„Ibiza-Video“

Strache erklärt Rücktritt

Nach der Veröffentlichung des „Ibiza-Videos“ mit Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus (beide FPÖ) am Freitag ist in Österreichs Innenpolitik kein Stein mehr auf dem anderen: Strache erklärte am Samstagvormittag seinen Rücktritt als Vizekanzler und Parteichef. Auch Gudenus trat von allen Ämtern zurück.

Die Ereignisse überschlugen sich seit Freitagabend. Der vorläufige Höhepunkt in der „Causa Ibiza“: Strache trat nach einem rund einstündigen Gespräch mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Samstag als Vizekanzler und Parteichef zurück. Als seinen Nachfolger nannte Strache seinen Parteivize und Infrastrukturminister Norbert Hofer.

Kurz nach 12.00 Uhr trat Strache vor die Kameras im mit Journalisten prall gefüllten Vizekanzleramt. Im Kreis von FPÖ-Außenministerin Karin Kneissl, Sozialministerin Beate Hartinger-Klein und Verkehrsminister Norbert Hofer (beide FPÖ) sagte Strache, es habe bereits des Öfteren Dirty Campaigning und Verleumdungskampagnen gegeben. Aber ein inszeniertes Erlebnis wie jenes vor zwei Jahren auf Ibiza „in Silberstein-Manier“ habe er noch nicht erlebt. Er vermutete hinter dem Video politische Gegner bzw. ausländische Geheimdienste. „Ja, das war ein gezieltes politisches Attentat“, sagte er in seiner Erklärung.

Entschuldigung für „b’soffene G’schicht“

Strache führte den Hergang des Treffens aus. Die Frau habe zuerst Kontakt mit Gudenus aufgenommen, nach einiger Zeit kam das Treffen mit Strache auf Ibiza zustande. Dass dieses heimlich gefilmt wurde, sei jedenfalls illegal und strafrechtlich relevant. Es seien keine Spenden ergangen, nach dem Treffen habe es nie mehr Kontakt mit dem „Lockvogel“, einer angeblichen Oligarchenerbin, gegebenen. Er betonte, auf die rechtliche Lage in Österreich gepocht zu haben. Strache verlangte die Herausgabe der Aufnahmen. Durch die Veröffentlichung des Videos sei auch gegen den Ehrenkodex der Presse verstoßen worden, so Strache, der mehrere Anzeigen ankündigte.

Rückblick auf Polit-Karriere von Heinz-Christian Strache

Strache war 14 Jahre lang Parteichef und führte die FPÖ bis in die Regierung.

Zudem entschuldigte sich Strache für sein „typisch alkoholbedingtes machohaftes Verhalten“ bei allen Geschädigten sowie Bundeskanzler Kurz, über den er Gerüchte gestreut hätte. Es sei eine „b’soffene G’schicht“ gewesen, seine Äußerung seien nüchtern betrachtet „katastrophal und peinlich“ gewesen. Unter Tränen entschuldigte sich Strache auch bei seiner Ehefrau Philippa, die er enttäuscht habe, weil er die „attraktive Gastgeberin“ habe beeindrucken wollen.

Rechtliche Gegenwehr angekündigt

Er habe nie Widerrechtliches angeboten oder angenommen und werde den Vorwürfen mit allen rechtlichen Mitteln entgegentreten. Auch werde er die „kriminellen Machenschaften“ rechtlich bekämpfen. Strache verlangte auch die Aufklärung der Rolle des deutschen Satirikers Jan Böhmermann. Dieser hat das Video bereits vor Wochen gekannt. Das bestätigte sein Manager Peter Burtz am Samstag der Nachrichtenagentur dpa. Er dementierte aber, dass die Aufnahmen Böhmermann angeboten worden seien. Woher Böhmermann die Aufnahmen kannte, wisse er nicht, sagte Burtz.

