Filmstill aus „Blaze“
Viennale

Ethan Hawke sucht die großen Dinge

Einmal vor der Kamera, einmal im Regiesessel: Ethan Hawke ist mit zwei Filmen auf der Viennale vertreten – in der Rolle eines zweifelnden Priesters in Paul Schraders „First Reformed“ und mit seinem Countrymusiker-Biopic „Blaze“.

Glaube, Zweifel, Stolz, Angst, Gier – eben das, was Menschsein in der Gegenwart ausmacht: Mit „First Reformed“ ist Schrader ein bedrückender, dabei fulminanter Film gelungen, der nun, über ein Jahr nach seiner Premiere bei den Filmfestspielen in Venedig, endlich bei der Viennale zu sehen ist. Hawke spielt darin den ehemaligen Militärpriester Ernst Toller, Pfarrer einer kleinen Kirchengemeinde im Staat New York, der zu einem Notfall gerufen wird: Die hochschwangere Mary (gespielt von Amanda Seyfried) bittet ihn, ihrem Mann Michael beizustehen.

Michael ist in einer tiefen Krise, nicht nur, was seinen Glauben an Gott, sondern auch, was die Welt und das Leben selbst betrifft. Im Gespräch mit Toller legt er seine totale Weltverzweiflung so erschütternd klar dar, dass der Priester selbst zu zweifeln beginnt. Das hat unmittelbare Auswirkung auf seine Arbeit in der Kirche, die längst ohnehin mehr Touristenattraktion als Ort für Gebet und Austausch ist. Und Toller hat sein eigenes Kreuz zu tragen, das mit Eitelkeit zu tun hat, mit Liebesbedürftigkeit, mit Begehren.

We Shall Overcome

Schrader verknüpft in „First Reformed“ Glaubenskrise, Umweltzerstörung und das Abhandenkommen jeglicher Zuversicht auf beklemmende Weise miteinander. Nur die zwischenmenschliche Zuneigung gilt da noch als Gegenmittel – und vielleicht ist genau das auch das wahre Spirituelle, wie eine intime Szene gegen Ende suggeriert, zwischen der gläubigen Mary und dem zweifelnden Priester.

Es ist womöglich die beste Rolle von Hawke, der vor vielen Jahren mit Richard Linklaters 90er-Jahre-Romanze „Before Sunrise“ berühmt wurde und längst selbst Filme dreht. Seine aktuellste Regiearbeit läuft ebenfalls bei der Viennale: „Blaze“ ist das Porträt des zu Unrecht vergessenen Countrysängers und Songwriters Blaze Foley, der 1989 im Alter von nur 39 Jahren nach einem Streit erschossen wurde.

Sympathie fürs verpatzte Leben

Hawke verfasste das Drehbuch zu diesem Film gemeinsam mit Blazes Expartnerin Sybil Rosen, auf Basis ihrer Erinnerungen „Living in the Woods in a Tree“. Folgerichtig handelt der Film auch über weite Strecken von Blazes gemeinsamer Zeit mit Rosen, einer Schriftstellerin und Poetin, noch bevor er mit seiner Musik zumindest bescheidene Bekanntheit erlangt hatte. Rahmenhandlung des Films ist eine Radiosendung, in der zwei von Blazes musikalischen Wegbegleitern sich an das musikalische Genie und dessen verpatztes Leben erinnern.

„Wer ist dieser Blaze?“, fragt der Radiomoderator, und die beiden beginnen zu erzählen, anekdotisch, musikalisch, witzig und umständlich. „Blaze war sehr populär im Pfandladen“, sagt der eine. „Er hatte nie Geld. Und er hatte nie Erfolg.“ Hawke kommt in diesem Film als Schauspieler nur ganz am Rande vor, einmal als Hinterkopf des Radiomoderators und als seine körperlose Stimme. Dennoch ist er unverkennbar präsent, seine Sympathie für diesen Musiker, für dessen Hingabe zu seiner Kunst.

Filmhinweis

„First Reformed“ wird ab dem 9.11. exklusiv im Wiener Gartenbaukino zu sehen sein.

„Blaze“ läuft bei der Viennale noch einmal am 7.11. um 18.00 Uhr im Gartenbaukino.

Fertig mit dem Musendasein

„Blaze“ ist – neben einem liebevollen musikalischen Porträt – auch die Geschichte einer großen Liebe zwischen zwei Kunstschaffenden und darüber, wie diese Liebe auseinanderbricht. „Ich bin fertig damit, eine Muse zu sein“, sagt Rosen (Alia Shawkat) irgendwann, als Blaze (gespielt vom Musiker Ben Dickey) nach vielen Wochen des Auf-Tour-Seins endlich wieder einmal daheim ist, ihr zwar Song um Song gewidmet hat, aber ansonsten nicht da war, während sie selbst an Theaterstücken und Kurzgeschichten geschrieben hat und gerne ihren Liebsten an ihrer Seite gehabt hätte.