Szenenbild aus Achim Freyers Oedipe-Inszenierung
Monika Rittershaus, Salzburger Festspiele
Vor der Enescu-Premiere

Achim Freyer: Erlösung für Ödipus?

Der Zauber des Theaters von Achim Freyer besteht in seiner Eigenart. Was bei anderen eine Freakshow aus dem Zeichenkasten wäre, gerät bei ihm zum großen, manchmal kindlich-magischen Marionettentheater der Selbsterkenntnis. Und mitunter ist es ein Theater der Erlösung. Gerade wenn er Stoffe der Antike angreift. So darf bei ihm auch Ödipus hoffen.

Aus dem Dunkel ins Licht. Wer ab Sonntag in Salzburg in der Felsenreitschule Platz nimmt, wird auf eine ganz spezielle Reise mitgenommen: über die Antike und das Unaushaltbarste zu uns selbst; und in ein Spektakel für Augen und Ohren. George Enescus selten gespielte Oper „Oedipe“ (1936) ist ein Sonderfall in der Geschichte der Musik und in der Bearbeitung der Antike: Selten versteht Musik die Vorlage des Sophokles derart in ihrer mythischen Form und eröffnet dabei den Horizont auf eine Zeitreise durch mehr als ein halbes Jahrhundert Musikgeschichte.

Dunkel und flächig und mit Wiedererkennungseffekten zum späten 19. Jahrhundert hebt diese Oper an – und sie führt mit abgründiger Schönheit etappenweise ins Licht. So, als hätte jemand schon in den Jahren 1920 und ’30 das Wort „Ambient“ mit den Mitteln der damaligen Zeit buchstabieren wollen. Freyer greift diese Struktur, die er in der Vorlage findet, auf und will, wie er selbst in einem Terrassengespräch in Salzburg gemeinsam mit dem musikalischen Leiter der Oper, Ingo Metzmacher, sagt, die „Farbigkeit der Musik“ in Licht übersetzen.

Hinweis

George Enescus „Oedipe“ ist bei den Salzburger Festspielen am 11., 14., 17. und 24.8. zu sehen. Gleichzeitig widmet sich „Zeit mit Enescu“ einer vertieften Auseinandersetzung mit dem Komponisten Enescu, der in Wien und Paris ausgebildet wurde und auch als Musiker große Auftritte feierte – mehr dazu in oe1.ORF.at.

„Wir haben noch eine andere Chance“

„Ödipus, das sind wir selbst“, sagt der Regisseur bei der Vorstellung seiner Arbeit. Und man erinnert sich, wenn er das sagt, an die Losung von Festspielchef Markus Hinterhäuser, dass Mythen „Archive der Welterkenntnis“ seien. In der Tat greift ja auch Enescu als Komponist den Stoff des Sophokles zum Ödipus mit einer ganz eigenen Faszination auf: Ihn, der an dieser Oper acht Jahre gearbeitet hat, begeisterte einerseits die Unentrinnbarkeit des Schicksals – ein Umstand, den das Libretto von Edmond Fleg stärkt. Und schließlich gibt es da zum Ende hin den Aspekt der Erlösung.

„Wir haben noch eine andere Chance im Leben“, sagt Freyer, der sich in seiner Inszenierung dem Erkennen der eigenen Schuld mit einer Form der Perspektive stellen mag. Wie er dies gerade auch lichtdramaturgisch am Ende lösen will, verrät er nicht. Aber man darf gespannt sein und in den eigenen Freyer-Archiven ‚blättern‘, etwa, als er im Finale seines „Phaeton“ einst im Wiener Burgtheater das Gerüst des Theaterdaches aufzulösen schien.

Für Metzmacher als musikalischem Leiter des Abends besteht der Reiz dieser Oper, wie er sagt, in dem „Zustand zwischen Wachheit und Traum“: „Alle Szenen tragen Erkenntnislicht und Schlaf in sich.“ Man darf bei solchen Aussagen gewiss sein, dass genau das der Humus ist, aus dem sich die Freyer’sche Bild- und Szenenwelt entspinnen wird.

Szenenbild aus Achim Freyers Oedipe-produktion
Monika Rittershaus, Salzburger Festspiele
Eine Opernarbeit zwischen Wachheit und Traum vor den Arkaden der Salzburger Felsenreitschule

Freyer als bildender Künstler

Wer sich vom Freyer’schen Perpetuum mobile auf der Theaterbühne tiefer in seiner Werk als bildnerischer Künstler vertiefen will, kann das in diesem Sommer noch bis Ende August im Stift Millstatt im Art Space machen, wo teils großfromatige Arbeiten des Künstlers ausgestellt sind.

Es sind mehr als zwei Dutzend abstrakte Arbeiten Freyers in unterschiedlichen Formaten zu sehen. Wenn Freyer zuletzt in Salzburg an seiner Inszenierungsarbeit produktionstechnisch mit dem Licht begonnen hat, dann kann man bei seinen abstrakten Arbeiten so etwas wie eine Bewegung hin in eine Raumerschließung miterleben.

„Das Wort hilft dem Bild nicht“, zitierte sich Freyer bei der Eröffnung selbst – und fasste diesen Ansatz in eine kleine Anekdote: Als er einmal an einem Abend von der Akademie nach Hause gekommen sei, hätten ihm seine Töchter ein großes Bild auf dem Boden vorgelegt. „Ja, das ist schön“, habe er damals gesagt und gefragt, was denn das Bild darstellen solle. Seine Töchter hätten ihn entgeistert angesehen: „Da stand ich also, Professor an der Akademie, und wollte just von meinen Töchtern wissen, was denn ein Bild darstelle.“

Freyers Malerei wirkt da wie eine Ergänzung auf seine überzeichneten bildlichen Theaterentwürfe. Alles ist ihm in der Malerei Bewegung, Reduktion – und Versuch. „Letztlich“, so sagte er, „malen wir immer an diesem einen Bild, von dem wir dann das Gefühl haben, dass es endlich gelungen ist“.