Generaldirektorin für die öffentliche Sicherheit, Michaela Kardeis
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BVT-U-Ausschuss

„Mach das nicht zu einem Privatkrieg“

Nach Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) hat die Generaldirektorin für die öffentliche Sicherheit, Michaela Kardeis, am Dienstag im BVT-U-Ausschuss Platz genommen. Äußerst detailreich beschrieb sie die Vorgänge vor der Hausdurchsuchung im Staatsschutz. Kardeis hatte mehrere Notizen bei sich, die sie während zahlreicher Gespräche anfertigte.

Viel Raum nahm bei der Befragung von Kardeis, die seit Herbst 2017 ihrer Tätigkeit nachgeht, unter anderem die Pensionierung der Leiterin des Extremismusreferats im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), Sibylle G., ein. In G.s Büro wurden während der Hausdurchsuchung Ende Februar sensible Datenträger beschlagnahmt. G. hatte sich mehrmals kritisch zur Razzia geäußert, auch im Untersuchungsausschuss sagte sie, dass man sie „loswerden“ wolle. Das bestätigte Kardeis in ihrer öffentlichen Befragung am Dienstag.

So habe der Generalsekretär des Innenministeriums, Peter Goldgruber, am 12. März Kardeis auf G. angesprochen. Sie sei noch im Besitz von Unterlagen eines weiblichen Neonazis (Isabella K., Anm.), obwohl das Verfahren seit zwei Jahren geschlossen sei. Am 13. März sei Kardeis bei G. im Büro gewesen und habe gesagt: „Da schaut’s aus.“ „Sie wollen dich loswerden“, sagte Kardeis nach eigenen Aussagen. Gemeint war das Generalsekretariat. Grund seien ein Misstrauen gegen G. und ihr „Bürochaos“ gewesen. Goldgruber habe auch zu Kardeis gesagt, dass sie das „Chaos“ bei G. überprüfen soll.

Laut Kardeis wollte G. nicht in Pension

Die Generaldirektorin habe der Extremismusleiterin empfohlen, keine Interviews zur Hausdurchsuchung zu geben. Zudem solle sie „keinen Privatkrieg“ mit Goldgruber führen. Am 4. April habe es dann einen Termin mit Udo Lett, Fachreferent von Goldgruber, gegeben. „G. – Pensi – Sport“, las Kardeis aus ihren Notizen vor. Zwei Tage später habe es wieder ein Gespräch zwischen der Generaldirektorin und G. gegeben. Das Ergebnis: Eine Pension komme für G. nicht infrage. Das leitete die Generaldirektorin auch an das Innenministerium weiter.

Generaldirektorin für die öffentliche Sicherheit, Michaela Kardeis
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Kardeis erschien im BVT-U-Ausschuss mit ihren Notizen, aus denen sie während ihrer Befragung vorlas

Dass der damals interimistische BVT-Chef, Dominik Fasching, G. „mit Stil loswerden“ wollte, sorgte für einige Verwunderung im Ausschuss. Kardeis argumentierte, dass G. eine langjährige Kollegin sei und aufgrund ihres Alters auch freiwillig in Pension gehen könne. Das Wort „loswerden“ sei „blöd“, stellte Kardeis dann fest. Das Stichwort Pension sei aber nie bei Goldgruber gefallen. Wie es heute im Büro von G. aussieht, weiß Kardeis nach eigenen Angaben nicht. Vor dem Ausschusstermin wollte sie das nicht überprüfen, wie sie sagte.

Verdeckte Ermittler: „Wo“ oder „Wer“?

Thema bei Kardeis’ Befragung war auch Goldgrubers Frage nach den verdeckten Ermittlern im Rechtsextremismusbereich. Am 29. Jänner begehrte Goldgruber im Vorfeld einer Sitzung des Nationalen Sicherheitsrats (Thema: NS-Liederbuch/Germania/Udo Landbauer) beim BVT-Chef Peter Gridling Auskünfte über verdeckte Ermittler im Bereich Rechtsextremismus. Goldgruber konnte sich im U-Ausschuss nicht daran erinnern, Gridling bestätigte eine diesbezügliche Frage. Allerdings gibt es hier Auffassungsunterschiede.

Kardeis, die beim Treffen am 29. Jänner nicht anwesend war, aber am 30. Jänner beim Nationalen Sicherheitsrat teilgenommen hatte, stellte im Ausschuss klar: Aus ihren Notizen gehe hervor, dass nach dem Wo gefragt wurde und nicht nach den Namen der verdeckten Ermittler. Sie habe nämlich am 29. Jänner um 18.06 Uhr fünf Minuten mit BVT-Chef Gridling über den Auftrag Goldgrubers gesprochen. Gridling soll gesagt haben, dass das Wo sehr kritisch sei. An ein Wer könne sie sich nicht erinnern. Man habe sich darauf geeinigt, nur Themen bzw. „Überschriften“ zu den Fragen zu liefern. Das müsse reichen.

