Paul Köllensperger (Team Köllensperger)
APA/EXPA/Johann Groder
Südtirol-Wahl

Köllenspergers großer Erfolg aus dem Stand

Paul Köllensperger, der mit seiner gleichnamigen Liste bei der Südtiroler Landtagswahl am Sonntag aus dem Stand einen großen Erfolg landen konnte, hat sich am Montag überaus erfreut gezeigt und über die Gründe für seinen Wahlerfolg spekuliert. Nicht aufgegangen ist unterdessen bei den Südtiroler Freiheitlichen das von der österreichischen Schwesterpartei FPÖ aufgebrachte Thema Doppelpass.

Köllensperger, der früher in der Fünf-Sterne-Bewegung engagiert war, gab sich indes zukunftsorientiert: „Dieses Ergebnis hätte sich niemand erträumen lassen“, sagte er bei einer Pressekonferenz in Bozen. Sein Team wolle er jetzt „noch breiter aufstellen“ und zu einer politischen Kraft machen, die aus Südtirol „nicht mehr wegzudenken ist“.

Die Bewegung schaffte bei der Wahlen vom Stand weg sechs Mandate. Rund 15,2 Prozent der Wahlberechtigten gaben dem Team Köllensperger ihre Stimme und machten die Partei damit zur zweitstärksten Kraft im Land. „Ich war weitaus pessimistischer, was das Ergebnis anbelangt“, so Köllensperger weiter.

Mit Sachthemen gepunktet

Man habe sich erfolgreich mit seinem „politischen Projekt, das glaubwürdige, seriöse sowie autonomie- und europafreundliche Politik machen will“, als Alternative zur Südtiroler Volkspartei (SVP) positioniert, so der Parteichef. „Wir setzen nicht auf Reizthemen oder auf die Ängste der Bevölkerung.“ Im Wahlkampf habe er bewusst auf Sachthemen wie Verkehr und Gesundheit sowie auf den Kampf gegen Politikerprivilegien gesetzt.

Paul Köllensperger mit seinem Team
APA/EXPA/Johann Groder
Die Freude beim Team Köllensperger (Parteigründer in der Mitte) ist groß

Köllensperger sagte am Montag in Richtung der anderen Parteien, er sei gesprächsbereit, betonte aber, dass er über mögliche Koalitionsvarianten nicht spekulieren wolle. „Jetzt geht es um Inhalte“, so der Parteichef. Jetzt gehe es daran, das Projekt noch stärker zu machen. Dafür habe er bereits die Gemeinderatswahlen im Jahr 2020 und die kommende Landtagswahl im Jahr 2023 im Blick.

Grafik:    Stimmenanteile und Sitze im Landtag, Veränderung zu 2013
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

„Ich will das Team zu einer Kraft in der politischen Landschaft machen, die nicht mehr wegzudenken ist, in einem Land, das zu lange von einer Partei regiert wurde.“ Köllensperger wollte auch nicht ausschließen, dass es zu einer Namensänderung kommen könnte. Darüber werde man sich jetzt „in aller Ruhe“ Gedanken machen.

Politologe: Desaster für Freiheitliche

Trotz der Wahlkampfunterstützung der FPÖ für ihre Schwesterpartei in Südtirol habe die Wahl für die Südtiroler Freiheitlichen und die Süd-Tiroler Freiheit „in einem Desaster“ geendet, sagte der Politologe Günther Pallaver am Montag gegenüber der APA. Die sezessionistischen Parteien verloren gegenüber 2013 mehr als die Hälfte der Stimmen, daher werde „das Thema Doppelpass jetzt versanden“.

2013 war die rechte deutschsprachige Opposition insgesamt noch auf rund 27 Prozent der Stimmen gekommen, bei der Wahl am Sonntag erzielte sie nur noch rund zwölf Prozent der Stimmen. Die Freiheitlichen verloren fast zwei Drittel ihrer Stimmen. Hatte die Schwesterpartei der FPÖ 2013 noch 17,9 Prozent erreicht, musste sie sich am Sonntag mit 6,2 Prozent begnügen. Sie verlor vier ihrer sechs Sitze im Landtag. Die deutlich kleinere Süd-Tiroler Freiheit büßte ein Mandat ein und kam auf sechs Prozent der Stimmen – nach 7,2 Prozent 2013.

Doppelpassvorhaben wird „einschlafen“

Ist das Wahlergebnis eine klare Absage der Südtirolerinnen und Südtiroler an das österreichische Vorhaben, Doppelstaatsbürgerschaften an die Südtiroler zu vergeben? „Das kann man durchaus so interpretieren“, sagte Pallaver. Das Thema Doppelpass sei bei der Wahl schlicht nicht relevant gewesen.

Auch die Besuche österreichischer Regierungspolitiker hätten überhaupt keinen Einfluss auf die Wahl gehabt, so der Politikwissenschaftler von der Universität Innsbruck, der davon ausgeht, dass das österreichische Doppelpassvorhaben nun „einschlafen“ werde. „Wenn es aus Südtirol kein Interesse gibt, warum sollte Österreich dann einen Streit mit Italien riskieren?“, fragte Pallaver.

