Zwei Volksschülerinnen mit Smartphone
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Eltern, Lehrer, Kinder

Schule im WhatsApp-Bermudadreieck

Es ist praktisch und nervig zugleich, und im Schulalltag kommt kaum jemand mehr darum herum: WhatsApp. Nicht nur Schülerinnen und Schüler tauschen in Gruppen Infos und Emojis aus, auch unter Eltern ist die Nachrichten-App ein beliebtes Tool. Wenn dann noch Lehrende mitmischen, wird es auch rechtlich kompliziert.

16 neue WhatsApp-Nachrichten noch vor dem ersten Kaffee – ein Vater hat vergessen, was die Kinder für die heutige Exkursion mitbringen sollen. Gleich 18 Nachrichten während des Meetings mit einem Kunden – dass die Hortkinder bei starkem Regen im Park waren, gefällt nicht allen Eltern. Schließlich noch 24 Nachrichten, während der „Tatort" läuft – eine Mutter bittet, Beispiel zwei der Mathe-Hausübung zu fotografieren und zu posten, um den Rechenweg vergleichen zu können.

Immer öfter besprechen Eltern von Schulkindern in WhatsApp-Gruppen alles, was im Schulalltag so anfällt: Hausübungen, Termine, Organisatorisches. So weit, so nützlich. Oft kann die Kommunikation allerdings in Emojifluten und endlose Diskussionen über das Angebot des Schulbuffets oder die Wirksamkeit unterschiedlicher Läuseshampoos ausarten. Wer sich weigert mitzumachen, riskiert, die eine oder andere wichtige Information zu verpassen.

Auf den Inhalt kommt es an

„Oft ist es einfach Spam“, sagt Barbara Buchegger im Gespräch mit ORF.at. Buchegger ist pädagogische Leiterin von Saferinternet.at, einer Initiative, die Kinder, Jugendliche, Eltern und Lehrende im Umgang mit digitalen Medien unterstützen möchte. „Eltern müssen genauso wie Kinder lernen, wie man mit so vielen Nachrichten umgeht und wie viele Nachrichten man selbst verschicken soll.“ Teilweise gehe es in WhatsApp-Gruppen von Eltern zudem „überhaupt nicht harmlos, sondern ganz schön übergriffig“ zu. „Eltern schreiben zum Beispiel ,Ich sammle Infos gegen Lehrer XY’ oder beschweren sich über das Verhalten eines Kindes.“

Wenn aber Lehrende oder andere Kinder der Klasse schlechtgemacht werden, sei das bedenklich und zudem eine Vorstufe von Mobbing. „Eltern müssen sich bewusst sein, dass das, was sie schreiben, auch strafrechtliche Konsequenzen haben kann“, so Buchegger. Geht es um Organisatorisches wie etwa „Was ist Hausübung? Was müssen wir zum Schwimmen mitnehmen?", seien WhatsApp-Gruppen von Eltern aber sehr sinnvoll. Der Austausch zwischen den Familien wirke außerdem unterstützend für Kinder, „wo die Eltern nicht so dahinter sind“.

Schülerinnen sitzen mit Smartphones auf einem Gang am Boden
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Neben YouTube und Instagram zählt WhatsApp bei Teenagern zu den beliebtesten Sozialen Netzwerken

Schon Volksschulkinder chatten

Aber nicht nur die Eltern, sondern oft auch die Kinder einer Klasse richten eine gemeinsame WhatsApp-Gruppe ein – und das schon in der Volksschule. Laut Nutzungsbedingungen müssen User und Userinnen von WhatsApp zwar mindestens 16 sein, die Frage, ab wann Kinder in Österreich die App nutzen dürfen, sei aber „ein bisschen eine rechtliche Grauzone“, so Buchegger: „Einige Juristen in Österreich sagen, wenn die Eltern die Zustimmung geben, ist es okay.“

Wichtig sei jedenfalls, dass Kinder beim Erlernen des Umgangs mit der App von den Eltern oder der Klassenlehrerin begleitet werden. Meist würden sie damit aber alleine gelassen, so Buchegger: „Sie machen lustig drauflos – mit allen negativen Konsequenzen wie der Fülle an Nachrichten, die zu irgendwelchen Uhrzeiten verschickt werden.“

„Zugespammt zu werden nervt auch Kinder“

Buchegger plädiert dafür, dass Volksschullehrerinnen auch für den Onlinebereich Klassenregeln schaffen, beispielsweise „Zwischen acht Uhr abends und sechs Uhr Früh werden keine Nachrichten verschickt“. Denn auch wenn es nicht die Unterrichtszeit betreffe, passiere es doch im Klassenkontext. Zugespammt zu werden nerve auch Kinder, außerdem sei es auch im Sinne der Lehrerin, „wenn sie in der Früh keine unausgeschlafenen Kinder vor sich sitzen hat".

