Arbesser X Vienna
Elfie Semotan
Erst Mailand, dann Paris

Der Siegeszug der Wiener Garderobe

Ein radikaler Bruch mit der Vergangenheit, wohl dosierte Verrücktheit und eine Aura der verschwörerischen Lässigkeit: Wien träumt bis heute von der Moderne, als die Stadt in jeder Hinsicht Avantgarde gewesen ist. Nun übersetzt der international gefeierte heimische Designer Arthur Arbesser die Mode jener Zeit in die Gegenwart – zu sehen im Leopold Museum.

Schöne Frauen in schönen Kleidern – so simpel könnte ein erstes Urteil lauten, wenn man das Atrium des Leopold Museums in Wien derzeit betritt. In einem einzigen großen Raum reihen sich neun übergroße Fotografien von österreichischen Topmodels aneinander – ein Blickfang im Raum sind dabei mehrere scheinbar tanzende Modepuppen, die Arbessers Designs tragen.

Wiener Moderne a la 2018

Der 36-jährige Wiener, der auch als Kreativchef des Modelabels Fay arbeitet und von der internationalen Modeszene hoch gelobt wird, ist verantwortlich für die Sonderkollektion „Arthur Arbesser X Vienna“. Diese wurde erstmals bei der Fashion Week in Mailand vergangenen Februar präsentiert und kurz darauf auch in Paris gezeigt.

Fotostrecke mit 5 Bildern

„Wiener Garderobe“
ORF
Fotografin Elfie Semotan, Wien-Tourismus-Chef Norbert Kettner und Designer Arthur Arbesser bereiten die Ausstellung vor
„Wiener Garderobe“
ORF
Die Stoffe für Arbessers Designs stammen von der traditionsreichen Textilmanufaktur Backhausen
„Wiener Garderobe“
ORF
Abgelichtet wurden die Topmodels Helena Severin sowie Cordula Reyer von Starfotografin Elfie Semotan
„Wiener Garderobe“
ORF
Inspiration für die Kollektion „Arthur Arbesser X Vienna“ waren Entwürfe von Koloman Moser und Josef Hoffmann
„Wiener Garderobe“
ORF
Wien Tourismus gab die Kollektion – als Teil einer größeren Kampagne rund um die Wiener Moderne – in Auftrag

Unter dem Titel „Eine Wiener Garderobe“ läuft die Ausstellung derzeit parallel zu „Machen Sie mich schön, Madame d’Ora!“ im Leopold Museum. Sie ist zudem Teil einer größeren internationalen Kampagne des Wien Tourismus, die sich 100 Jahre nach dem Tod von Gustav Klimt, Egon Schiele, Koloman Moser und Otto Wagner der Wiener Moderne widmet. Im Zuge dessen waren etwa Fotografien der verstorbenen Fotografin Madame d’Ora (Dora Kallmus) am Mailänder Dom sowie am Pariser Kaufhaus Galeries Lafayettes zu sehen.

„Geradlinig und ehrlich“

Arbesser ist unter Modekennerinnen und -kennern bekannt dafür, seine Wiener Wurzeln in seine Entwürfe einfließen zu lassen. Und so ging es auch bei diesen Entwürfen klarerweise um mehr als bloß schöne Mode – die Kollektion ist vielmehr eine Neuinterpretation der Arbeiten aus der Wiener Moderne. „Geradlinig und ehrlich“, so beschreibt er die eigenen Designs gegenüber ORF.at. Inspiration bezog der Designer, der mehrere Jahre für Giorgio Armani arbeitete, vor allem von dem Künstler Koloman Moser und dem Architekten Josef Hoffmann – also den Mitbegründern der Wiener Werkstätte.

Diese hatte es sich zur Aufgabe gemacht, alle Lebensbereiche – selbst einfache Gebrauchsgegenstände – modern und sorgfältig durchzugestalten. Arbesser bewundere etwa die Arbeiten Hoffmanns – darunter Glasschalen und Metallgefäße. Denn diese stünden „im Gegensatz zu meinen manchmal recht lauten Farben oder lauten Drucken“. Mit derartigen Details spielte im Zuge ihrer Fotostrecke auch Semotan, indem sie neben den Models Vasen und Glasschalen ins Blickfeld rückte.

