Harter Brexit: Juncker warnt vor erhöhtem Risiko

Die Gefahr eines ungeregelten britischen EU-Austritts ist nach Ansicht von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker größer geworden: Das Votum des britischen Parlaments für Nachverhandlungen mit Brüssel erhöhe „das Risiko eines ungeordneten Austritts“, sagte Juncker gestern vor dem Europäischen Parlament. Nachverhandlungen lehnte Juncker ab.

„Es ist mehr als je zuvor wichtig, dass die EU geschlossen und geeint ist“, sagte Juncker. Aber er sei gleichzeitig Optimist. „Und ich glaube an die demokratischen Institutionen. Deshalb glaube ich auch, dass wir mit Großbritannien ein Abkommen bekommen werden.“ Dazu werde Tag und Nacht weitergearbeitet.

„Das Ganze ist kein Spiel“

Er habe zuletzt den Eindruck gehabt, dass beim „Backstop“ versucht worden sei, dass 26 Staaten diese Vereinbarung aufgeben und Irland das dann in letzter Minute auch mache. „Aber das Ganze ist kein Spiel, das ist keine rein bilaterale Frage. Es geht im Kern darum, was es bedeutet, Mitglied der EU zu sein. Die irische Grenze ist eine europäische Grenze und eine Unionspriorität“, sagte der Kommissionspräsident.

Juncker zeigte sich ernüchtert, dass nach den Abstimmungen die EU zwar wisse, was die Briten nicht wollten. „Aber noch immer nicht, was genau das Unterhaus eigentlich möchte.“ Das Konzept der Alternativvereinbarung sei nicht neu. Aber das sei keine praktische Lösung. Jedenfalls werde die EU angesichts der gestiegenen Gefahr eines ungeordneten Austritts der Briten alles tun, um sich darauf vorzubereiten – „auf alle Szenarien, auch auf das Schlimmste“.

EU-Chefverhandler Michel Barnier sagte, die britische Premierministerin habe tags zuvor erstmals für Neuverhandlungen plädiert. Noch vor Ende der Abstimmung im Parlament. „Sie hat sich von dem Abkommen, das sie selbst mit ausverhandelt hat, distanziert“, kritisierte Barnier. „Wir werden nicht akzeptieren, dass man der Europäischen Union den Schwarzen Peter zuschieben will“, so Barnier außerdem. Jedenfalls werde die EU nichts machen, was den Binnenmarkt schwäche.

Tusk wartet weiter auf Antworten

Auch EU-Ratspräsident Donald Tusk teilte am Abend mit, dass es keine neuerlichen Verhandlungen zum Brexit-Deal gebe. Tusk zufolge sei bisher nur klar, was die Briten nicht wollen. Man wisse allerdings noch immer nicht, was sie wollen, wie Tusk via Twitter mitteilte.

Die britische Premierministerin Theresa May teilte zuvor im britischen Parlament mit, dass sie der EU ein einseitiges Kündigungsrecht für die „Backstop“-Regelung im Brexit-Abkommen vorschlagen wolle. May und der Chef der oppositionellen Labour-Partei, Jeremy Corbyn, sprachen zudem in „ernsthaftem und engagierten Ton“ über den Brexit-Kurs des Landes. Das berichtete ein Labour-Sprecher am Nachmittag.

Es habe einen „nützlichen Austausch von Meinungen gegeben“. Corbyn habe für den alternativen Plan seiner Partei für den EU-Austritt des Landes geworben, so der Sprecher. Die britischen Abgeordneten hatten am Tag zuvor mehrheitlich gefordert, das Austrittsabkommen wieder aufzuschnüren und die Garantie für eine offene Grenze zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland durch „alternative Regeln“ zu ersetzen.

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