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Foto-App als Shoppingmall

Vom Wickelkleid bis zum nachhaltigen T-Shirt: Instagram ist zum digitalen Schaufenster für die Generationen Y und Z geworden. Die App revolutioniert inzwischen nicht nur, was, sondern auch wie eingekauft wird. Von den USA bis Österreich setzen aufstrebende Modelabels deshalb fast ausschließlich auf die Plattform – und die wird jetzt zur Shoppingmall.

Ob Riesenkonzern oder lokale Boutique: Modeunternehmen, die ein junges Publikum ansprechen möchten, kommen fast nicht mehr darum herum, einen Instagram-Account zu erstellen, eine Fangemeinde aufzubauen, mit Influencern zusammenzuarbeiten und Werbung zu schalten. Allein in Österreich zählt die Facebook-Tochter, die weltweit mehr als eine Milliarde Nutzerinnen und Nutzer hat, zu den beliebtesten Sozialen Netzwerken bei Jugendlichen. Laut Jugend-Internet-Monitor 2019 nutzen rund 71 Prozent der Elf- bis 17-Jährigen die App.

„Dieses Jahr haben wir Instagram dabei zugesehen, wie es sich zu einem mächtigen Modeplayer entwickelte – indem es Trends setzte und Verkaufszahlen geboostet hat“, fasste die Modesuchmaschine Lyst die Entwicklung in dem „A Year in Fashion 2018“-Bericht zusammen. „Stars und ihre Outfits, bleiben dabei die größten Faktoren, die darauf hinweisen, was Kunden online kaufen wollen.“ Lyst hat den begehrtesten „Instagram-Marken“ dabei eine eigene Kategorie gewidmet.

Via Instagram zur Kultmarke

Darunter waren international erfolgreiche Marken wie Realisation Par, Reformation und Veja – die allesamt über die App Ruhm erlangten. Realisation Par, das 2016 gegründet worden ist und mehr als 470.000 Abonnenten zählt, erzielte dank seiner prominenten Fangemeinde und der App binnen kürzester Zeit Kultstatus. Zu deren Verkaufsschlagern zählen etwa ein Midirock mit Leopardenmuster namens „Naomi“ und das Wickelkleid „Alexandra“. Realisation Par wurde nicht nur von Modemagazinen gefeiert, auch andere Marken und Onlineshops brachten daraufhin ähnliche Teile auf den Markt.

„Etwas auf Instagram zu entdecken ist das moderne Äquivalent von einer großartigen Empfehlung einer Freundin“, wird die Modejournalistin Laura Antonia Jordan im britischen „Guardian“ zitiert. „Anders als die meisten Onlineshoppingseiten ist Instagram mittlerweile ein Ort, wo Kunden browsen, bewundern und entdecken“, schreibt der „Guardian“. Laut der Zeitung haben bereits ein Drittel aller Instagram-Nutzerinnen und -Nutzer zumindest ein Kleidungsstück, das sie durch die App entdeckt haben, gekauft. Marken würden hingegen davon profitieren, nicht nur ihre Produkte, sondern ein gesamtes Konzept zu verkaufen, so der „Guardian“.

Models vs. „echte“ Menschen

Geht es nach den beiden bekannten heimischen Influencerinnen und Modemacherinnen Madeleine Alizadeh und Anna Laura Kummer, dann lautet das Konzept „Nachhaltigkeit“. Beide Bloggerinnen haben verstanden, dass sich über die App nicht nur die eigene Person, sondern auch Produkte gezielt vermarkten lassen.

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Cozy goes first 🐻 #dariadeh #fairfashion

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Wie viele andere Instagram-Marken besticht Alizadehs Label „Dariadeh“ damit, dass ihre Designs nicht von Models in Studiosettings, sondern von „echten Menschen“ quasi „im echten Leben“ getragen werden. Während der Dariadeh-Feed vor allem die Bloggerin selbst zeigt, sind die Instagram-Stories gefüllt mit Bildern von Kundinnen und Kunden, welche die Teile tragen.

Die Krux mit versteckter Werbung

„Das hilft der Community dann auch ein bisschen zu schauen, ‚aha, passt das auch einer ganz normalen Frau mit Kleidergröße 40 bis 44? Oder sind das nur die Minigrößen, die man oft sieht, die aber niemandem passen‘“, so Alizadeh gegenüber ORF.at. Der große Vorteil von Instagram und der Unterschied zu Onlineshoppingseiten sei die Behauptung, authentischer zu sein, so die Bloggerin.

Problematisch ist die Vermarktung via Instagram und insbesondere das Influencer-Marketing, weil es Abonnenten oft schwerfällt, zwischen redaktionellen Inhalten, Werbung und Produktplatzierungen zu unterscheiden. Die gesetzliche Kennzeichnungspflicht von Werbung wird von vielen überdies vernachlässigt.

