Gartenbaukino, VIS
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Kurzfilme in „zack, zack, zack“-Zeiten

Mit viel Humor sowohl in den Reden, als auch in den Eröffnungsfilmen ist am Dienstagabend im Wiener Gartenbaukino der Start des Kurzfilmfestivals Vienna Shorts (VIS) begangen worden. Festivalleiter Daniel Ebner hielt sein Versprechen, das Programm, das immerhin 305 Filme aus 55 Ländern enthält, „zack, zack, zack“ – also kurz – vorzustellen.

Ebner teilt sich die Festivalleitung seit heuer mit Doris Bauer. In ihren Ansprachen teilten sie mit dem Publikum ein Bekenntnis zur Kunst und insbesondere zum Kurzfilm. Bauer hob hervor, dass drei Viertel des Festivalteams Frauen sind. Vor allem aber wurde über die „Ibiza-Tapes“ gewitzelt. Der Zusammenschnitt, den die TV-Stationen gezeigt hätten, habe gezeigt, dass „ein Kurzfilm alles verändern kann“, so Ebner, der seine Rede mit einem Zitat von Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache beendete: „We make Party now!“

Die Wiener Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler beschäftigte sich mit dem heurigen Festivalmotto „Courage!“, also „Mut“. Wir alle, so Kaup-Hasler sinngemäß, hätten in der Vergangenheit mutiger sein müssen im Umgang mit sogenannten „Einzelfällen“ – wie es einzelne Künstler vorgemacht hätten. In Bezug auf die Kulturförderung merkte sie an, dass ihr momentan „der Partner im Bund abhanden gekommen“ sei und sie „nicht alles“ kompensieren könne.

Cinematografischer Schabernack

Sechs Filme wurden zur Eröffnung gezeigt, eine Auswahl, die das Publikum überzeugte – es wurde viel gelacht und noch mehr applaudiert. Anette Sidor beobachtet in „Fuck You“ eine Gruppe Jugendlicher, in der Frauen zwar umschwärmt werden, aber bei den wirklich coolen Sachen nicht mitmachen dürfen. Eine von ihnen schnallt sich einen Dildo um und verstört damit die Burschen – alles grandios gespielt von Laiendarstellerinnen und -darstellern.

Viel Humor hat auch Anna Vasofs „Hitting My Head on the World“. Sie nimmt das Geräusch auf, wenn sie in unterschiedlichen Städten der Welt im öffentlichen Raum (absichtlich) mit dem Kopf gegen Dinge stößt und macht dann daraus geloopte Elektronik-Tracks mit Bild und Ton – völlig absurd, aber irgendwie stimmig. Paul Harrison und John Wood necken das Publikum in „This is a Projection“, indem sie es mit den Bedingungen des Sehens im Kino konfrontieren, ein cinematografischer Schabernack erster Güte.

Filmstill aus „Fuck You“ (Anette Sidor)
Anette Sidor
Anette Sidors formidabler Eröffnungsfilm „Fuck You“

Massenabfertigung mit Massenunterhaltung

Beeindruckend sind die Aufnahmen in Corina Schwingruber Ilics „All Inclusive“. Sie zeigt ohne Kommentar das Treiben auf einem immens riesigen Kreuzfahrtschiff – Massenabfertigung mit Massenunterhaltung, es ist geradezu grotesk. Schwingruber erzählte auf der Bühne des Gartenbaukinos mit viel Charme von den Drehbedingungen. Fragen hätte man wegen der Aufnahmen nie müssen – gefilmt hätte dort ohnehin jeder, ihre Kamera sei eher eine der kleinsten gewesen.

In „Black Bus Stop“ lassen Kevin Jerome Everson und Claudrena N. Harold Schwarze zuerst miteinander auf Bushaltestellen herumhängen, die dann plötzlich eine eigens einstudierte Choreografie darbieten, was nicht immer zwingend, immer aber fein orchestriert wirkt. Und Historisches aus dem Jahr 1975 von Agnes Varda führt vor Augen, dass weibliches Empowerment nicht erst seit #metoo stattfindet. „Women Reply“ hat von seiner Aktualität nichts eingebüßt.

Filmstill aus „All Inclusive“
Corina Schwingruber Ilic („All Inclusive“)
„All Inclusive“: So eine Kreuzfahrt, die ist schön. Oder auch nicht.

Zurück zu den Wurzeln

Jedenfalls: Abgesehen von der neuen Festivalleitung ist die auffälligste Neuerung eigentlich keine. Das VIS kehrt nach zwei Jahren aus dem Metro Kino wieder ins Stadtkino im Künstlerhaus zurück, man war wegen der dortigen Renovierungsarbeiten ausgewichen. Nun kann das Publikum auf dem Karlsplatz im eigens eingerichteten Festivalcafe im Programm schmökern und Tipps austauschen. Neben der Zentrale sind wieder das Gartenbaukino und das Filmmuseum Spielstätten – und erstmals auch das Burg Kino.

