Catarina e a la beleza de matar fascistas
Jaime Machado
„Catarina e a beleza de matar fascistas“

Antifaschistische Folklore im Korkeichenhain

Eine Antifa-Familie, die als klandestine Familientradition jährlich einen frauenfeindlichen Faschisten ermordet – kann das der Stoff sein, aus dem großes politisches Theater gemacht ist? Der portugiesische Regisseur Taigo Rodrigues gab mit dem Ensemble seines Teatro Nacional D. Maria II am Premierenabend von „Catarina e a beleza de matar fascistas“ (Catarina und die Schönheit, Faschisten zu töten) eine eindeutige Antwort darauf.

Es war ein äußerst gelungener Theaterabend, den Rodrigues zusammen mit Schauspielern seiner Lissabonner Truppe dem Festwochenpublikum bescherte. Mit geradezu klassischer Dramaturgie, die gegen Ende durchdachte Bruchstellen aufwies, war die Premiere von „Catarina e a beleza de matar fascistas“ ein Beispiel dafür, wie politisches Theater funktionieren kann – ganz ohne schalen Nachgeschmack und Moralin.

Das lag daran, dass Rodrigues einen moralischen Konflikt mitten in eine konfliktgeladene Familienfeier der ungewöhnlicheren Sorte verlegt. Sieben Clanmitglieder treffen sich jährlich zu einer ganz eigenen Familientradition: Während der Salazar-Diktatur wurde 1954 eine unschuldige junge Frau namens Catarina Eufemia von einem Soldaten des Regimes ermordet. Um sie zu rächen, erschoss eine Vorfahrin der Familie ihren Mann, der tatenlos zusah.

Das alte Testament der Antifa

Seitdem entführen und ermorden ihre Nachkommen jährlich einen politischen Gegner, der den Tod einer Frau zu verantworten hat, als Befehlsgeber, Ideologe oder Mitläufer. Umrahmt wird die Tradition mit schrulligem rituellem Beiwerk. Alle Mitglieder der Familie nennen sich „Catarina“ und tragen Röcke und Gewänder im Stil der altvorderen Rebellin. Das Opfer wird jeweils unter einer Korkeiche verscharrt, der Hain der Familie gedeiht und versichert sie, Teil der Lösung zu sein.

Opa-Catarina, die Onkel-Catarinas, Mutter-Catarina und Cousin-Catarina haben jeweils ihre eigenen privaten Gewohnheiten beim Ablauf: So treibt der eine Späße mit dem Opfer und wirft mit Brecht-Zitaten um sich, betrinkt sich die andere, philosophiert der Dritte über Familienzusammenhalt und das Leben, begreift sich der Vierte erdverbunden als eigentlicher Verwalter des Familienerbes, während der Fünfte die Rolle des Erzählers übernimmt und kommentiert, wie alles aus dem Ruder läuft.

Catarina e a la beleza de matar fascistas
Jaime Machado
Sieben „Catarinas“ in der Vorbereitung eines politischen Ritualmordes

Wie bei einer übersteigerten Version eines Weihnachtsfestes muss natürlich auch hier ein Familienzwist ausbrechen. Die junge Tochter-Catarina (grandios: Sara Barros Leitao), die an der Reihe wäre, die Rache auszuführen, befallen Zweifel. Sie hadert mit dem von Generation zu Generation weitergegebenen Mordauftrag, ringt mit Erbe und Interpretation des Briefes der Ahnin, die ihren Nachkommen die Rache auferlegt, dem Alten Testament dieser seltsam sektiererischen Familienbande.

Linke Diskurse als Tischgebet

Wie Rodrigues hier die großen innerlinken Debatten über Moral, Gewalt und Widerstand mühelos in Zwiegespräche zwischen Schwestern, Mutter und Tochter, Opa und Enkelin einflicht, ohne dem Stück etwas aufzubürden, das es nicht einlösen kann, ist fulminant. Bald schon wollte das Publikum am Premierenabend die alte Generation als die verblendete RAF-Fraktion, die junge Pazifistin als kritischen Realo einer demokratischen Gegenwart lesen.

Catarina e a la beleza de matar fascistas
Jaime Machado
Romeu Costa als neurechter Ideologe (M.) bleibt über weite Strecken das stumme Opferlamm

Der Clou des Stücks ist natürlich der entführte neurechte Redenschreiber und Ideologe in Slimfit-Montur, der während des ganzen Verhandlungsmarathons der Weltanschauungen als treuherzig und verschreckt dreinschauendes Requisit herumsitzt und sich stumm in die zugedachte Rolle des Opferlamms fügt. Als die Lage zwischen den Generationen eskaliert, nimmt er lässig sein Sakko, tritt nach vorne und hält eine Wahlkampfrede.

Epilog des Faschismus

Wie Romeu Costa als Faschist sich dabei bis zum Schaum vor dem Mund in Rage redete, war ein großer Theatermoment. Eine Rede, die alle Elemente (neu)rechter Menschenverachtung, vom antifeministischen Glorifizieren der guten portugiesischen Hausfrau über den Vergleich von Flüchtlingen und Migranten mit Tieren bis zur Diffamierung von LGBTQ-Personen als Anormalen enthielt und ihnen ein freundliches, spöttisches Gesicht gab.

Dass Rodrigues’ Text an diesem Kipppunkt Aufschreie der Vox Populi aus den Rängen – inklusive eines Anstimmens der Partisanenhymne „Bella Ciao“ provozierte –, machte deutlich, worauf der fast dreistündige Abend hinauslief: eine geschickte Behauptung der Bühnenillusion, die dann im letzten Moment durchbrochen wurde, als Costa sein politisches Programm mit den Worten „Wir sind Realität“ geifernd behauptete und damit eindeutig über das Bühnenbild und die Halle E des MuseumsQuartiers hinauswies.

Man musste dem Text schon sehr genau zuhören, um die Andeutungen zu bemerken, die „Catarina e a beleza de matar fascistas“ als Dystopie für ein mögliches Portugal im Jahr 2028 macht. Das anwesende Publikum war jedenfalls begeistert und beklatschte die portugiesische Kompagnie mit Standig Ovations, die auch für die zwei verbleibenden Vorstellungen am Donnerstag und Freitag garantiert sind.