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Die Generaldirektorin äußerte sich detailliert zu den Fragen der Abgeordneten

Nach mehreren Befragungen ist zumindest klar, dass nach verdeckten Ermittlern gefragt wurde. Wie konkret die Formulierung lautete, ist noch strittig. Aufgelöst könnte dieser Widerspruch zwischen Gridling und Goldgruber werden. Das heißt: Wenn der Widerspruch gravierend ist, müssen sich die Zeugen nochmals den Fragen der Abgeordneten stellen – und zwar zur selben Zeit im selben Raum. Die Entscheidung dafür obliegt der Vorsitzenden des Ausschusses, Doris Bures (SPÖ). Ein Beschluss dafür ist noch ausständig.

Kardeis war „sauer“ auf Goldgruber

Dass Kardeis bei der Vorbereitung zur Hausdurchsuchung im BVT und vier Privatadressen nicht involviert war, bestätigte sie. „Ich weiß nicht, welchen Beweggrund jemand anderer hat, mich nicht einzubinden“, sagte die Generaldirektorin. Sie habe Generalsekretär Goldgruber darauf angesprochen, und zwar in der Formulierung: „Ich bin sauer, du hast die EGS (Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität, Anm.) ausgesucht, ich rufe dich am 28. Februar an und sage: ‚Wir haben gerade eine Hausdurchsuchung‘ – und du sagst: ‚Aha, warum?‘“

Goldgruber erklärte, dass die EGS ausgesucht wurde, weil Beamte des eigentlich dafür zuständigen Bundesamts zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK) im anonymen Konvolut mit teils haltlosen Vorwürfen vorkamen. Auch Kardeis wird im 39 Seiten starken Dossier, das zu den Ermittlungen gegen BVT-Beamte geführt hat, erwähnt. Deshalb sei sie nicht über die Razzia informiert worden. Das habe ihr Goldgruber so gesagt. Alle jene, die im Konvolut vorkommen, sollten über die Hausdurchsuchung nichts erfahren.

Generaldirektorin für die öffentliche Sicherheit, Michaela Kardeis
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Auch Michaela Kardeis kommt namentlich im anonym Konvolut vor

Richtig in den Händen gehalten habe sie das vollständige Konvolut erst am 12. März 2018, davon erfahren habe sie aus den Medien im Herbst 2017. Zunächst habe sie lediglich vier Seiten erhalten, die nicht leserlich waren. Nach erster Durchsicht sei für sie aber klar gewesen, dass die Weitergabe der nordkoreanischen Rohlinge als Amtsdelikt auszuschließen sei. Unsicher war sie sich aber, ob es sich bei der Causa um ein Wirtschaftsdelikt handeln könnte. Ermittelt wurde dann von der Staatsanwaltschaft Wien gegen unbekannt.

Goldgruber zeigte bei der WKStA an

Mit dem Konvolut ging Goldgruber, der es nach eigenen Angaben vom Anwalt Gabriel Lansky erhalten habe, zur Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Laut Kardeis habe er, obwohl bereits Ermittlungen liefen, eine Anzeige erstattet. Die Staatsanwältin notierte, dass der Generalsekretär von Innenminister Kickl den Auftrag bekommen habe, im Ressort „aufzuräumen“. Am Dienstagvormittag bestritt Kickl diese Formulierung. Er habe zu Goldgruber gesagt, dass er die Vorwürfe überprüfen und Schritte einleiten solle.

BVT: Kickl weist Verantwortung von sich

In der BVT-Affäre weist Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) jegliche Verantwortung von sich. Es gebe eine Gewaltentrennung, das Verfahren führe die Staatsanwaltschaft. Er selbst würde wieder so vorgehen.

Für Kickl sei die Hausdurchsuchung im BVT ohnehin „diskret“ durchgeführt worden. Man müsse sich die „Zeitleiste“ ansehen und wann die Razzia erst zu einem Problem geworden ist. Es habe ja einige Zeit gedauert, bis die ersten Medien darüber berichtet hatten. Kickl habe kein Interesse daran gehabt, dass „diese Sache“ weitere Kreise zieht, um das BVT vor Misskredit zu schützen. Dass er oder ein Mitarbeiter seines Kabinetts im Hintergrund die Fäden der Razzia gezogen hätten, wies er zurück. „Es ist kein Verschulden, das mein Haus betrifft oder jemanden in meinem Haus betrifft, der hier irgendwie involviert war“, so der Innenminister.

Innenminister Herbert Kickl (FPÖ)
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Innenminister Kickl wies jegliche Vorwürfe in der BVT-Affäre von sich

Im Fokus der Befragung des Ressortchefs standen allen voran einige Widersprüche zwischen Zeugenaussagen und Anfragebeantwortungen des Ressorts. Kickl sagte, dass er bei bestimmten Situationen nicht dabei gewesen sei und deshalb involvierte Mitarbeiter die Anfragen beantworten. „Wie stellen Sie sich das vor? Ich habe Hunderte Anfragen zu beantworten", so Kickl. Vorsitzende Bures erwiderte, dass laut Gesetz dem Ressortchef die politische Verantwortung für die korrekte Beantwortung obliege. Als Kickl darauf reagieren wollte, sagte Bures: „Das war keine Frage an Sie, sondern eine Feststellung!“