Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP), BK Sebastian Kurz und VK Heinz Christian Strache
APA/Herbert Neubauer
Präsentation

Regierung stellt gestaffelte Steuerreform vor

In kleinen Häppchen sind bereits seit dem Wochenende erste Informationen zur geplanten Steuerreform bekanntgeworden. Am Dienstag wurde das gesamte Vorhaben von der Regierung präsentiert – es wird in mehreren Schritten über mehrere Jahre umgesetzt. Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sprach von einem „wahrlich großen Projekt“, Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) von einem „großen Wurf“.

Die Steuerreform sei anders als vorherige Steuerreformen, weil erstens keine neuen Schulden gemacht und zweitens keine neuen Steuern eingeführt würden, sagte Kurz: „Jeder, der arbeiten geht, steigt besser aus, und für niemanden wird die Steuerlast erhöht.“ Strache sprach von „mehr Fairness und Gerechtigkeit“ für Gering- und Mittelverdiener und Pensionisten.

Es werde mit den Maßnahmen die Abgabenquote „in Richtung 40 Prozent“ gesenkt – ein Ziel der ÖVP-FPÖ-Koalition. Strache sagte, er wolle „wie ein Löwe“ kämpfen, damit weitere Entlastungsschritte folgten. Im Wahlkampf hatten beide Parteien höhere Entlastungen von zwölf Milliarden Euro angekündigt.

Fokus auf Arbeitnehmer

Bis zum Wahljahr 2022 sollen die Steuern schrittweise in einem Volumen von 6,5 Milliarden Euro sinken – ein Drittel davon entfällt auf Länder und Gemeinden. Den größten Fokus nimmt die Entlastung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ein – bei Lohn- und Einkommensteuer. Reduziert wird auch die Gewinnsteuer für Unternehmen.

Steuern sinken ab 2021

Viele Entlastungen der am Dienstag präsentierten Steuerreform greifen erst in den kommenden Jahren. Die Lohnsteuer wird ab 2021 reduziert.

Die Maßnahmen sollen ab 2020 in mehreren Jahresschritten in Kraft treten. Werden bereits beschlossene Steuersenkungen wie der Familienbonus und die reduzierte Umsatzsteuer auf Übernachtungen dazugerechnet, reduzieren sich die Steuereinnahmen um 8,3 Milliarden Euro. Das entspricht etwa der Summe, die die Regierung für Polizei, Justiz, Bundesheer, Finanzämter und Umweltschutz ausgibt.

Erfolgsprämien bis 3.000 Euro steuerfrei

Kernpunkt der Reform ist die Senkung der unteren drei Einkommensteuertarife für Arbeitnehmer und Selbstständige über zwei Jahre. 2021 wird die unterste Steuerstufe von 25 auf 20 Prozent gesenkt. Im Jahr danach reduziert sich auch der 35-prozentige Tarif auf 30 Prozent, die 42-Prozent-Stufe wird auf 40 Prozent verringert. Die oberen drei Steuersätze für Jahreseinkommen über 60.000 Euro bleiben zwar unverändert. Aber auch Besserverdienende profitieren von der Steuersenkung, weil auch sie zuerst die niedrigeren Tarifstufen durchlaufen, ehe ihre höheren Einkommensteile mit den höheren Steuersätzen von 48, 50 und (ab einer Million Euro) 55 Prozent besteuert werden. In Summe sind für die Lohnsteuersenkung 3,9 Mrd. Euro eingeplant.

Grafik zur Lohnsteuer
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

Mitarbeiter, die zum Erfolg ihres Unternehmens beitragen und dafür mit einer Prämie belohnt werden, können diese bis zu 3.000 Euro pro Jahr ab 2022 steuerfrei lukrieren. Die Regierung nennt das „Mitarbeitererfolgsbeteiligung“. Explizit auf Geringverdiener gemünzt ist die Senkung der Krankenversicherungsbeiträge für niedrige Einkommen. Dieser Sozialversicherungsbonus soll bereits 2020 kommen. Kosten soll das – inklusive der ebenfalls geplanten Entlastung von Bauern und Selbstständigen – 900 Mio. Euro.

Mit 2021 soll ein völlig neu geschriebenes Einkommenssteuergesetz in Kraft treten. Daraus will die Regierung eine weitere Steuerersparnis von 200 Mio. Euro weitergeben. Die Gesetze für die nun angekündigte Steuerreform sollen laut Regierung noch vor dem Sommer im Nationalrat beschlossen werden.

Kalte Progression bleibt vorerst

Die Abschaffung der kalten Progression findet sich nun nicht mehr in den aktuellen Plänen der Regierung. Ursprünglich hieß es, dass diese bis auf das Ende der Legislaturperiode verschoben worden sei. Selbst der neoliberale Thinktank Agenda Austria betonte Anfang des Jahres auf Basis eigener Berechnungen, dass man erst von einer wirklichen Steuerreform sprechen könne, „wenn die kalte Progression abgeschafft wurde. Erst danach würde eine Tarifreform eine nachhaltige Entlastung für die Steuerzahler bedeuten.“

Thomas Langpaul (ORF) analysiert die Steuerreform

Nach der Präsentation der Steuerreform durch die Regierung bietet ORF-Redakteur Thomas Langpaul eine erste Analyse der geplanten Maßnahmen.

