Annegret Kramp-Karrenbauer
Reuters/Fabian Bimmer
Neue CDU-Chefin

Kramp-Karrenbauer löst Merkel ab

Der Kampf um die Nachfolge der deutschen Kanzlerin Angela Merkel als CDU-Vorsitzende ist entschieden. Die bisherige Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer setzte sich am Freitag auf dem Parteitag in Hamburg in einer Stichwahl gegen Ex-Unionsfraktionschef Friedrich Merz durch. Die Saarländerin gilt als Vertraute von Merkel.

Für Kramp-Karrenbauer stimmten 517 Delegierte, für Merz 482. Der zweite Durchgang war erforderlich, nachdem im ersten Wahlgang keiner der drei Bewerber auf die erforderliche Mehrheit gekommen war. Gesundheitsminister Jens Spahn war im ersten Wahlgang ausgeschieden. Er erhielt 157 Stimmen und damit deutlich weniger als Kramp-Karrenbauer (450 Stimmen) und Merz (392 Stimmen).

Kramp-Karrenbauer hatte Unterstützung von der Frauen-Union, dem Arbeitnehmerflügel, von der Kommunalpolitischen Vereinigung sowie von prominenten CDU-Politikern erhalten. Sie war im Saarland, wo sie von 2011 bis Anfang 2018 Ministerpräsidentin war, insgesamt 18 Jahre in Regierungsverantwortung. Nach den Koalitionsverhandlungen im Bund wurde sie im Februar dieses Jahres zur Generalsekretärin der Bundespartei gewählt und galt seitdem als eine mögliche Nachfolgerin Merkels.

„Viele Steine vom Herzen gefallen“

Nach ihrem knappen Sieg seien ihr „viele Steine vom Herzen gefallen“. Schon der Abschied von Merkel als Parteichefin sei sehr emotional gewesen, „jetzt dieses knappe Rennen, dieses Herzschlagfinale“. Ihr Mann sei der erste Gratulant gewesen, er habe ihr auch beim Warten auf das Ergebnis die Hand gehalten, so Kramp-Karrenbauer. „Ich glaube, er hat mehr gezittert als ich.“

Kramp-Karrenbauer beerbt Merkel als CDU-Chefin

CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer löst Kanzlerin Angela Merkel als Parteichefin ab. ORF-Korrespondentin Birgit Schwarz hat den CDU-Parteitag in Hamburg beobachtet.

Vom Hamburger Delegiertentreffen gehe ein „Signal des Aufbruchs“ aus. Danach müsse für den Zusammenhalt und die Geschlossenheit der Partei Sorge getragen werden. Dabei müssten die unterschiedlichen Profile und Flügel in der Programmatik, aber auch im Personalangebot erkennbar sein. Zudem müsse die CDU nun schnell damit beginnen, die großen Wahlherausforderungen im nächsten Jahr anzugehen.

Merz appelliert an seine Anhänger

Der in der Stichwahl unterlegene Merz bat seine Wähler unter den Delegierten um Unterstützung für die neue Parteichefin. Er forderte die Delegierten auf, Spahn erneut ins CDU-Präsidium zu wählen, kündigte aber selbst keine Kandidatur für einen Posten als Parteivize oder das Präsidium an. Er werde die Partei in den kommenden Jahren aber weiter unterstützen.

Die Stimmung zwischen Merz und Kramp-Karrenbauer hatte sich kurz vor dem Parteitag verschärft – vor allem nachdem sich Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble öffentlich hinter Merz gestellt hatte. Kramp-Karrenbauer erhielt kurz vor der Wahl noch Schützenhilfe von Armin Schuster aus Baden-Württemberg, einem der schärfsten innerparteilichen Kritiker Merkels während der Flüchtlingskrise. Der Bundestagsabgeordnete kündigte auf dem Kurznachrichtendienst Twitter an, er wolle „AKK“ wählen.

Spahn will in „gutem Team“ mitarbeiten

Spahn bot Kramp-Karrenbauer die Zusammenarbeit in einem „guten Team“ an. „Wir sind ja so ein bisschen wie eine Rockband gemeinsam durch Deutschland getourt.“ Man habe sich bei den Regionalkonferenzen näher kennengelernt. „Es hat echt Spaß gemacht. Ich habe immer gesagt: Ja, ich kandidiere für die Führung des Teams. Aber ich möchte in jedem Fall im Team bleiben.“

Portable Wahlkabinen beim CDU-Parteitag
APA/AFP/Odd Andersen
Wahl auf aufklappbaren Tischkabinen

Es war das erste Mal seit 1971, dass die CDU-Delegierten bei der Wahl ihres Vorsitzenden zwischen mehreren Kandidaten entscheiden konnten. Über Merkels Nachfolger stimmten die rund tausend Delegierten in geheimer Wahl ab, dafür erhielten sie aufklappbare Tischwahlkabinen aus Karton. Diese lagen auf den Plätzen der Delegierten aus. Zuvor hatten die drei Kandidaten in Bewerbungsreden für sich geworben und Fragen der Delegierten beantwortet.

