Blog, 2.9. Stefan Kappacher, Ö1-Innenpolitik

Erzählt’s was Gescheites

Politiker erzählen gern Märchen, und deshalb ist – auch bei uns im ORF – das Fakten-Checken so groß in Mode. Journalistisch eher zweischneidig. Denn wir erwecken damit den Eindruck, dass unser Journalismus auch etwas anderes sein könnte als Fakten checken. Ist er natürlich nicht. Die Politiker jedenfalls, die preisen ihre Ware. Aber sie sagen uns nicht, wofür sie gut sein soll. Wir sagen: Erzählt uns endlich Geschichten, die wir glauben wollen.

SPÖ und ÖVP sitzen gemeinsam in der Regierung und liefern sich ein Kanzlerduell, dessen einziger Sinn darin besteht, die Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Parteien auf Null zu reduzieren. Es wird vor Mehrheiten gewarnt, die rechnerisch gar nicht möglich sind. Es werden Entlastungsprogramme präsentiert, die hinten und vorne nicht zusammengehen. Und es wird nach jener Entfesselung des Marktes gerufen, die die schwerste Wirtschaftskrise seit den dunklen Zeiten des vorigen Jahrhunderts erst möglich gemacht hat. Die Kanzlerpartei setzt dem in altbewährter Manier Angstparolen entgegen.

Der Effekt ist, dass ein Hinüber-Retten der gemeinsamen absoluten Mehrheit der derzeitigen Regierungsparteien über die Nationalratswahl keine ausgemachte Sache ist. Weil weder Rot noch Schwarz den Menschen mit Leidenschaft und stimmig erklären, warum sie stärker werden wollen. Die Opposition stellt sich da auch nicht viel geschickter an. Die FPÖ findet ihr Thema nicht, und das BZÖ ist damit beschäftigt zu erklären, dass man eh nicht aus dem Nationalrat fliegen werde.

Driving License für Frank

Das macht es für Frank Stronach leicht, seine persönliche Tellerwäscher-Lebensgeschichte als seine Driving License für die Politik zu verwenden. Auch wenn er oft als Geisterfahrer unterwegs ist. Aber eine Geschichte erzählt auch Stronach nicht. Er diktiert Werte, die nicht einmal überall gelten. Am nähesten dran sind wohl die Grünen, die einen neuen Wirtschafts- und Gesellschaftsentwurf haben. Der wird aber überdeckt durch den Zug zum Regieren und die Gewissheit, dass da Kompromisse lauern, die die schönste Geschichte kaputt machen können.

Mannshoher Geldsack vor EZB

Wie es funktionieren kann, zeigt einer in Deutschland vor. Thorsten Schäfer-Gümbel, SPD-Landesvorsitzender in Hessen, fordert am 22. September den CDU-Ministerpräsidenten heraus. Schäfer-Gümbel hatte das gescheiterte rot-rot-grüne Abenteuer seiner Vorgängerin Andrea Ypsilanti auszubaden: eine Wahl verloren, Opposition, jetzt ist er sehr populär. Seine Geschichte: wir holen uns 800 Millionen Euro von den Steuerflüchtlingen und steuervermeidenden Konzernen und stecken das Geld in Kindergärten, Schulen und Wohnungen. Schäfer-Gümbel hat das mit einem mannshohen Geldsack vor der Kulisse der EZB-Zentrale in Frankfurt zelebriert.

Ein einprägsames Bild. Eine gute, stimmige Geschichte. In dem Fall klappt es dann auch mit dem Faktencheck.