eine Reihe von Verlusten und Rückschlägen, bei denen einige von Armstrongs Kollegen ums Leben kommen und auch er selbst beim Absturz eines Mondlandungstrainingsgeräts (Lunar Landing Training Vehicle) nur knapp dem Tod entrinnt. Mehrmals kommt innerhalb der NASA die Frage auf, ob es das Ganze überhaupt wert sei, während die Öffentlichkeit fordert, das Geld besser für die Armen und Hungernden zu Hause auszugeben und Gil Scott-Heron „Whitey on the Moon“ singt. Der Ausgang der Geschichte ist bekannt und wurde bereits damals in Millionen von Wohnzimmern überall auf der Welt via TV-Gerät verfolgt.

Er habe mit seinem Film ergründen wollen, wie viel ein einzelner Mensch zu geben bereit ist, um ein Ziel zu erreichen, sagte Chazelle im Rahmen der Filmfestspiele von Venedig, wo „First Man“ heuer seine Weltpremiere feierte. Der Regisseur im BBC-Interview: „Ich will mit dem Film erreichen, dass sich die Menschen Armstrongs Mondstiefel anziehen und sich alles vorstellen, was er erlebt hat.“ Mit wackeliger Handkamera und extremen Nahaufnahmen ist das streckenweise durchaus gelungen. Es ruckelt und wackelt bei den Testflügen, dass man das Gefühl hat, selbst in den wenig Vertrauen erweckenden Blechbüchsen zu sitzen. Klaustrophobiker werden mit diesen Szenen keine Freude haben.

Claire Foy als Janet Armstrong in „First Man“
Viennale
Armstrongs Ehefrau Janet (Claire Foy) stürzt in eine Krise

Der Film ist akribisch recherchiert, voller NASA-Litaneien und technischer Details, gewissermaßen eine Antithese zum knallbunten, verträumten „La La Land“ letztes Jahr. Was zur Folge hat, dass Chazelles Heldenepos keine rührselige Huldigung ist, sondern ein unsentimentales Drama, das fast ohne Pathos auskommt. Gosling spielt den wortkargen Familienvater routiniert, aber wenig ausdrucksstark – der La-La-Jazzmusiker hat ihm besser gestanden. Mehr Leidenschaft und Emotionen bringt Golden-Globe-Gewinnerin Claire Foy in der Rolle der verzweifelten Ehefrau auf die Leinwand, sie kann sich am Ende zumindest innerlich emanzipieren, während sie äußerlich explodiert und ihren Mann in die (Vater-)Pflicht nimmt.

In Armstrongs Fußspuren

Das wahre Highlight wartet am Ende des Films auf das Kinopublikum und zeigt den Flug zum Mond und die Landung selbst. Beim Abheben von Apollo 11 vom Erdboden spürt man förmlich, wie die Astronauten – neben Armstrong waren noch Buzz Aldrin und Michael Collins an Bord – in ihre Sitze gepresst werden, wie die Helme vibrieren und das Raumschiff rasselt wie eine ramponierte Flugmaschine.

Filmhinweis

„First Man“ wird bei der Viennale am 2.11. um 20.15 Uhr und am 3.11. um 12.30 Uhr jeweils im Gartenbaukino gezeigt.

Österreichweiter Kinostart ist am 8.11.

All das verschwindet in dem Moment, wo sie tatsächlich ihr Ziel erreichen, die Luke öffnen und der Blick auf den Mond die gesamte Leinwand von oben bis unten ausfüllt. Der Ton wird abgeschnitten, wenn Armstrong die Landefähre verlässt, was das Gefühl vermittelt, in Echtzeit eine fremde Welt zu betreten. Allein für diese fünf Minuten am Schluss lohnt sich der Kinobesuch von „First Man“. Danach werden die berühmten Worte „Das ist ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein großer Sprung für die Menschheit“ gesprochen, und auch die amerikanische Flagge ist zu sehen, bevor die Männer den Mond wieder verlassen. Wer keine Gelegenheit hat, den Film bei der Viennale zu sehen, sollte ihn sich möglichst in einem IMAX-Kino anschauen. Es zahlt sich aus.