ORF-Außenpolitik-Leiter Andreas Pfeifer analysiert

Bei der Wahl in Südtirol hat die SVP mit Verlusten zu kämpfen, während es zwei Überraschungserfolge gibt. „Zeiten absoluter Mehrheiten sind vorbei“, so Pfeiffer.

Neue Konkurrenz für rechte Opposition

Gründe für den Absturz der rechten Opposition zur SVP sieht Pallaver in Fehlern der Parteien sowie in der neuen Konkurrenz. Die Freiheitlichen seien intern zerstritten und in den vergangenen Jahren weiter deutlich nach rechts gerückt. Viele liberale Wähler hätten daher diesmal die neue Liste des früheren Fünf-Sterne-Politikers Köllensperger gewählt, so der Politologe.

Auch auf der rechten Seite hätten die Freiheitlichen mit der ausländerfeindlichen Lega Nord Konkurrenz bekommen. Die rechtspopulistische italienische Regierungspartei habe vom gesamtstaatlichen Trend profitiert und durchaus auch einige Stimmen von deutschsprachigen Wählern bekommen. Damit habe „die Lega auch im Teich der Freiheitlichen gefischt“, so Pallaver.

Hilfe und verhaltene Reaktionen aus Österreich

Im Wahlkampf waren mehrere FPÖ-Politiker – darunter Vizekanzler Heinz-Christian Strache und Verkehrsminister Norbert Hofer – in Südtirol, um für die Schwesterpartei die Werbetrommel zu rühren und für den Doppelpass zu werben. Der Doppelpass steht auch im ÖVP-FPÖ-Regierungsabkommen. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) war indes zur Unterstützung der SVP im Wahlkampf aufgetreten.

Überraschungssieger bei Wahl in Südtirol

Die regierende SVP bleibt trotz Verlusten die stimmenstärkste Kraft in Südtirol. Die Überraschungssieger der Wahl sind eine neue Bürgerliste und die rechtspopulistische Lega.

Das Ergebnis der Landtagswahl löste in Österreich verhaltene Reaktionen aus. Von der Bundes-ÖVP äußerte sich in der Früh nur Südtirol-Sprecher Hermann Gahr, der Landeshauptmann Arno Kompatscher und der SVP zum Ergebnis gratulierte. Während die FPÖ enttäuscht reagierte, freute sich die SPÖ über die klare Wahlniederlage der Freiheitlichen und der Süd-Tiroler Freiheit.

ÖVP sieht klaren Auftrag

Trotz der Stimmenverluste der SVP sah der ÖVP-Abgeordnete Gahr „die bürgerlichen Kräfte in Südtirol“ gestärkt und einen „klaren Auftrag“ an Kompatscher, „nun eine stabile Regierung der positiven Kräfte zu bilden“. Dabei müsse klar sein, „die Zukunft liegt in der Europaregion Tirol mit einem klaren Bekenntnis zur EU“, so Gahr offenbar mit Blick auf die Lega.

FPÖ-Südtirol-Sprecher Werner Neubauer zeigte sich dagegen enttäuscht und sprach von einer „herben Niederlage“ für die Schwesterpartei. Neubauer kritisierte die innerparteilichen Streitigkeiten bei den Freiheitlichen und forderte einen Neustart. „Dieses Ergebnis ist als Bilanz nach so manchem Fehler, der in der Vergangenheit gemacht wurde, zu sehen, aber auch – und das muss ganz offen gesagt werden – als Resultat von Einzelpersonen aus den eigenen Reihen, die mit höchstem Eifer die Arbeit der ansonsten in sich geschlossenen Gruppe konterkariert haben.“

Schieder erfreut

Der außenpolitische Sprecher der SPÖ, Andreas Schieder, sah in der Wahlniederlage der Freiheitlichen und der Südtiroler Freiheit „nicht nur ein Votum gegen Rechtsparteien, sondern auch eine Absage an die unverantwortliche Doppelpasspolitik, die die FPÖ nach Südtirol hineintragen wollte“.

„Wahlkampfhelfer Strache und die Südtiroler FPÖ haben damit von den WählerInnen die Rechnung bekommen für ihren Versuch, die Südtiroler Bevölkerung zu spalten“, sagte Schieder laut Aussendung. Die Mehrheit der Südtiroler wisse, dass das Vorhaben „null Nutzen für die Autonomie“ habe und „eher dem gedeihlichen Zusammenleben der Südtiroler Volksgruppen ebenso wie dem Verhältnis zwischen Österreich und Italien“ schade. Es sei erfreulich, dass die proeuropäischen Kräfte in Südtirol gestärkt wurden. Die Sozialdemokraten in Südtirol, die Partito Democratico (PD), rutschten indes von 6,7 Prozent auf 3,8 Prozent ab.