Amerikanische Paladin-Haubitzen
AP/Adam Butler
Causa Khashoggi

Staaten wollen bei Waffendeals bleiben

Die Ermordung des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi (Dschamal Chaschukdschi) in Istanbul hat international für Empörung gesorgt. Die Regierung in Saudi-Arabien steht im Verdacht, den Tod des Journalisten angeordnet zu haben. Vor allem in westlichen Staaten werden Konsequenzen gefordert. Doch zumindest beim Thema lukrative Rüstungsdeals wollen zahlreiche Staaten bei ihren Vereinbarungen mit Riad bleiben.

Die Debatte entbrannte, nachdem die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Wochenende weitere Genehmigungen für Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien bis zur Aufklärung des Falles ausgeschlossen hatte. Waffenlieferungen könne es nicht geben „in dem Zustand, in dem wir momentan sind“, sagte Merkel. Bereits genehmigte, aber noch nicht ausgelieferte Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien sollen nun geprüft werden.

Wie weit genau der deutsche Exportstopp reichen soll, ist bisher unklar. Der Großteil deutscher Rüstungsgüter gelangt nach Angaben aus Industriekreisen aber nicht auf direktem Wege nach Saudi-Arabien, sondern in Form von Zulieferungen an Rüstungskonzerne im europäischen Ausland. Diese könnten von der deutschen Haltung verprellt werden.

Die deutsche Kanzerlin Angela Merkel telefoniert
AP/Markus Schreiber
Merkels Exportstopp für Waffenlieferungen löste eine internationale Debatte aus

„Einheitliche Position“ in EU gefordert

Unterstützung für Merkels Vorstoß kommt etwa aus dem EU-Parlament. Dort forderten am Dienstag Abgeordnete aus mehreren Fraktionen einen sofortigen Stopp der Waffenexporte nach Riad. Die EU und ihre Mitgliedsstaaten müssten eine „klare, kohärente und einheitliche Position“ einnehmen, verlangte etwa der Vorsitzende der sozialdemokratischen Fraktion, Udo Bullmann. Dazu gehöre ein sofortiger Stopp von Waffenexporten nach Saudi-Arabien.

Der deutsche Wirtschaftsminister Peter Altmaier warb ebenfalls für eine gemeinsame europäische Haltung. „Nur, wenn alle europäischen Länder sich einig sind, dann macht dies Eindruck auf die Regierung in Riad“, so der CDU-Politiker.

Macron gibt sich ausweichend

Dass andere westliche Staaten jedoch bei den Rüstungsdeals bleiben wollen, klang am Dienstag ebenso durch. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron etwa wich Fragen zu einem Stopp der Rüstungsexporte nach deutschem Vorbild aus. „Das hat nichts damit zu tun, worüber wir reden. Gar nichts“, sagte er bei einem Besuch einer Marinemesse auf die Frage eines Journalisten zu Merkels Ankündigung.

„Daher werde ich diese Frage nicht beantworten.“ Nach einer Anschlussfrage erklärte der sichtlich irritierte Präsident, er müsse nicht jedes Mal reagieren, wenn ein Regierungschef etwas sage. Frankreich ist laut dem Friedensforschungsinstitut SIPRI nach den USA und Großbritannien der drittgrößte Waffenlieferant Saudi-Arabiens, gefolgt von Spanien.

Spanisches Parlament lehnt Stopp ab

Im Parlament in Madrid gab es eine wesentlich deutlichere Absage für den Stopp von Waffenexporten nach Saudi-Arabien. Zwei entsprechende Anträge von linken sowie von regionalen Parteien wurden am Dienstag bei Abstimmungen im Verteidigungsausschuss des Congreso de los Diputados abgewiesen. Gegen einen Stopp stimmten unter anderem die Vertreter der regierenden Sozialistischen Arbeiterpartei (PSOE) von Ministerpräsident Pedro Sanchez, aber auch die Politiker der stärksten Oppositionskraft, der konservativen Volkspartei (PP).

Saudi-Arabiens Rolle am Rüstungsmarkt

Für internationale Rüstungskonzerne ist Saudi-Arabien einer der wichtigsten Abnehmer. Im Vorjahr gingen 13 Prozent aller Waffenexporte weltweit an das saudische Königshaus.

In Kanada argumentiert man ein Weiterlaufen der Waffenexporte mit den Kosten. Der 2014 abgeschlossene Vertrag über die Lieferung gepanzerter Mannschaftswagen von der kanadischen Niederlassung des US-Rüstungskonzerns General Dynamics sei so gestaltet, dass die Steuerzahler im Falle einer Kündigung für eine große Summe aufkommen müssten, sagte Premier Justin Trudeau. „Ich möchte nicht den Kanadiern eine Milliarden-Dollar-Rechnung präsentieren, nur weil wir versuchen, die richtigen Dinge zu machen.“ Am Montag hatte die linke Opposition gefordert, Kanada sollte nicht Saudi-Arabien aufrüsten, da das Land zivile Ziele in Jemen angreife.