Sinnvoll sei es zudem, die Verständigung über neue Nachrichten auszuschalten und fixe Zeiten festzulegen, wann Nachrichten abgerufen werden. Eltern sollten mit ihren Kindern auch darüber sprechen, bei welchen Nachrichten und Fotos es okay ist, sie zu posten, und bei welchen nicht; und dass zum Beispiel angstmachende Inhalte nicht verbreitet werden sollen.

„Mobbing kommt irgendwann in jeder Schule vor“

„Dass jemand in einem Gruppenchat mit bösen Kommentaren zugeschüttet wird oder über jemanden, der nicht in der Gruppe ist, gelästert wird, kommt immer wieder vor – oft auch in Kombination mit Bildern, mit Nacktfotos“, so Buchegger. Wie weit verbreitet Mobbing ist, könne man schwer sagen. Zudem gebe es intensivere und weniger intensive Fälle. „Oft löst sich das auch in der Gruppe selbst, indem einige Schülerinnen und Schüler eingreifen und sagen, ,hört auf damit’.“ Aber irgendwann komme Mobbing in jeder Schule vor.

Die positive Nachricht: Das Bewusstsein, dass es Mobbing auf WhatsApp gibt, ist laut Buchegger an den Schulen angekommen. „Schulen wissen: Wenn es Mobbing gibt, dann muss auch der Onlinebereich einbezogen werden. Da sind wir schon eine Spur weiter als noch vor ein paar Jahren. Vielleicht sind nicht alle Lehrerinnen und Lehrer kompetent darin, aber sie wissen Bescheid.“

Was Eltern tun können

Eltern, die einen Verdacht auf Mobbing haben, rät Buchegger, immer wieder und auf unterschiedliche Art Gesprächsangebote zu machen. „Selbst wenn das Kind nicht gleich reden will, weiß es dadurch, dass es zu den Eltern kommen kann.“ Außerdem sollten Eltern überlegen, mit welcher Lehrerin oder welchem Lehrer sie gut darüber reden können. „Das muss nicht immer der Klassenvorstand sein, sondern ein Lehrer, bei dem man das Gefühl hat, der ist damit nicht überfordert und kann gut reagieren.“

Wichtig sei aber, nichts ohne die Zustimmung des Kindes umzusetzen – „außer es ist wirklich Gefahr im Verzug“. Dem Kind den Zugang zum Onlinebereich zu nehmen sei zudem keine gute Idee: „Denn dadurch nimmt man dem Kind auch den Zugang zu Lösungen und zu einem unterstützenden Bereich.“

Offizielle Kommunikation über WhatsApp nicht erlaubt

Lehrerinnen und Lehrern ist es offiziell übrigens gar nicht erlaubt, mit Eltern oder Schülerinnen und Schülern über WhatsApp zu kommunizieren. „Elektronische Eltern-Lehrer-Schüler-Kommunikation ist prinzipiell sinnvoll und zeitgemäß“, so das Bildungsministerium gegenüber ORF.at. Für die offizielle schulische Kommunikation dürften WhatsApp-Gruppen aber aus datenschutz- und lizenzrechtlichen Gründen nicht eingesetzt werden. Bilden Schüler, Schülerinnen und Lehrende allerdings „im privaten Bereich“ eine WhatsApp-Gruppe, sind sie laut Ministerium selbst für die Beachtung des Datenschutzes verantwortlich.

Suche nach Alternativen

Für die schulische Kommunikation empfiehlt das Bildungsministerium etwa eduFLOW – eine App, mit der Formulare der Schule und Bestätigungen der Eltern verwaltet werden können – und verschiedene Lernplattformen oder ganz einfach die Kommunikation über E-Mail. Das Ressort arbeite zudem laufend daran, „weitere Produkte zu lizenzieren, die die Funktionalität von WhatsApp künftig noch besser ersetzen können“.

Was den Datenschutz betrifft, sei WhatsApp tatsächlich problematischer als andere Messenger-Dienste, sagt Buchegger, weil es die Kontakte im Telefonbuch automatisch an WhatsApp, also an Facebook, weitergibt. Produkte wie eduFLOW seien als Alternativen zu WhatsApp aber unbrauchbar, weil dort keine direkte Kommunikation möglich ist, so Buchegger.

Aber es gebe andere Messenger-Dienste wie Signal, Telegram und Threema. Die seien auch datenschutzrechtlich eher anzuraten – sie greifen nämlich nicht auf die Kontakte im Telefonbuch zu. Und im Zweifelsfall gibt es ja auch noch die Möglichkeit, das Smartphone dazu zu verwenden, wozu schon seine Vorgänger da waren – zum Telefonieren.