Im Burg Kino läuft ja seit Jahrzehnten regelmäßig Carol Reeds britischer Wien-Thriller „Der dritte Mann“ mit Joseph Cotten und Orson Welles in den Hauptrollen. Das VIS feiert deshalb gemeinsam mit dem Burg Kino 70 Jahre „Der dritte Mann“. Ein eigens produzierter Vorfilm ist das Krönchen auf der Geburtstagstorte.

Filmstill aus „Docking“ von Trevor Anderson – der Film wird in der beliebten, einschlägigen „PopPorn“-Reihe gezeigt
Trevor Anderson
Filmstill aus „Docking“ von Trevor Anderson – der Film wird in der beliebten, einschlägigen „PopPorn“-Reihe gezeigt

Was kann VR schon?

Apropos Gratulationen: Es werden auch wieder Preise in diversen Kategorien vergeben – unter anderem der von ORF.at gestiftete und verliehene Publikumspreis für den besten Kurzfilm unter zehn Minuten. Mitvoten darf jeder, der im Kino dabei ist.

Eine Kooperation gibt es unterdessen neben dem Burgkino auch mit der Vienna Biennale for Change im MAK. Dort widmet man sich gemeinsam mit sound:frame und XR Vienna virtueller Realität und 360-Grad-Videos. Während sich in dem Bereich international bereits viel tut, sind in Österreich die Rahmenbedingungen dafür noch bescheiden. Das VIS lotet hier Möglichkeiten und Grenzen aus – ein lohnenswertes Unterfangen, man darf gespannt sein.

Hinweise

Das VIS findet noch bis 2. Juni im Stadtkino im Künstlerhaus, im Österreichischen Filmmuseum, im Gartenbaukino, im Burg Kino und im MAK statt. Karten gibt es online auf der Website des VIS und in den Festivalkinos.

Regisseurinnen auf dem Vormarsch

Auffällig ist heuer auch der im internationalen Filmfestvergleich außergewöhnlich hohe Frauenanteil von 43 Prozent – ein Faktum, das wohl nicht zuletzt dem noch höheren Frauenanteil im Kuratorinnenteam von 75 Prozent gedankt ist. Es kamen allerdings auch 34 Prozent der Einreichungen von Regisseurinnen, was beim jungen Altersschnitt im Kurzfilmbereich mehr als ermutigend ist: Es tut sich was, es kommt etwas nach, die männlich geprägte Filmbranche wird langsam, aber sicher ordentlich aufgemischt.

Ebenfalls weiblich geprägt sind zwei von drei Spotlights, also Schwerpunkte in diesem Jahr. Näher beleuchtet werden das Werk der deutschen Essayistin Alexandra Gerbaulet und der griechisch-österreichischen Medienkünstlerin Anna Vasof. Der großartige Festivaltrailer wurde ebenfalls von Vasof beigesteuert.

Nur Mut in Zeiten wie diesen

Das „Überthema“ des VIS lautet in diesem Jahr „Courage!“, gerne auch „Cou Rage!“ geschrieben, damit die Rage in Courage auch wirklich zur Geltung kommt angesichts der herrschenden politischen Verhältnisse.

Zum „Überthema“ des Festivals, „Courage!“, gibt es drei kuratierte Programme, zwei wurden übernommen – eines vom kroatischen Motovun-, eines vom dänischen Odense-Festival, das dritte Programm hat das VIS selbst zusammengestellt.

Musikvideo von Kreisky „Ein braves Pferd“
Kreisky
Für den Musikvideopreis nominiert: Kreiskys „Ein braves Pferd“

Längst kein Geheimtipp mehr ist darüber hinaus das schmutzig-frivole (aber nicht sexistisch-blöde) Programm „PopPorn“, wo es um genau das geht, wonach es sich anhört. Die Schiene „Dancing Screen“ widmet sich internationalen Musikvideohighlights, „Tres chic“ gibt sich trashig und „Nightmares“ sorgt mit seinen Filmen für gehörigen Grusel.

Pizza, Porno, Politik

Natürlich tut sich auch drumherum, also abseits der Filmprogramme, einiges. Es wird gefeiert und diskutiert, über Filmthemen, unter anderem mit dem Regieduo Veronika Franz und Severin Fiala, das im Rahmen der „Nightmares“ den österreichischen Schocker „Die Trud“ zeigt. Ganz schön ernst, ganz schön unernst und ganz schön intensiv wird das wieder werden heuer.

Die Politik liegt als Thema in Sachen „Courage!“ auf der Hand, Porno gibt es auch – aber was hat das VIS mit Pizza zu tun? Wie bei einer Pizza gibt es da ganz viele Zutaten, die im besten Fall aber trotzdem irgendwie zusammenpassen. Eine gute Projektion – und Mahlzeit!