Wiener Moderne

Die Periode von 1890 bis 1918 markiert einen Höhepunkt der heimischen Kulturgeschichte. Sie war geprägt von Umbrüchen in Gesellschaft, Kunst, Architektur, Literatur und Musik. Als berühmte Vertreter gelten Gustav Klimt, Egon Schiele, Koloman Moser sowie Otto Wagner.

Vom Kaffeehaus in den Kleiderschrank

Die Entwürfe der Wiener Moderne seien zeitlos und visionär, so Arbesser weiter. Die „wirkliche Qualität“ liege dabei darin, dass „diese Stoffe, Muster, Entwürfe und Grafiken uns heute noch ansprechen und uns heute vielleicht sogar noch besser gefallen als damals“. Und so wurden Motive, die man sonst etwa von Sitzbänken in traditionellen Wiener Kaffeehäusern sowie Hotels kennt, von der österreichischen Textilmanufaktur Backhausen auf Wunsch des Designers eigens für die Kollektion in Seide und Wolle angefertigt.

Die Farbpalette der aktuellen Entwürfe reicht dabei von seidig glänzendem Rostbraun über sattem Violett bis hin zu Goldtönen. Die Muster sind wie schon rund um die Jahrhundertwende geometrisch – also reich an Linien, Kreisen und Dreiecken.

„Wiener Garderobe“
Paul Bauer
Die Textilmanufaktur Backhausen fertigte die Stoffe für Arbessers Kollektion

In Szene gesetzt wurden die beinahe bodenlangen Kleider sowie Blazer, mal in Metalloptik, mal rot-schwarz gestreift, von den Models Helena Severin und Cordula Reyer – beide sind mit Arbesser befreundet. Anders als in Mailand, wo die Models noch rote, schwarze sowie goldene Lackstiefel zu den Designs trugen, sind Severin und Reyer auf Semotans Fotografien barfuß. Wie die Modepuppen sind auch sie auf den Fotos immer in Bewegung zu sehen.

Internationale Lobeshymnen

Für Arbessers Neuinterpretation regnet es Lob von internationalen Modekritikerinnen und -kritikern. „Poetisch, modern und tragbar“, schrieb die anerkannte Modeexpertin Suzy Menkes bereits im Februar über Arbesser. Laut Modejournalist Luke Leitch erzielten die Silhouetten einen strengen sowie statuesken Adele-Bloch-Bauer-Look – sie seien aber dennoch zugleich lässig und präzise. Ähnlich erfolgreich waren die zeitlosen Designs schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Sie waren damals ausschlaggebend dafür, dass Wien zu einer Modestadt avancierte.

„Wiener Garderobe“
Elfie Semotan
Model Cordula Reyer wurde für die Kampagne in Szene gesetzt

Noch bevor Norbert Kettner, der Direktor von Wien Tourismus, Arthur Arbesser und Elfie Semotan für die Tourismuskampagne ins Boot holte, stand für ihn fest, dass in puncto Mode der Blick keinesfalls rückwärtsgewandt sein soll. „Man kann das Erbe als Inspiration oder als Korsett begreifen“, so Kettner zu ORF.at. Die Kampagne setze einen Fokus darauf, „wie wir uns unser zeitgenössisches Wien vorstellen – kosmopolitisch und international vernetzt“. Und auch Arbesser sagt: „Das wichtige an dem Projekt war, das wir ein Projekt für 2018 machen.“

Ausstellungshinweis

„Eine Wiener Garderobe“, bis 29. Oktober, Leopold Museum, montags, mittwochs, freitags und feiertags 10.00 bis 18.00 Uhr, donnerstags bis 21.00 Uhr.

Wien ist „wirklich im Aufbruch“

Von dem Status „Modemetropole“, den Wien etwa vor 100 Jahren innehatte, ist die Stadt heutzutage weit entfernt. Dennoch sehen sich Kreative sowie Initiatorinnen und Initiatoren von Modeveranstaltungen immer wieder mit der Frage konfrontiert, ob Wien eine Modestadt ist – so auch Arbesser und Semotan. „Wien ist im Moment, gerade was die Mode betrifft, wirklich im Aufbruch“, so Semotan. Dem schließt sich auch Arbesser an. Es sei vor allem wichtig, so der Designer, immer in Bewegung zu bleiben, denn „Stillstand ist schlecht“.