Filmstill aus „Ich seh, ich seh“
Veronika Franz, Severin Fiala („Ich seh, ich seh“)
Regieduo Franz/Fiala

Was tun, wenn Hollywood anruft?

Wenn Hollywood anruft, hebst du dann ab? Nach dem unerwarteten internationalen Erfolg ihres Horrorfilms „Ich seh, ich seh“ wurden Veronika Franz und Severin Fiala von amerikanischen Filmproduzenten als potenzielle Smash-Hit-Lieferanten entdeckt. Wie sie bei Vienna Shorts (VIS) rekapitulieren: So viel Aufmerksamkeit kann auch ein Horror sein.

„Es hat einfach zu viel Zeit gekostet, die Anfragen alle abzulehnen.“ Deswegen also, sagt Franz, hätten sie und ihr Regiepartner Fiala nun ihren ersten international besetzten Film gedreht, „The Lodge“, mit Riley Keough und Alicia Silverstone, der im Jänner beim Sundance-Festival gute Kritiken bekommen hatte und gegen Jahresende auch in Österreich ins Kino kommen soll. Geplant war das alles aber eigentlich nicht.

Auf großen Publikumserfolg haben Franz und Fiala nämlich nie abgezielt, berichten sie beim Filmtalk der VIS Academy im Filmmuseum. Das sei ihnen eher passiert: Der erste gemeinsame Langfilm, das semifiktionale Porträt „Kern“ des als schwierig verrufenen Regisseurs Peter Kern, hatte gerade einmal an die vierhundert Tickets verkauft. Das Drehbuch zum Horrorthriller „Ich seh, ich seh“ war danach entstanden, eigentlich als Fingerübung während des langwierigen Schnitts zu „Kern“.

„Goodnight Mommy“

Dann wurde „Ich seh, ich seh“ aber 2015 eingeladen in den renommierten Orizzonti-Wettbewerb des Filmfestivals Venedig, und wurde dort von einem nicht nur am Horrorgenre interessierten Fachpublikum gesehen. Und das änderte einiges: Ein US-Verleih kaufte dem Film, verpasste ihm den Titel „Goodnight Mommy“ und schnitt einen neuen Trailer, und der hatte innerhalb weniger Tage über eine Million Klicks.

„In Österreich haben uns dann die Leute gefragt, wann denn dieser Film ins Kino kommen würde. Aber wir mussten ihnen sagen: ‚Der ist längst gelaufen‘“, so Fiala. Gerade einmal an die 10.000 Leute hatten sich daheim für den Film interessiert, was selbst für einen österreichischen Spielfilm nicht viel ist.

Von Venezuela bis Japan

In den USA, in Lateinamerika und in Japan war der Film aber dann mit großem Erfolg gelaufen. „In Venezuela war er eine Zeitlang sogar Nummer zwei am Boxoffice“, sagt Fiala, „und das japanische Poster ist das schönste überhaupt.“ Anfragen für ein amerikanisches Remake ließen nicht lange auf sich warten, es gibt dafür auch schon Drehbuchautor und Regisseur, „das selbst zu machen, haben wir abgelehnt. Wir wollen ja nicht zweimal denselben Film machen“, so Franz – anders als Michael Haneke, der das US-Remake von „Funny Games“ selbst inszeniert hatte.

Die E-Mails aus Hollywood wurden aber nicht weniger. „Wir hatten bei ‚Ich seh ich seh‘ maximale Freiheit, warum sollten wir überhaupt außerhalb Österreichs drehen wollen? Aber es haben uns so viele Agenten geschrieben und sind uns auf die Nerven gegangen. Irgendwann war allein das Beantworten so viel Arbeit, dass wir uns dachten, wir können das nur eindämmen, indem wir uns tatsächlich für einen entschieden haben.“

Veronika Franz und Severin Fiala bei Vienna Shorts 2019
VIS, Mercan Sümbültepe
Veronika Franz und Severin Fiala beim Gespräch im Filmmuseum

Sünderinnen und neue Projekte

Über diesen Agenten allerdings sei dann eine Flut von Hunderten Drehbüchern eingetrudelt, deren Ablehnung wieder Zeit gekostet habe. Also schrieben die beiden ihr eigenes – und daraus wurde „The Lodge“. Unkomplizierter wurde es dadurch aber nicht, schon angefangen bei der Besetzung: „Wir bekamen nur Videoclips von den Schauspielerinnen und Schauspielern zu sehen, und dann gab es Skype-Gespräche.“ Reale Treffen vor Drehbeginn gab es keine, beklagt Fiala, ganz anders als beim gewohnten Produzenten Ulrich Seidl.

Vom Ergebnis gab es im Filmmuseum allerdings nur den Trailer zu sehen. Dafür läuft beim Festival der Fünfzehnminüter „Die Sünderinnen vom Hölltal“, Teil einer Horroranthologie auf Basis einer Legende um ein Ungeheuer, das sexuell aktive Mädchen quält. Inzwischen arbeiten Fiala und Franz schon an den nächsten Filmen: Eine amerikanische Produktion unter dem Arbeitstitel „The Fortress“ ist in der Drehbuchphase, außerdem ein österreichischer Horrorfilm, der sich mit einem hiesigen Mythos befasst.

Dazu wurde ein Stück eines selten gesehenen Spaßprojekts gezeigt, nämlich ein etwa dreißigminütiger Kurzfilm namens „Dreh und Trink“, Dokument einer launigen Trinkspielrunde, zu dem Franz fast entschuldigend hinzufügte: „Normalerweise schenken wir Wodka aus, bevor wir den Film zeigen.“ Gedreht wurde der Film übrigens ausgerechnet in Seidls Keller.