Bundeskanzler Sebastian Kurz, ÖVP-Listenzweite Karoline Edstadler und Spitzenkandidat Othmar Karas
APA/Georg Hochmuth
EU-Wahl

ÖVP holte SPÖ- und FPÖ-Stimmen

Das Rekordergebnis der ÖVP bei der EU-Wahl spiegelt sich auch in der Wählerstromanalyse wider: Im Vergleich zur letzten Nationalratswahl konnten vor allem Stimmen von FPÖ und SPÖ geholt werden. Bei der FPÖ blieb rund die Hälfte der Wählerinnen und Wähler von 2017 diesmal zu Hause.

Die ÖVP konnte 69 Prozent ihrer Wählerschaft im Vergleich zur Nationalratswahl 2017 halten. Das ergibt die von ORF und SORA herausgegebene Wählerstromanalyse. Zusätzlich holte die ÖVP rund 96.000 Stimmen von der SPÖ und 62.000 von der FPÖ. Nur wenige ÖVP-Wähler von 2017 entschieden sich bei dieser Wahl für eine andere Partei – stattdessen führt der größte Strom weg von der ÖVP zu den Nichtwählern, bedingt durch die im Vergleich zur Nationalratswahl viel niedrigere Wahlbeteiligung von rund 59 Prozent (2017: 80 Prozent).

Die SPÖ verlor unterdessen jede zehnte Stimme der Wahl 2017 an die Grünen (130.000 Wähler). Sieben Prozent der Stimmen wanderten zur ÖVP, knapp vier Prozent an NEOS, zwei Prozent an die FPÖ. Wie auch bei der ÖVP verlor man die meisten Stimmen an die Nichtwähler (rund 16 Prozent).

Wähleraustausch zwischen FPÖ und ÖVP

Noch deutlicher ist der Verlust an die Nichtwähler nur bei der FPÖ: 51 Prozent, also rund 665.000 der 1,3 Millionen Stimmen aus 2017 gingen diesmal nicht zur Wahl. Dafür gingen knapp fünf Prozent der Stimmen an die ÖVP, die zweitgrößte Wanderung für die Volkspartei hinter der SPÖ. Zwischen FPÖ und ÖVP gab es damit laut Wählerstromanalyse einen Wähleraustausch, der in Summe zugunsten der ÖVP ausging: 62.000 Stimmen wanderten von FPÖ zur ÖVP, in die umgekehrte Richtung flossen 52.000 Stimmen.

Die Grünen verdanken ihr Comeback auch der Mobilisierung sehr vieler Wähler der Nationalratswahl 2017. 76 Prozent (146.000 Stimmen) der Grün-Wähler von 2017 machten auch bei der EU-Wahl ihr Kreuz wieder bei den Grünen. Weitere 130.000 wanderten von der SPÖ zu den Grünen, 81.000 kamen von JETZT und weitere 77.000 von NEOS.

NEOS verlor im Vergleich zu 2017 die wenigsten Stimmen an Nichtwähler: Weniger als sieben Prozent der NEOS-Wählerinnen und -Wähler von 2017 bleiben diesmal zu Hause. Während viele Wähler vor allem zu den Grünen abwanderten, kann NEOS auf ebenso viel Zugewinn von den anderen Parteien verweisen. 54.000 Stimmen kamen von der SPÖ zu NEOS, 38.000 von JETZT und 37.000 von der ÖVP.

ÖVP konnte Wählerschaft von 2014 halten

Im Vergleich mit der EU-Wahl 2014 zeigte die ÖVP die beste Mobilisierung ihrer damaligen Wähler: 90 Prozent davon entschieden sich erneut für die Volkspartei. Die SPÖ konnte 85 Prozent ihrer Wähler der letzten EU-Wahl wieder gewinnen, die FPÖ hingegen nur 69 Prozent. Die Grünen mobilisierten 75 Prozent ihrer Wähler von 2014 und NEOS 61 Prozent.

Bei der SPÖ gibt es kaum Abwanderung oder Zugewinne von anderen Parteien, lediglich durch die höhere Wahlbeteiligung als 2014 (59 statt 45 Prozent) wanderten 225.000 Stimmen von den Nichtwählern zur SPÖ. Bei der FPÖ zeigt sich ein ähnliches Bild, sie konnte 174.000 Nichtwähler mobilisieren, hinzu kommen 51.000 Stimmen aus dem Topf der „Sonstigen“, die sich 2014 aus BZÖ, dem Bündnis Europa Anders und dem Bündnis EUSTOP zusammensetzten. Knapp 23 Prozent der NEOS-Stimmen wanderten zur ÖVP, 58.000 Stimmen kamen im Gegenzug von den Grünen, 89.000 Nichtwähler wählten diesmal NEOS.

Rekordergebnis für ÖVP

Für die ÖVP bedeutete die EU-Wahl damit jedenfalls ein Rekordergebnis: Sie gewann laut Endergebnis plus Briefwahlprognose 34,9 Prozent der Stimmen. Das ist ein Plus von 7,9 Prozentpunkten im Vergleich zur EU-Wahl 2014. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) nannte das Ergebnis „fulminant“. Mit Rekordabstand dahinter lag die SPÖ mit 23,4 Prozent, das entspricht einem Verlust von 0,7 Prozentpunkten. Die Sozialdemokraten konnten damit den „Ibiza-Skandal“ nicht für sich nutzen. Die FPÖ kam auf 17,2 Prozent – und verlor damit 2,5 Prozentpunkte.

Grafik zeigt das Ergebnis der EU-Wahl
ORF.at

Die Grünen kamen auf 14,0 Prozent, das ist zwar ein Verlust von 0,6 Prozentpunkten – aber eine der größten Überraschungen des Wahlabends. NEOS blieb im Vergleich zur letzten EU-Wahl fast stabil bei 8,7 Prozent, die Partei gewann 0,6 Prozentpunkte dazu. Die Initiative 1 Europa von Johannes Voggenhuber schaffte mit 1,1 Prozent den Einzug ins EU-Parlament nicht, ebenso die KPÖ Plus mit 0,8 Prozent.

Mit dem Wahlsieg kommt die ÖVP auf sieben Mandate, zwei mehr als bisher. Die SPÖ hat weiter fünf Sitze, die FPÖ verliert einen und kommt auf drei. Die Grünen verlieren einen Sitz – den sie allerdings bei einem Vollzug des Brexits wieder erhalten würden. NEOS hält ein Mandat.