Die Horchstation auf der Königswarte
ORF.at/Roland Winkler
Nachrichtendienste

Berichte künftig auch an Regierungsspitze

Die Verbindungen des Attentäters von Christchurch nach Österreich und zu den rechtsextremen Identitären haben offenbar erste politische Konsequenzen. Wie Bundesländerzeitungen und „Die Presse“ am Montag berichteten, will Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) die Berichtspflichten der Nachrichtendienste ändern.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), das Abwehramt und das Heeresnachrichtenamt sollen künftig Informationen auch an die Regierungsspitze weitergeben. In der ÖVP, so heißt es unter Berufung eines Sprechers, gehe man davon aus, dass die FPÖ die Pläne auch im eigenen Interesse mittragen werde. Im Regierungsprogramm wurde eine Reform bereits angestrebt. „Es werden Berichtspflichten des BVT, des Heeresnachrichtenamtes und des Abwehramtes an den Bundeskanzler und den Vizekanzler eingerichtet“, heißt es dort.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen hatte bereits im Vorfeld darauf gedrängt, die Berichtspflichten der Geheimdienste auf die Regierungsspitze auszudehnen. Damit sollte sichergestellt werden, dass nicht nur Ressorts der FPÖ-Minister (Innenministerium und Verteidigungsministerium) die Hoheit über die Geheimdienste haben. Eine Arbeitsgruppe tagt seit längerer Zeit zu den Reformplänen. An einer unabhängigen Stelle im Bundeskanzleramt sollen künftig auch die Kompetenzen der Rechtsschutzbeauftragen (Landesverteidigungs-, Innen-, Justiz- und Finanzministerium) gebündelt werden.

FPÖ um Distanzierung bemüht

Die FPÖ zeigte sich am Montag um Distanzierung von den rechtsextremen Identitären bemüht, nachdem Kurz eine Trennung allfälliger Verbindungen gefordert hatte. „Bezüglich der Identitären Bewegung gibt es innerhalb der FPÖ seit über einem Jahr einen glasklaren Beschluss des Bundesparteivorstandes, der verbietet, dass jemand, der aktiv Mitglied bei den Identitären ist, eine Funktion innerhalb der FPÖ einnehmen darf. Es gibt keine organisatorische oder finanzielle Verflechtung der FPÖ mit den Identitären“, erklärte FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker in einer Aussendung.

Keine andere Partei habe so klare Regelungen und Abgrenzungen gegenüber den „politischen Rändern“ wie die FPÖ. „Unsere bewährte österreichische Rechtsstaatlichkeit ist der Maßstab, der für jeden Bürger gleich gilt“, so Hafenecker, der auch an die geltende „Rot-Weiß-Rot-Erklärung“ der FPÖ erinnerte, die unmissverständlich gegen jede Form des Extremismus und für Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit Position beziehe. Versuche, ein Naheverhältnis der FPÖ zu den Identitären zu konstruieren, bezeichnete er als „abstrus“.

ORF-Reporter Martin Thür vor dem Bundeskanzleramt

Kurz verlangt vom Koalitionspartner FPÖ, sich von Rechtsextremen abzugrenzen. Aber was heißt das in der Praxis? Reporter Martin Thür berichtet.

Zuletzt ist bekanntgeworden, dass die Identitären und eine FPÖ-nahe Burschenschaft in Linz offenbar Mieter in ein und derselben Villa sind. Es gibt Details und angebliche Belege dafür, dass die Freiheitlichen von den Identitären wussten. Die Villa gehört laut Grundbuch dem Verein „Studentenheim Urfahr“. Vereinsobfrau ist die Ehefrau eines Linzer FPÖ-Gemeinderates, der auch Kassier des Vereins sei. Schriftführer ist der Mann der Dritten Nationalratspräsidentin Anneliese Kitzmüller (FPÖ) – mehr dazu in ooe.ORF.at.

Nationaler Sicherheitsrat tagte am Abend

Der Christchurch-Attentäter und die rechtsextremen Identitären waren auch am Montagabend im Nationalen Sicherheitsrat Thema. Die Oppositionsparteien wollten in dem Gremium allfällige Verbindungen des Attentäters zu österreichischen Rechtsextremen hinterfragen. Allen voran ging es um eine Spende in Höhe von rund 1.500 Euro des Attentäters an den Sprecher der rechtsextremen Identitären in Österreich. Zuletzt fand eine Razzia in seinem Zuhause statt.

Der Nationale Sicherheitsrat berät die Regierung und einzelne Minister in außen- und sicherheitspolitischen Fragen. In „allen grundsätzlichen Angelegenheiten der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik“ soll der Rat angehört werden. Vertreten sind dort neben den zuständigen Regierungsmitgliedern auch Vertreter und Vertreterinnen aller im Hauptausschuss des Nationalrats vertretenen Parteien. Was der Sicherheitsrat im Bundeskanzleramt besprochen hat, bleibt im Detail aber unklar. Denn das Gremium tagte unter Ausschluss der Öffentlichkeit, auch die besprochenen Inhalte waren vertraulich.

Opposition legte Anträge offen

Allerdings hatten SPÖ und Jetzt im Vorfeld zwei Beschlussanträge öffentlich gemacht, die im Sicherheitsrat eingebracht wurden. Zum einen wollte die Opposition, dass der Sicherheitsrat der Regierung empfiehlt, „die rechtsextremistischen Aktivitäten in Österreich mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu beobachten und zu bekämpfen“ sowie Verbindungen der rechtsextremen Szene (insbesondere der Identitären Bewegung) zu Mitgliedern der Bundesregierung bzw. zu Abgeordneten zu analysieren und darüber Bericht zu erstatten.

Identitäre: Oppositionsanträge im Nationalen Sicherheitsrat

Gibt es Verbindungen zwischen dem Terroranschlag in den Moscheen von Christchurch und Österreich – über eine Spende des Attentäters an eine rechtsextreme Gruppe hinaus? Darüber beriet am Montagabend der Nationale Sicherheitsrat im Kanzleramt.

Zusätzlich soll der jährliche Rechtsextremismusbericht wieder eingeführt und bereits für 2018 gemeinsam mit dem Verfassungsschutzbericht vorgelegt werden. Zuletzt war dieser für das Jahr 2002 erschienen, unter der ersten ÖVP-FPÖ-Bundesregierung wurde er abgeschafft. NEOS wiederum forderte neben restriktiven Maßnahmen auch präventive Instrumente wie etwa gezielte Deradikalisierungsmaßnahmen. Eine entsprechende Strategie solle erarbeitet werden.