Mikrofon im Lokal 7 beim BVT-Untersuchungsausschuss
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Ex-BVT-Vize im U-Ausschuss

„Viel schlimmer geht nimmer“

Der U-Ausschuss zu den Vorgängen um das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) ist am Mittwoch wieder im Zeichen der vermuteten „schwarzen Netzwerke“ und möglicher ÖVP-Interventionen gestanden. Befragt wurde Wolfgang Z., Ex-Vizechef des Verfassungsschutzes.

Z. hatte sich bald nach der ÖVP-FPÖ-Regierungsbildung aus dem BVT verabschiedet und leitet seit September 2017 das Zentrum für internationale Angelegenheiten in der Sicherheitsakademie des Innenministeriums. Er war Beschuldigter in der BVT-Causa, ehe das Ermittlungsverfahren gegen ihn im April eingestellt wurde.

Er wurde im Konvolut und durch einen Zeugen belastet – Z. soll das „Bindeglied“ zwischen dem BVT und dem damaligen Kabinettschef Michael Kloibmüller gewesen sein. Die Ermittlungen konzentrierten sich auf den Verdacht von Datenvergehen, erbrachten aber nichts: Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren ein.

„Direktoren hätten das nicht akzeptiert“

Vor dem Ausschuss sagte Z. auf Fragen von Verfahrensrichter Eduard Strauss, dass seine Rolle als „Bindeglied“ (die Aussage stammt von Martin W., Hauptbelastungszeuge der WKStA und früherer Abteilungsleiter im BVT) immer wieder aufkomme. Er und Kloibmüller unterhielten eine 25-jährige Freundschaft, doch habe man Privates und Berufliches stets getrennt. „Ich habe drei Direktoren erlebt, die hätten das sicher nicht akzeptiert“, gab Z. an.

Lokal 7 im Rahmen des BVT-Untersuchungsausschusses
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Der Kameraschwenk fand am Mittwoch ohne Auskunftsperson statt

Der Ausschuss sei wohl der Ansicht, dass irgendwelche ÖVP-Mitglieder in geheimen Foren irgendwelche Entscheidungen getroffen haben, so Z. auf entsprechende Fragen zum vermuteten „schwarzen Netzwerk“. Alois M. aus dem BVT-Personalmanagement hatte Entsprechendes beschrieben. Z. dazu: M. sei „ein Mensch, der selbst nie irgendwelche Entscheidungen trifft“. Weil er immer professionell mit ihm zusammengearbeitet habe, wundere ihn dessen Aussage.

Qualifikationsmängel P.s waren „auszugleichen“

Auch beschrieb Z. das Verhältnis zu Ex-BVT-Spionagechef Bernhard P. Die Opposition sieht in ihm einen Kontaktmann der ÖVP ins BVT. Er sei der Erste gewesen, der als Nichtjurist Referatsleiter wurde, P.s Fleiß habe ihn „sehr beeindruckt“. Auf die Frage, ob er jemals vom Kabinett Aufträge bekommen habe, verwies Z. wiederum auf die Freundschaft mit Kloibmüller („was alle wussten“) – niemand hätte sich das gefallen lassen, wiederholte Z.

Für Postenbesetzungen im BVT interessierte sich NEOS-Fraktionsvorsitzende Stephanie Krisper – schließlich sei etwa P. der einzige Bewerber für den Job als Spionagechef gewesen. „Es gibt oft bei Ausschreibungen keinen einzigen Bewerber“, so Z. Als P. dann kam, habe BVT-Chef Peter Gridling Z. gebeten, entsprechend „zu unterstützen“, um Qualifikationsmängel P.s „auszugleichen“.