Doch ganz so laut ist der Ruf der Regierung nach Abschaffung der kalten Progression nicht mehr. Kurz sagte, er wolle diese zwar auch „angehen“ und bis zum Ende der Legislaturperiode noch eine „Veränderung“ durchführen. Die Entscheidung für diese Form der Steuerreform sei aber bewusst gewählt worden: „Ein reines Aus der kalten Progression halte ich nicht für besonders sozial. Das würde Spitzenverdiener begünstigen. Jetzt profitieren kleinere und mittlere Einkommen.“

Körperschaftssteuer wird schrittweise reduziert

Ebenfalls für das Wahljahr kündigte die Regierung die von der Wirtschaft geforderte Senkung der Körperschaftssteuer auf Unternehmensgewinne an. Sie soll in einem ersten Schritt von 25 auf 23 Prozent sinken und nach der Wahl auf 21 Prozent. In Summe kostet das 1,6 Mrd. Euro. Derzeit liegt der Körperschaftssteuersatz für juristische Personen bei 25 Prozent – im EU-28-Durchschnitt sind es 21,9 Prozent.

Das ist die erste Senkung der KöSt seit der schwarz-blauen Steuerreform 2004/05. Davor lag der Satz bei 34 Prozent. Neben der Gewinnsteuerreduktion sind noch kleinere Maßnahmen wie erleichterte Pauschalierungen für Kleinunternehmen und die Erhöhung des Grundfreibetrags von 30.000 auf 100.000 Euro vorgesehen. Die Reform der KöSt begünstigt allerdings nicht Unternehmen, die Gewinne wieder investieren, wie von der Industriellenvereinigung gefordert worden war. Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) begründete das mit der administrativen Vereinfachung und EU-rechtlichen Vorgaben. Dann hätten nämlich auch Investitionen im europäischen Ausland gefördert werden müssen.

Hauch von Ökologie

Noch wenig spürbar ist der ökologische Ansatz der Steuerreform. Auch hier kündigte Kurz weitere Schritte für eine Ökologisierung an. Geplant ist ein Umweltpaket, das in Summe Entlastungen von 55 Millionen Euro bringen soll – verbunden mit Anreizen. Die Normverbrauchsabgabe (NOVA) soll „ökologisiert“ werden und die motorbezogene Versicherungssteuer neben der Leistung auch den CO2-Ausstoß berücksichtigen.

Fix ist jedenfalls, dass die Schaumweinsteuer, die der Wirtschaft „nicht gutgetan“ habe, so der FPÖ-Staatssekretär im Finanzministerium, Hubert Fuchs, mit 1. April 2022 fallen wird. Sie umfasst ein Volumen von 20 Millionen Euro.

Gegenfinanzierung bleibt vage

Wie die milliardenschwere Steuerreform finanziert werden soll, ließ die Regierung weitgehend offen. 2,2 Mrd. Euro sind laut Regierung im Finanzrahmen eingeplant, 1,8 Mrd. Euro könnten durch Budgetüberschüsse finanziert werden, 1,5 Mrd. Euro durch neue Einsparungen. 500 Mio. Euro will die Regierung durch zusätzliche Einnahmen auftreiben. Eine halbe Milliarde erwartet sich die Regierung durch den Effekt der „Selbstfinanzierung“ – dass also die Steuerreform das Wachstum ankurbelt.

Einnahmen will die Regierung etwa durch die Fortsetzung der Valorisierung der Tabaksteuer lukrieren. Diese wurde heuer erstmals ausgesetzt. Das Finanzministerium rechnet mit jährlich 40 Mio. Euro Einnahmen daraus – 120 Mio. in drei Jahren. Aus dem Digitalsteuerpaket erhofft sich Löger 200 Mio. Euro.

Die gesamte Entlastung will die Regierung bugdetneutral finanzieren, also keine neuen Schulden dafür machen. Kurz rechnet damit, dass sich die Effekte der Reform auf den Konsum auswirken würden und dadurch die Wirtschaft angekurbelt werde. Wegen der Attraktivierung des Wirtschaftsstandortes rechne er auch mit einer Senkung der Arbeitslosenzahlen. Auch in der Verwaltung solle eingespart werden. Kurz: „Es wird nur mehr jede dritte Planstelle nachbesetzt.“

Löger verärgert über Kritik von „Unwissenden“

Mit einer Steigerung des tatsächlichen Pensionsantrittsalters will die Regierung ebenfalls Geld sparen. An der gesetzlichen Pensionsgrenze soll aber nicht gerüttelt werden. Maßnahmen, die den Pensionsantritt nach hinten verschieben, wurden nicht genannt. Auch Förderungen will die Regierung weiter reduzieren, ohne konkrete zu nennen.

Zu sehr wollte sich Kurz aber auch auf Nachfragen nicht in die Karten schauen lassen. Die Schuld daran gab er der Opposition: „Wenn ich jetzt darüber hinaus Details nenne, wird das die Opposition verdrehen, um monatelang Ängste zu schüren und das Land zu spalten.“ Auch Löger kritisierte, dass die Steuerreform schon im Vorfeld von „Unwissenden“ kommentiert worden sei. Als Finanzminister verwies er bei der Gegenfinanzierung auf Überschüsse und Einsparungen im System: „Es ist eine ehrliche Reform, wir machen keine neuen Schulden.“