Weihnachtsbücher 2018 – Krimis
ORF.at/Carina Kainz
Bücher

Die Krimis unterm Christbaum

Die Krimis und Thriller dieser Saison sind nicht nur packend, sondern auch überaus gut erzählt. Die Grenze zwischen reiner Unterhaltung und Literatur im Sinne von Sprachkunst ist dabei fließend.

Thriller im Jerusalem der 40er Jahre

Stewart O’Nan ist immer für Überraschungen gut, wenn es um die Sujets seiner Bücher geht: Diesmal ist es das labyrinthische Jerusalem der Nachkriegszeit kurz vor der Staatsgründung Israels, das der US-Schriftsteller zum Schauplatz seiner schillernden Spionagestory macht. O’Nans Protagonist hat seine Familie im Holocaust verloren und beschließt, sich der zionistischen Untergrundorganisation Hagana anzuschließen. Thriller trifft auf psychologischen Roman trifft auf historisches Stimmungsbild. (Paula Pfoser, für ORF.at)

Stewart O’Nan: Stadt der Geheimnisse. Übersetzt von Thomas Gunkel. Rowohlt, 220 Seiten, 20,60 Euro.

Recherchieren, um zu überleben

Ein junger Journalist versucht zu Zeiten der antiperonistischen Militärdiktatur Argentiniens ein Massaker aufzuklären. Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit: Schafft er es, anonym ein Buch mit allen Fakten zu veröffentlichen, bevor ihn die Schergen der Junta erwischen, ist er ein Nationalheld. Andernfalls ist er tot. Marcelo Figueras hat diese wahre Geschichte zu einem kunstvollen, international gefeierten True-Crime-Thriller ausgebaut. (Simon Hadler, ORF.at)

Marcelo Figueras: Das schwarze Herz des Verbrechens. Übersetzt von Sabine Giersberg. Nagel & Kimche, 461 Seiten, 24,70 Euro.

Weihnachtsbücher 2018 – Krimis
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Mafia auf Kubanisch

Hört man Mafia, denkt man gleich einmal an Italien oder Russland. „The Corporation“ erzählt dagegen die wenig bekannte Geschichte der kubanisch-amerikanischen Mafia, die nach der missglückten Schweinebucht-Invasion eine der mächtigsten kriminellen Organisationen der USA wurde. Mit schuld daran: die Emigration unter Castro, eine spezielle Glücksspielvariante und die italoamerikanischen Kollegen. Zugegeben: Die Perspektive ist amerikanisch gefärbt. Die True-Crime-Story ist jedenfalls höchstspannend und informativ. (Paula Pfoser, für ORF.at)

T. J. English: The Corporation – Aufstieg und Fall der kubanischen Mafia. Übersetzt von Friedrich Mader. Heyne Hardcore, 704 Seiten, 28,80 Euro.

Im Reich des Bösen

„Bösland“, ein neuer, waschechter Bernhard-Aichner-Krimi: temporeich und psychologisch. Ben hat als Kind ein furchtbares Verbrechen begangen, für das er jahrelang in die Psychiatrie eingesperrt wurde, ohne Aussicht auf ein gelingendes Leben. Als Erwachsener setzt er auf Verdrängung, so lange, bis es nicht mehr geht, weil aufgrund eines Zufalls die alten Wunden wieder aufbrechen. Dadurch kommt ein Reigen an Ereignissen in Gang, die Ben nicht im Griff hat, wobei seine Psychotherapeutin im Mittelpunkt steht – jene Frau, die ihn eigentlich aus dem ganzen Wahnsinn herausholen hätte sollen. „Bösland“ entwickelt eine Sogwirkung, die ihresgleichen sucht, ist aber nichts für schwache Nerven: Neben dem Suspense raubt einem das Buch auch als Psychodrama den Atem. (Simon Hadler, ORF.at)

Bernhard Aichner: Bösland. btb, 446 Seiten, 20,60 Euro.

Metzger geht, Huber kommt

Der kauzige Metzger, der auch im Fernsehen punkten konnte, ist passe – Thomas Raab schickt nun die nicht minder exzentrische Frau Huber ins Rennen: Die frisch verwitwete und darüber gar nicht unglückliche Siebzigjährige ist auf der Suche nach der Leiche ihres Mannes. Nicht der, sondern der örtliche Bestatter lag nämlich im Sarg. Im vermeintlich idyllischen Örtchen Glaubenthal geht daraufhin die Post ab – wovon der Wiener Krimiautor in einem wendungsreichen Plot und mit viel schwarzem Humor erzählt. (Paula Pfoser, für ORF.at)

Thomas Raab: Walter muss weg. Kiepenheuer & Witsch, 374 Seiten, 20,60 Euro.