Seehofer: „Viel Glück und Erfolg“

„Meine herzlichen Glückwünsche zur Wahl zur neuen Vorsitzenden der CDU. Viel Glück und Erfolg im neuen Amt! Auf gute Zusammenarbeit mit der CSU!“, schrieb Noch-CSU-Chef Horst Seehofer auf Twitter. Es war seine erste Nachricht unter seinem Account als CSU-Vorsitzender. Am 19. Jänner tritt er als CSU-Chef ab. Der bayrische Ministerpräsident Markus Söder soll dann auf einem Sonderparteitag zu seinem Nachfolger gewählt werden.

SPD-Chefin bietet gute Zusammenarbeit an

Die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles bot der frisch gewählten neuen CDU-Chefin eine „gute Zusammenarbeit“ zur Fortsetzung der Großen Koalition an. „Sie treten in große Fußstapfen“, schrieb Nahles nach dem knappen Sieg gegen den in der SPD sehr kritisch gesehenen Merz. Sie wünsche Kramp-Karrenbauer Erfolg bei der Nachfolge Merkels, so Nahles. „Jetzt heißt es Probleme lösen.“

Grüne und FDP gratulieren

Die Grünen-Spitze gratulierte Kramp-Karrenbauer. „Wir freuen uns auf einen spannenden politischen Wettbewerb und die anstehenden inhaltlichen Debatten um die besten Ideen für unser Land und Europa“, erklärten die Vorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck.

FDP-Chef Christian Lindner freut sich auf einen „fairen Wettbewerb und gute Zusammenarbeit“ mit der neuen CDU-Vorsitzenden. „Eine Mehrheit des Parteitags sprach sich für eine andere Strategie aus“, twitterte Lindner mit Blick auf den ersten Wahlgang, in dem die Mitbewerber Spahn und Merz zusammen mehr als die Hälfte der Stimmen erhielten. Dann habe der Parteitag „aber eher Kontinuität gewählt“. Lindner gratulierte Kramp-Karrenbauer und schrieb: „Es ist nun die Aufgabe, die CDU zu einen.“

AfD und Linke: Kein Politikwechsel

Die AfD kritisierte Kramp-Karrenbauers Wahl als Bestätigung des Kurses von Merkel. „Kramp-Karrenbauer bedeutet: Weiter so! Sie ist Merkel 2.0“, sagte AfD-Bundestagsfraktionschefin Alice Weidel. „Mit ihr wird sich der Linkskurs der CDU fortsetzen.“ AfD-Parteichef Alexander Gauland sagte, die neue CDU-Chefin sei „die Fortsetzung von Merkel mit anderen Mitteln“.

Ähnlich reagierte die Linken-Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht. Es sei gut, dass die Partei nicht „Blackrock-Merz“ gewählt habe, aber „Merkel 2.0“ sei auch keine Lösung, twitterte Wagenknecht. Mit Kramp-Karrenbauer gehe die Politik Merkels weiter. „Politisch ändert sich erstmal nichts“, sagte Linken-Parteichef Bernd Riexinger.

Minutenlanger Applaus für Merkel zum Abschied

Merkel, die nach mehr als 18 Jahren an der CDU-Spitze nicht mehr für den Vorsitz antreten wollte, hatte in ihrer Rede ihre Parteifreunde zur Geschlossenheit aufgerufen. Anschließend wurde sie mit knapp zehn Minuten Applaus verabschiedet. Viele hielten Schilder mit der Aufschrift „Danke, Chefin“ hoch. Bis 2021 will Merkel Kanzlerin bleiben.

Merkel hatte Ende Oktober nach Kritik und Wahlschlappen in Bayern und Hessen ihren Rückzug von der CDU-Spitze erklärt. Den Parteitag nutzte sie auch für einen Blick zurück. Sie sagte, die CDU habe nach der Parteispendenaffäre unter Bundeskanzler Helmut Kohl nicht klein beigegeben, sondern „wir haben es allen gezeigt“.

Kurz: „Wichtige Funktion“

Merkel habe die CDU „entscheidend geprägt“, sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und gratulierte Kramp-Karrenbauer zur Wahl zur neuen CDU-Parteichefin – einer „wichtigen Funktion“. Alle drei Kandidaten für die Parteispitze hätten sich einem „fairen Wettbewerb“ gestellt und sich durch einen „fairen und wertschätzenden Umgang untereinander“ ausgezeichnet.