Australische Tageszeitungen nach dem Rücktritt von Tony Abbott 2015
APA/AFP/William West
Australien

„Königsmord“ mit Tradition

Knapp drei Jahre war Malcolm Turnbull Parteichef der australischen Konservativen, fast genau zwei Jahre Regierungschef. Für australische Verhältnisse ist das schon eine halbe Ewigkeit. Denn der politische „Königsmord“ gilt in der australischen Politik offenbar als Lieblingssport.

Seinen Vorgänger Tony Abbott hatte er aus dem Amt geputscht – und zuvor hatten sich die Chefs der Liberal Party praktisch im Jahrestakt abgelöst. Für diese Kultur des „Königsmords“ gelten zwei Faktoren als besonders relevant. So würden in den Parteien „Machtbroker“ im Hintergrund die Fäden ziehen, berichtet die BBC. Diese „gesichtslosen Männer“ seien zumeist in den einzelnen Parteiorganisationen der Bundesstaaten verankert und könnten von dort aus enormen Einfluss auf die Parlamentarier der eigenen Fraktion ausüben.

Dass die Machenschaften der „Machtbroker“ häufig von Lobbyinteressen, etwa der Industrie und den Gewerkschaften, getrieben sind, ließ etliche australische Zeitungen schon von einer „Bananenrepublik“ schreiben.

Die Macht der Umfragen

Die Strategie sei meist dieselbe: Umfragewerte sind in Australien nicht nur ein politischer Gradmesser, sondern gewissermaßen die Waffe der Wahl im politischen Kampf. Gleich drei Zeitungen, „Sydney Morning Herald“, „Melbourne Age“ und „The Australian“, veröffentlichen wöchentlich Umfragewerte. Diese seien dann zumeist auch das innenpolitische Thema des Tages, so die BBC. Damit sei es wenig verwunderlich, dass ein Popularitätstief häufig mit einem Rücktritt endet.

Clinch Turnbull gegen Abbott

Turnbull war von 2008 bis 2009 schon einmal Parteichef der australischen Konservativen. Allerdings unterstützte er die Pläne der damaligen Labor-Regierung zur Begrenzung der Emissionen der mächtigen Bergbauindustrie. Seine Partei ließ sich das nicht gefallen. Er wurde von der Parteispitze gewählt und von Abbott abgelöst.

Rücktrittsrede von Tony Abbott 2015
Reuters/Matt Siegel
Abbott konnte sich immerhin zwei Jahre als Premier halten

Dass ausgerechnet ihm nun die Revanche gelingt und er Nachfolger seines eigenen Nachfolgers wird, ist in Australien nichts Ungewöhnliches. Nicht ganz zufällig stolperte Turnbull jetzt wieder über die Klimapolitik: Die Parteirevolte wurde losgetreten, nachdem er seine Pläne für eine restriktivere Emissionspolitik zurücknehmen musste.

Auch der neue Premier Scott Morrison kann sich keineswegs in Sicherheit wägen: Sein knapp unterlegener Konkurrent Peter Dutton ist gerade einmal 47 Jahre alt. Seine Stunde könnte schlagen, wenn die Liberalen die nächste Parlamentswahl verlieren und Morrison abtreten muss. Möglicherweise wird die Wahl auch früher stattfinden als im Mai.

„Parteifreunde“ als schlimmste Feinde

Auch historische Beispiele zeigen, dass man in Australien keine Feinde braucht, wenn man Parteifreunde hat. Eine ganz besondere Fehde hatte in der Ära vor Abbott die Labor-Party in Atem gehalten. Kevin Rudd und Julia Gillard stürzten den damaligen Labor-Chef Kim Beazley und führten die Partei 2007 zum Wahlsieg.

Rudd wurde Regierungschef, Gillard stellvertretende Ministerpräsidentin und auch Ministerin für Arbeit, Bildung und soziale Integration. 2010 war es mit der Freundschaft vorbei: Rudd wurde vorgeworfen, für den Absturz der Labor-Partei in den Umfragen verantwortlich zu sein.

Gillard nutzte die Gelegenheit, putschte gegen ihren Parteikollegen und wurde Partei- und Regierungschefin. Ihren Konkurrenten machte sie zum Außenminister. Im Februar 2012 versuchte Rudd, den Spieß umzudrehen: Er gab sein Ministeramt auf, forderte Gillard heraus – und scheiterte.

Gillard kurz vor Wahl weggeputscht

Im Juni 2013 konnte sich dann Gillard aber nicht mehr halten. Angesichts schlechter Umfragewerte kurz vor der Wahl, rechnete sich ihre Partei mit Rudd an der Spitze mehr Chancen aus. Gillard wurde abgewählt, der Partei half aber der Wechsel an der Spitze nichts. Abbott setzte sich gegen Rudd klar durch.

ehemalige austrliache Premierministerin Julia Gillard
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Auch Julia Gillard musste erleben, welch Schlangengrube die australische Politik ist

Auch auf regionaler Ebene kommt es in der australischen Politik immer wieder zu spektakulären Parteiputschen. Da werden Vorsitzende auch gern per Telefon darüber informiert, dass sie gerade ihren Job verloren haben. Oder sie finden sich nach längeren Auslandsreisen plötzlich ohne Amt wieder.

Fressen und gefressen werden

Legendär ist auch ein „Königsmord“, der vor gut 40 Jahren stattfand: 1983 wurde der Labor-Vorsitzende Bill Hayden von seinen Vertrauten zum Rücktritt gedrängt, obwohl er zuvor in einer Abstimmung gegen seinen Konkurrenten Bob Hawke gewonnen hatte. Hawke war zwar ein mächtiger Gewerkschaftsboss, zu diesem Zeitpunkt aber ein unerfahrener Parlamentarier.

Dennoch sollte er seine Partei in einen Wahltriumph führen und acht Jahre Regierungschef bleiben, eher er gestürzt wurde. „Parteifreund“ Paul Keating führte die Palastrevolte an, der damalige Außenminister Gareth Evans legte ihm mit den in Australien mittlerweile legendären und wenig charmanten Worten „Pull out, digger, the dogs are pissing on your swag“ den Rückzug nahe. Eine Woche kämpfte Hawke dagegen an, dann war seine Amtszeit Geschichte.