„Niemand schafft es, Ermittlungen zu steuern“

Krisper fragte auch nach parteipolitisch motivierten Ermittlungen im BVT. Dazu legte sie Z. die Zeugenaussage von W. vor – darin spricht er von politischem Druck auf die Ermittler, „dass ein Ermittlungserfolg gegen (den SPÖ-nahen Anwalt Gabriel, Anm.) Lansky erzielt wird“ – W. meinte, er hatte das Gefühl, dass er die Ermittlungen in der Causa „nicht in der Hand“ habe, weil das ÖVP-Netzwerk im BVT diese Ermittlungen vorantreibe, und dass unter anderen Z. diesem Netzwerk angehöre.

Stephanie Krisper (NEOS)
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Krisper fragte nach parteipolitisch motivierten Ermittlungen im BVT

Diese Darstellungen dementierte Z. Die Staatsanwaltschaft habe diese Ermittlungen geleitet, „ich glaube nicht, dass irgendwer es schafft, das irgendwie zu steuern“, und er habe dazu „keine Wahrnehmungen“. Die Causa Lansky sei natürlich „interessant“, aber es habe „keine Einflüsse gegeben“. Zuständiger Abteilungsleiter in der Causa Lansky sei W. gewesen.

„Schlacht verloren, aber den Krieg gewinnen wir“

Krisper zitierte aus Mails von P. an Kloibmüller aus 2014 – darin heißt es, Lansky würde jetzt seinen Computer zurückbekommen, „alle sind deshalb ziemlich down“ – worauf Kloibmüller geantwortet habe: „Macht nichts, Schlacht verloren, aber den Krieg gewinnen wir.“ Das Lansky-Verfahren habe sehr lange gedauert, so Z., es sei klar gewesen, „dass man es zu Ende bringen musste“. Mit Kloibmüller habe er nur oberflächlich über die Lansky-Causa gesprochen. Die Ermittlungen seien jedenfalls von der Justiz geführt worden – ohne jegliche persönliche oder politische Motive.

„Geht es noch schlimmer?“

SPÖ-Fraktionschef Kai Jan Krainer interessierte, wann Z. von der Razzia im BVT erfahren habe. Am Tag der Razzia, sagte Z., er sei von Staatsanwalt Wolfgang Handler einvernommen worden. Von den Belastungszeugen habe er im Zuge dieser Einvernahmen erfahren. Das habe ihn überrascht. Auch gab er an, dass er es in seiner Zeit als Polizist niemals erlebt habe, dass Zeugen vom Ministerium gebrieft werden.

Auch teilte Z. „die Wahrnehmung“, dass mit sensiblen Daten fahrlässig umgegangen worden sei. Krainer: „Es wurde die Neptun-Datenbank mitgenommen, die Zentrale Quellenbewirtschaftung – geht es noch schlimmer?“ Z. dazu: „Viel schlimmer geht nimmer, das war schon ein bemerkenswerter Vorgang“, er vermutete den Grund in „Unerfahrenheit“ der einschreitenden Kollegen. Es sei „schon eine sehr rustikale Vorgangsweise“, ein „raid“ (dt.: Überfall; auch: Razzia) gewesen.

Auch sprang Z. der Leiterin des Extremismusreferats, Sybille G., zur Seite. Sie war ja verdächtigt worden, die NS-Liederbuchaffäre um den niederösterreichischen FPÖ-Spitzenkandidaten Udo Landbauer publik gemacht zu haben. „Wer die Integrität der Frau G. kennt, weiß, dass das nicht der Fall sein kann“, so Z.

„Alkoholproblem“ unterstellt

Auch Jetzt-Mandatarin Alma Zadic interessierte sich für die Razzia – zum Ärger der ÖVP. Wie Z. es sehe, dass das Büro von G. so intensiv durchsucht wurde. Z. gab an, er glaube, „dass in der ganzen Geschichte viele Leute alles (aus dem Konvolut, Anm.) geglaubt haben und ihnen die Erfahrung gefehlt hat. Aber dass so unverhältnismäßig gegen eine Zeugin vorgegangen wird, hätte ich, und ich habe viel Erfahrung, mir nie gedacht.“

Alma Zadic (JETZT)
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Zadic fragte zur Razzia – unter Protest der ÖVP, weil Z. zu diesem Thema nicht geladen war. Z. hatte aber nichts gegen die Fragen.

