Mads Mikkelsen *** Local Caption *** Druk, Thomas Vinterberg, Dänemark, 2020, V’20, Spielfilme
Viennale/Henrik Ohsten
„Druk“

Im Rausch durch die Midlife-Crisis

Thomas Vinterbergs sehenswerte Tragikomödie „Druk“ handelt von vier Männern, denen die Inspiration abhanden gekommen ist. Im Selbstversuch erproben sie die Auswirkungen eines permanent minimal erhöhten Alkoholspiegels und erleben ungeahnte Höhenflüge. Der Kater danach lässt freilich nicht lange auf sich warten.

Martin (Mads Mikkelsen) ist müde. Als Geschichtslehrer an einem dänischen Gymnasium und Vater zweier Teenager befindet er sich schon seit Längerem in einer veritablen Midlife-Crisis. Seine Ehe ist an einem Tiefpunkt, man hat sich nicht mehr viel zu sagen. Nur seinen Freunden Tommy (Thomas Bo Larsen), Peter (Lars Ranthe) und Nikolaj (Magnus Millang) – ebenfalls Lehrer an Martins Schule – gelingt es manchmal, den Endvierziger aus der Lethargie zu reißen.

Tommy ist Sportlehrer und Fußballtrainer, Peter Musiklehrer und Klavierspieler und Nikolaj ist Psychologielehrer, der Jüngste in der Runde und Vater von drei anstrengenden kleinen Kindern. Der Historiker Martin hat nicht nur zu Hause das Sprechen verlernt, auch in der Schule ist man von seinem monotonen Unterricht genervt, und ein paar Eltern versuchen sogar, ihn loszuwerden.

Sanitäter in der Not

An Nikolajs 40. Geburtstag treffen sich die Freunde zum Abendessen und stolpern über die Theorie eines norwegischen Philosophen: Der Mensch sei prinzipiell mit einem zu niedrigen Blutalkoholspiegel geboren, um sein ganzes Potenzial ausschöpfen zu können. Ein bisschen mehr Selbstvertrauen und Nonchalance im Alltag durch eine Mikrodosierung Alkohol wäre doch einen Versuch wert? Getarnt als wissenschaftliches Experiment beginnen die Männer in den nächsten Tagen heimlich, die Auswirkungen ihres nun folgenden Alkoholkonsums aufzuschreiben und zu analysieren.

Mads Thomas, Magnus Lars *** Local Caption *** Druk, Thomas Vinterberg, Dänemark, 2020, V’20, Spielfilme
Viennale/Henrik Ohsten
Raus aus dem tristen Alltag: Die vier Freunde lassen sich auf ein „wissenschaftliches“ Experiment ein

In der Schule bemerkt man den neuen Drive der Lehrer sofort. Martin gewinnt seine Schüler für lebhafte Diskussionen und wird für sein neues Engagement gefeiert. Peters Schulchor bringt ungeahnte Leistungen, und Tommys Fußballnachwuchs ist plötzlich in Höchstform. Aus seiner „Wasserflasche“ kann der Trainer durstige Knirpse jetzt freilich nicht mehr trinken lassen.

Filmhinweis

„Druk“ wird im Gartenbaukino noch am 25.10 um 23.15 Uhr und am 29.10. um 6.30 Uhr gezeigt. Weitere Vorstellungen sind im Admiralkino am 30.10. um 18.00 Uhr und im Votiv Kino am 1.11. um 18.00 Uhr zu sehen.

Österreichweit startet der Film am 29.01.2021.

Druk (Viennale)

Auch in Martins Privatleben bewegt sich einiges. Erstmals seit Jahren kann er sich seiner Frau Trine (Maria Bonnevie), die er immer noch liebt, wieder zuwenden. Und beim familiären Campingtrip, wofür man jetzt endlich wieder den Elan aufbringt, legen die Söhne sogar mal das Handy aus der Hand. Alle scheinen vom Zustand der leichten Trunkenheit zu profitieren. Zunächst. Denn nachdem aus einem Glas Wodka zum Frühstück eine halbe Flasche wird, läuft das Experiment für alle Beteiligten aus dem Ruder.

Vinterbergs leichtfüßigste Inszenierung

Regisseur Vinterberg – international bekannt vor allem für Dramen wie „Das Fest“ (1998) und „Die Jagd“ (2012) – ist diesmal eine beispielhafte Synthese aus Tragödie und Komödie gelungen. „Druk“ (dt. Titel: „Der Rausch“) ist definitiv ein Lichtblick in diesem düsteren Kinojahr. Leichtfüßig inszeniert mit Dialogen voller Wortwitz, stellt er einmal mehr bürgerliche Werte und Schwachstellen der Gesellschaft zur Diskussion. Wie nimmt man seine Verantwortung als erwachsener Mensch wahr? An welche Konventionen muss man sich halten, damit ein Familienleben funktioniert? Und wie steht es überhaupt mit der Männlichkeit?

Mads Mikkelsen, Maria Bonnevie *** Local Caption *** Druk, Thomas Vinterberg, Dänemark, 2020, V’20, Spielfilme
Viennale
Martin (Mads Mikkelsen) und Trine (Maria Bonnevie) kommen sich wieder näher

„Druk“ ist ein Buddy-Movie, ein bitter-komisches Drama um eine Männerfreundschaft, wo die Frauen nicht zuschauen, sondern ihr eigenes Ding machen. Es gibt eine Art Gleichberechtigung im Umgang mit dem alltäglichen Wahnsinn zwischen Trostlosigkeit und Erfüllung. Getragen wird der Film von der darstellerischen Leistung des Ensembles, angeführt von einem großartigen Mads Mikkelsen in der Rolle des abgestumpften Familienvaters, in dem die Seele eines Tänzers schlummert. Zwischen Erschöpfung und Ekstase bewegt sich Mikkelsen durch Vinterbergs stilvolles Setdesign und gibt so seine beste Performance der letzten Jahre.

Ist „Druk“ nun eine Kritik am Umgang mit der Volksdroge Nummer eins? Haut der Regisseur gar seine trinkfreudigen dänischen Landsleute in die Pfanne? Das denkwürdige Experiment lässt jedenfalls einen altbekannten Schluss zu: Die Dosis macht das Gift. Im Dänischen gibt es übrigens viele Bezeichnungen fürs Trinken. „Druk“ bedeutet „heftig trinken“, aber mit Stil. Am Ende des Films schließt Vinterberg den tragikomischen Kreislauf der Dinge: Jemand stirbt, jemand tanzt, und alle anderen feiern das Leben.