USA in der Zwickmühle

Für die Regierung von US-Präsident Donald Trump ist der Fall wegen der engen wirtschaftlichen Beziehungen zu Riad und dem gemeinsamen Vorgehen gegen den Iran besonders delikat. Trump hatte sich am Wochenende bereits unzufrieden mit den bisherigen Erklärungen aus Riad gezeigt. In den USA wird ihm dennoch vorgeworfen, eine zu milde Linie gegenüber Saudi-Arabien zu verfolgen – Riad gilt bekanntermaßen als einer der wichtigsten Abnehmer von Waffenexporten der USA.

Trump reagierte jedoch zurückhaltend auf die Vorwürfe des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan gegen Saudi-Arabiens Staatsführung. Erdogan sei „ziemlich hart“ in seinen Äußerungen gewesen, sagte Trump am Dienstag mit Blick auf eine Rede Erdogans im türkischen Parlament. Darin hatte dieser erklärt, es sei klar, dass Saudi-Arabien Khashoggi habe ermorden lassen. Nach Einschätzung Trumps sei die Tötung Khashoggis dilettantisch verschleiert worden. Es handle sich um „eine der schlechtesten Vertuschungsaktionen in der Geschichte“.

Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman schüttelt die Hand von US-Präsident Donald Trump
APA/AFP/Mandel Ngan
Trump will erst nach Vorliegen aller Fakten über etwaige Sanktionen gegen Riad entscheiden

Washington werde verlangen, dass alle Verantwortlichen für den „brutalen Mord“ zur Rechenschaft gezogen würden, kündigte der Vizepräsident Mike Pence an. Pence ließ offen, ob es sich um Wirtschaftssanktionen gegen Riad oder andere Arten von Maßnahmen handeln könnte. Nach Vorliegen aller Fakten werde Trump auch über die Reaktion der USA entscheiden. Seine Regierung werde den Saudi-Arabern, die in die Tat verwickelt seien, das Visum entziehen, sagte US-Außenminister Mike Pompeo in Washington.

Kneissl: „Gelbe Karte“ für Abdullah-Zentrum

Ein besonderer Fall beschäftigt mit dem in Wien ansässigen König-Abdullah-Zentrum für interreligiösen und interkulturellen Dialog auch Österreich. Nach Bekanntwerden der Causa Khashoggi kam erneut deutliche Kritik an dem größtenteils von Riad finanzierten Zentrum – auch Schließungsforderungen wurden laut.

Kneissl: „Schließung kommt nicht infrage“

FPÖ-Außenministerin Karin Kneissl äußert sich zu den Schließungsforderungen des König-Abdullah-Zentrums in Wien und fordert eine unabhängige Untersuchung des Falls Khashoggi.

Kritiker und Kritikerinnen sehen in der Institution, die einen Status als internationale Organisation innehat, einen Versuch des saudischen Königshauses, sein international wegen Menschenrechtsverletzungen beschädigtes Image aufzupolieren. FPÖ-Außenministerin Karin Kneissl betonte am Dienstag in der ZIB2, dass eine Schließung des Zentrums nicht infrage komme. Man könne, so Kneissl, eine internationale Organisation „nicht einfach so“ schließen. Sie habe den Betreibern allerdings eine „ziemlich dunkelgelbe Karte“ gezeigt und hoffe, diese so zu mehr Transparenz und der Umsetzung von seit 2015 geforderten Reformen zu bewegen.

Milliardendeals bei Investorenkonferenz

Ungeachtet der internationalen Kritik konnten zahlreiche Konzerne am Dienstag bei einer Investorenkonferenz in Riad Aufträge im Umfang von mehr als 50 Milliarden Dollar abschließen. Darunter waren erste Verträge in den Bereichen Öl, Gas und Verkehr, wie das staatliche Fernsehen berichtete. Die Konferenz Future Investment Initiative (FII) wird auch „Davos in der Wüste“ genannt und soll vor allem Investoren anlocken.

Mit von der Partie unter anderem: Südkoreas Autobauer Hyundai, der amerikanische Ölfeldausrüster Schlumberger sowie der französische Ölkonzern Total. Allein der saudische Energieriese Aramco soll 15 Abkommen im Wert von mehr als 30 Milliarden Dollar abschließen. Bereits im April hatte der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman in Paris einen Teil der nun in Riad abgeschlossenen Geschäfte eingefädelt. Er traf Vorabsprachen mit Total und anderen französischen Firmen über geplante Abkommen im Volumen von zwölf Milliarden Dollar.

Der saudi-arabische Energieminister Chaled al-Faleh sprach jedoch von einer „Krise“ und einer deutlich reduzierten Teilnehmerzahl. In den vergangenen Wochen hatte eine Reihe von Wirtschaftsvertretern abgesagt, darunter IWF-Chefin Christine Lagarde, Frankreichs Wirtschaftsminister Bruno Le Maire sowie mehrere Medien. Auch rund 20 Chefs von Firmen wie JP Morgan, Ford, Uber, der Deutschen Bank und zuletzt Siemens annullierten ihre Teilnahme.