Innenminister Herbert Kickl, Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein, ehemaliger Vizekanzler Heinz Christian Strache, Außenministerin Karin Kneissl und Infrastrukturminister Norbert Hofer
APA/Helmut Fohringer
Strache erklärte umringt von Regierungsmitgliedern seinen Rücktritt: Hartinger-Klein (links), Strache, Kneissl und Hofer (rechts)

Strache sagte, er wolle den Gegnern der Regierung durch sein Fehlverhalten keine Munition liefern, denn das sei das Ziel „dieser rechtswidrigen, akkordierten Aktion“ gewesen. In der Verantwortung für das Regierungsprojekt sowie für seine Familie habe er Kurz den Rücktritt angeboten, und dieser habe angenommen.

Auch der bisherige geschäftsführende Klubobmann der FPÖ, Gudenus, trat am Samstag zurück, wie er in einer Aussendung mitteilte: „Hiermit gebe ich bekannt, dass ich meine Funktion als geschäftsführender Klubobmann sowie mein Nationalratsmandat zurücklegen werde. Ebenso trete ich hiermit von sämtlichen Funktionen in der Freiheitlichen Partei Österreichs zurück.“ Er wolle sein „tiefstes Bedauern über die zwei Jahre zurückliegenden Vorkommnisse zum Ausdruck bringen“, erklärte Gudenus. „Zudem bedaure ich zutiefst, durch mein Verhalten das in mich gesetzte Vertrauen der Wähler, Funktionäre und Mitarbeiter enttäuscht zu haben.“

Jubel bei Demonstranten

Auf dem Ballhausplatz kamen vor der Pressekonferenz einige hundert Demonstranten zusammen. Nachdem Strache seinen Rücktritt erklärt hatte, brandete auf dem Platz zwischen Kanzleramt und Hofburg Jubel auf. Der Erklärung Straches folgten die meisten Demonstranten via Livestream auf dem Handy. Auch ein von den SPÖ-Gewerkschaftern gestellter Lautsprecherwagen übertrug die Erklärung zwischenzeitlich.

Zuvor war bereits durchgesickert, dass Kurz nach dem Enthüllungsvideo nicht mehr mit Strache zusammenarbeiten will. Erste Gerüchte über mögliche Neuwahlen im Herbst machten die Runde, wurden aber nicht bestätigt. Die Opposition forderte bereits zuvor geschlossen Straches Abgang.

Video eines „Lockvogels“

Das Video von dem sechsstündigen Treffen Straches und Gudenus’ mit der vermeintlichen Nichte eines russischen Oligarchen im Sommer 2017 wurde „Spiegel“ und „Süddeutscher Zeitung“ („SZ“) zugespielt. Das Video war offensichtlich als Falle für die FPÖ-Politiker organisiert worden, berichteten sie. Der „Lockvogel“ soll erzählt haben, eine Viertelmilliarde Euro in Österreich investieren zu wollen – und angedeutet haben, dass es sich um Schwarzgeld handle.

Strache sagt in den veröffentlichten Videoausschnitten, dass „ein paar sehr Vermögende“ im Wahlkampf – im Oktober 2017 wurde der Nationalrat gewählt – zwischen 500.000 und zwei Millionen Euro über einen gemeinnützigen Verein an die FPÖ bezahlen würden, ohne dass das dem Rechnungshof (RH) gemeldet werde. Strache nennt den Waffenproduzenten Gaston Glock, die Milliardärin Heidi Goess-Horten, den Unternehmer Rene Benko und den Glücksspielkonzern Novomatic. Alle vier dementierten umgehend, dass sie an die FPÖ gespendet hätten.

Strache stellt in Video öffentliche Aufträge in Aussicht

Laut „SZ“ sagte die vermeintliche russische Investorin, sie wolle relevante Anteile an der „Kronen Zeitung“ erwerben und anschließend den FPÖ-Wahlkampf durch die Berichterstattung unterstützen. Außerdem stellte Strache der Frau in dem Video öffentliche Aufträge im Straßenbau in Aussicht.