Weihnachtsbücher 2018 – Krimis
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Letzter Band der Danehof-Trilogie

Grande Finale der Kulttrilogie: Noch einmal schickt Jens Henrik Jensen seinen ebenso hoch dekorierten wie schwer traumatisierten Elitesoldaten auf die Spur des nationalistischen Geheimbunds Danehof. Im Band eins selbst unter Mordverdacht geraten, ist er jetzt in Schweden untergetaucht. Die legalen Ermittlungen liegen auf Eis, Rache steht an und der Beweis seiner Unschuld. Schnörkelloser, mitreißender Thriller, Kollege Stieg Larsson lässt grüßen. (Paula Pfoser, für ORF.at)

Jens Henrik Jensen: Oxen. Gefrorene Flammen. Übersetzt von Friederike Buchinger. dtv, 592 Seiten, 17,40 Euro.

Lost Highway

Coolness hat einen Namen: Polar. So heißt der kleine Verlag, der den Krimi Noir mit seinem Hard-Boiled-Suspense hochhält. Die Grenzen zwischen Gut und Böse verblassen, die Helden sind mürrisch und bärbeißig. „Desert Moon“ zeigt, was das Genre kann. James Andersons knappe Sprache sorgt für eine flirrende Stimmung rund um eine Raststätte in den USA, wo Ben einen Freund besucht und schließlich unter Mordverdacht gerät. Mit dabei: Der zeitlose Topos von der nackten Cellospielerin, ein altes Motorrad und eine Jukebox. (Simon Hadler, ORF.at)

James Anderson: Desert Moon. Übersetzt von Harriet Fricke. Polar, 344 Seiten, 18,50 Euro.

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Geld, Macht, Morde: Jo Nesbös MacBeth-Adaption

Ein weiterer nordischer Krimistar hat heuer aufhorchen lassen – der Norweger Jo Nesbö mit seiner Adaption eines Shakespeare’schen Klassikers: Der toughe und brachiale Macbeth, Anführer einer Spezialeinheit, ist unter dem Einfluss von Gangster Hecate und von einer Superdroge selbst dem Rausch der Macht verfallen: Der „Mann aus dem Volk“ und „für das Volk“ geht über Leichen. Stimmige Aktualisierung des blutrüstigen Königsdramas, psychologisch ausgefuchst, sprachlich auch. (ppfo, für ORF.at)

Jo Nesbö: „Macbeth“. Übersetzt von Andre Mumot. Penguin, 624 Seiten, 24,70 Euro.

Mechanismen einer neuen Politgeneration

Roman Sabate ist „Der Privatsekretär“ eines ebenso charismatischen wie skrupellosen Politikers, der mit seiner Neopartei Pragma alles daransetzt, ganz nach oben zu kommen. Das Problem: Er ist im Bann eines Fluchs. Politthriller der argentinischen Bestsellerautorin Claudia Pineiro mit „House of Cards“-Anleihen: Intrigen, Desinformation, Verrat und Betrug im Argentinien der Gegenwart. Die porträtierte Politikerkaste ist, so könnte man meinen, aber auch anderswo daheim. Raffiniert böse. (Paula Pfoser, für ORF.at)

Claudia Pineiro: Der Privatsekretär. Übersetzt von Peter Kultzen. Unionsverlag, 320 Seiten, 22,70 Euro.

Ein Bibliothekar auf Abwegen

Kein klassischer Krimi, aber mit Sicherheit Spannungsliteratur erster Güte ist Marjana Gaponenkos „Der Dorfgescheite. Ein Bibliothekarsroman“. In dem historischen Roman nimmt der einäugige Ernst Herz die Stelle des Bibliokarsleiters in einem Stift an. Doch die Ruhe, die er sucht, findet er dort nicht. Im Gegenteil. Rund um ein mysteriöses, mittelalterliches Schriftstück entspannt sich ein packender Plot, der dennoch von einer liebevollen Grundstimmung geprägt ist. (Simon Hadler, ORF.at)

Marjana Gaponenko: Der Dorfgescheite. Ein Bibliothekarsroman. C.H. Beck, 287 Seiten, 22,70 Euro.