Inspirationsquelle Instagram

Auch das erst kürzlich gegründete österreichische Modelabel The Slow Label von Kummer nutzt die Instagram-Story-Funktion, um Bilder ihrer Kundschaft samt Kleidungsstücken zu zeigen. Für Kummers Label ist die App auf mehreren Ebenen – von der Reichweite über Feedback bis hin zu Designinspiration – unverzichtbar, wie sie im Gespräch mit ORF.at sagt.

So habe sie sich etwa von dem Instagram-Hype rund um minimalistische Linienkunst inspirieren lassen, so Kummer. Der Trend hat es in Form von Händen und femininen Silhouetten auf ihre Mode geschafft. Doch auch was Klicks betrifft, ist der Fotodienst für Kummer unverzichtbar. So kamen in den ersten Tagen nach der offiziellen Eröffnung des Onlineshops ein Großteil der Klicks über Instagram – wesentlich mehr als via Facebook oder Direktklicks.

Milliardenumsatz durch Kauf-Button erwartet

Doch welche Rolle spielen Mode und Shopping für die Macher der App? Kurz: eine wesentliche. In den USA hat der Fotodienst erst im März einen Kauf-Button eingeführt. Wer in anderen Beiträgen interessante Produkte entdecke, könne nun direkt zuschlagen, ohne die App zu verlassen, so das Unternehmen. Der Kauf-Button namens „Checkout“ ist allerdings vorerst nur in einer Betaversion in den USA für ausgewählte Marken wie H&M, Adidas, Zara, Burberry und Co. zugänglich. „Instagram hofft damit dein personalisiertes, digitales Shoppingcenter zu werden“, so das Technologiemagazin Wired.

Bisher mussten Instagram-Nutzerinnen und -Nutzer auf ein markiertes Produkt klicken, um Infos zu Marke und Preis einzusehen und daraufhin Links zu externen Einkaufsseiten folgen zu können. Dort können die Produkte, die in der App entdeckt wurden, dann gekauft werden. In Österreich ist das auch nach wie vor so. Laut Instagram nutzen monatlich über 130 Millionen Menschen die Funktion, die vor einem Jahr eingeführt worden ist.

Analysten der Deutsche Bank zufolge wird Instagram mit dem „Shopping Feature“ bis 2021 rund 10 Milliarden US-Dollar Umsatz machen. Grund dafür sei, dass Werbespots effektiver und mehr Geld einbringen würden. Zudem gebe es Einnahmen durch eine Transaktionsgebühr. Allerdings sei entscheidend und fraglich, wie viele Daten Instagram mit Unternehmen teilen möchte. Auch sei noch nicht klar, ob der Durchschnittskunde bzw. die Durchschnittskundin dazu bereit sei, Zahlungsinformationen an die Facebook-Tochter auszuhändigen.

Modeschauen müssen „instagrammable“ sein

Dass Instagram für die Modeindustrie unabdingbar geworden ist, zeigt sich nicht zuletzt auf internationalen Zeitschriftencovers und Laufstegen. Die neue Chefredakteurin der Cosmopolitan, Jessica Pels, zählt Instagram-Statistiken zu ihren wichtigsten Inspirationsquellen. Was zahlreiche Likes auf Instagram bekommt – etwa Bilder mit Pizza in Herzchenform, blaue Vintageautos und Badewannen – findet sich auch auf den Covers der Cosmopolitan wieder. „Wir nutzen Instagram für unsere Planung von Print-Shoots“, erklärte Pels jüngst in einem Interview mit der „New York Times“.

Auch ganze Modeschauen werden mittlerweile so inszeniert, dass sie sich in Sozialen Netzwerken gut machen. „Marken haben verstanden, dass sie Inhalte für ihre Social-Media-Kanäle brauchen und haben ihre Shows als Instagram-freundliche Spektakel neu interpretiert“, schreibt etwa das Fachmagazin „Business of Fashion“.

Sprungbrett für kleine Labels

„Wir erleben einen großen Umbruch darin, wie Menschen kommunizieren und Talente entdecken. Weil Instagram einen kleinen Vorgeschmack auf ein digitales Portfolio gibt, suchen viele Käufer, Journalisten und Stylisten über die App nach aufstrebenden Designern“, so Christoph Tsetinis, der das Gesicht des Accessoire-Labels Published By ist, gegenüber ORF.at. Andererseits macht es die App laut Tsetinis kleinen, neuen Labels auch möglich, mit einflussreichen Personen in Kontakt zu treten. „Vor Instagram war das nur den großen Labels möglich.“