Auch zitierte Zadic aus dem Akt, hier spricht W. von einem „Alkoholproblem“ von Z., das die Arbeit beeinträchtigt habe. Die Auskunftsperson dazu: „Also wenn Sie die ganze Aussage von W. lesen, ist das eigentlich ein Bewerbungsschreiben für den BVT-Direktor. Und ganz ehrlich, solange ich einen Marathon unter vier Stunden laufe, ist das, glaube ich, mit übermäßigem Alkoholkonsum nicht wirklich kompatibel“.

„Wenn etwas schiefgeht, geht’s doppelt schief“

FPÖ-Fraktionsführer Hans-Jörg Jenewein wollte wissen, ob Z. in seiner einleitenden Stellungnahme andeuten wollte, dass es gesetzwidrige Aufträge ans BVT gab. Z. verneinte. Auch Thema waren unterlassene Aktenskartierungen. „Das Gute darf nie ein Feind des Besseren sein“, so Z.

Es habe den Anlassfall um die Ex-Grüne Sigrid Maurer gegeben, „wenn etwas schiefgeht, geht’s doppelt schief", man habe im Akt nicht nur irrtümlich von Körperverletzung im Parlament gesprochen, sondern das dann auch noch zu lange nicht gelöscht. Daraus habe man aber gelernt und jetzt „ein gutes System“ ausgearbeitet.

Konvolut „Schwachsinn“ und „gespickt von Hass“

Auch gab es einen emotionalen Moment während der Befragung, als nämlich Jenewein zum im Konvolut erhobenen Vorwurf fragte, wonach im BVT Quellengelder veruntreut und u. a. für Trinkgelage ausgegeben worden seien. „Herr Abgeordneter, das ist Schwachsinn. Die Justiz hat das geprüft und nichts gefunden, es ist Schwachsinn. Ich sage noch einmal: Schwachsinn“, schrie Z. Generell beschrieb er das Konvolut als „gespickt von Hass“.

ÖVP versuchte Entlastungsangriff

Die ÖVP nutzte die Befragung Z.s für einen Entlastungsangriff und brachte den dubiosen Informationsbeschaffer M. aufs Tapet. Dieser sei vom heutigen niederösterreichischen SPÖ-Chef Franz Schnabl – damals bei Magna – an Lansky vermittelt worden.

Werner Amon (ÖVP)
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Amon lieferte sich während der Befragung einen Schlagabtausch mit der Opposition

Wissen wollte ÖVP-Fraktionschef Werner Amon, ob es dann auch vom damaligen (SPÖ-nahen) Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit Interventionen zugunsten von M. gegeben habe. Z. wusste davon nichts. Bisher war M. immer in Zusammenhang mit der ÖVP – oder besser mit Kloibmüller – genannt worden, der sich für ihn starkgemacht haben soll.

Viele Geschäftsordnungsdebatten

Weil Amon dabei aus einem Aktenvermerk der Anwaltskanzlei Lanskys zitierte, forderte SPÖ-Fraktionschef Krainer die Streichung der Passagen aus dem Protokoll. Nach einer Unterbrechung pochte Vorsitzende Doris Bures (SPÖ) schließlich auf die Vereinbarung, Dokumente, die dem Anwaltsgeheimnis unterliegen, nicht öffentlich zu zitieren.

Generell verzettelten sich die Fraktionen in eine Geschäftsordnungsdebatte nach der anderen. Meist ging es darum, ob Z. zur BVT-Razzia gefragt werden darf, obwohl er zu diesem Komplex nicht geladen wurde, und ob aus bestimmten Akten zitiert werden darf. Besonders Amon und Krainer piesackten einander leidenschaftlich.