Die designierte Kanzlerin  Brigitte Bierlein
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Übergangsregierung

Vorschusslorbeeren für Bierlein

Donnerstagnachmittag ist die bisherige Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs (VfGH), Brigitte Bierlein, als künftige Übergangskanzlerin vorgestellt worden. Von Bundespräsident Alexander Van der Bellen abwärts gab es quer durch alle Lager Vorschusslorbeeren für Bierlein, die schon bald als erste Bundeskanzlerin Österreichs angelobt werden könnte – einen Termin dafür gibt es jedoch noch nicht.

Sie sei einmal als „stets die Erste“ charakterisiert worden, so Van der Bellen bei der Präsentation Bierleins. Nun werde sie „wieder die Erste sein, nämlich die erste Bundeskanzlerin der Republik Österreich“. Er habe eine Person gesucht, die über umfassendes Wissen verfüge und von der der sorgfältigste Umgang mit der Bundesverfassung zu erwarten sei. „Und wer wäre dafür besser geeignet als die oberste Hüterin der österreichischen Bundesverfassung?“

Unmittelbar danach gab es Lob von allen Seiten. ÖVP-Chef Sebastian Kurz sieht Bierlein als „außerordentlich kompetente, erfahrene und integre Persönlichkeit“. Die ÖVP werde sie bestmöglich unterstützen. Erfreut, dass eine Frau zum Zug kam, ist SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner. Sie sei überzeugt, dass mit Bierlein an der Spitze der Übergangsregierung die Zusammenarbeit zwischen Regierung und dem Parlament im Sinne von Stabilität für das Land wieder von Dialogbereitschaft gekennzeichnet sein werde.

Brigitte Bierlein und Alexander van der Bellen
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Bierlein wurde am Donnerstag von Bundespräsident Van der Bellen in der Wiener Hofburg vorgestellt

Zufriedenheit auch bei FPÖ, NEOS und JETZT

Lobend äußerte sich auch FPÖ-Chef Norbert Hofer. Bierlein sei eine hoch angesehene, bestens qualifizierte und integre Persönlichkeit. Klubchef Herbert Kickl kündigte eine gute Zusammenarbeit auf parlamentarischer Ebene im Interesse der österreichischen Bevölkerung mit der neuen Bundeskanzlerin an.

Lob für die neue Kanzlerin

Über die Ernennung Brigitte Bierleins zur Übergangskanzlerin zeigten sich die Parteien am Donnerstag erfreut.

„Ich freue mich sehr, dass wir erstmals eine Frau als Kanzlerin bekommen“, sagte NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger, die sich gleichzeitig davon überzeugt zeigte, dass Bierlein ihr Amt besonnen anlegen werde. JETZT-Klubobmann Bruno Rossmann bezeichnete Bierlein per Aussendung als „kompetente und erfahrene Persönlichkeit, die geeignet ist, die politische Stabilität in Österreich wiederherzustellen“. Auch in den Ländern wurde die Entscheidung begrüßt.

Politikologin Stainer-Hämmerle: „Gerecht“

In der ZIB2 sagte die Politikwissenschaftlerin Kathrin Stainer-Hämmerle, dass die Ernennung Bierleins ein „schöner Höhepunkt“ zum 100-Jahr-Jubiläum des Frauenwahlrechts sei. Dass Bierlein nun Kanzlerin werde, sei nicht nur „sehr symbolträchtig“, sondern es sei „auch gerecht“, dass nun eine „Frau die Geschicke leitet“. Gleichzeitig verwies sie darauf, dass Frauen immer dann „zum Zug“ kommen, wenn „es darum geht, Scherben aufzuräumen“. Bei Bierlein sei jedoch nicht das Geschlecht ein Kriterium, sondern „vor allem ihre berufliche Qualifikation“. Durch ihre Arbeit als Richterin würde sie „höchstes Vertrauen“ genießen, so die Politologin.

Analyse von Politologin Stainer-Hämmerle

Die Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle analysiert die Vorgänge rund um die Bestellung der Übergangskanzlerin Brigitte Bierlein.

Bierlein überrascht von Van-der-Bellen-Vorschlag

Bierlein selbst sagte in ihrem Statement am Donnerstag , sie sei sprachlos gewesen, als Van der Bellen sie gefragt habe, ob sie sich vorstellen könnte, Übergangskanzlerin zu sein. Sie habe sich erst ein paar Stunden Bedenkzeit erbeten, dann sei sie zum Schluss gelangt, „zum Wohl der Republik Österreich diese doch sehr verantwortungsvolle Aufgabe zu übernehmen“.

Van der Bellen beauftragte sie sogleich mit der Regierungsbildung. Bierlein bedankte sich bei Van der Bellen für den großen Vertrauensvorschuss und kündigte an, nun sofort mit den Beratungen für die anstehende Besetzung der Ministeriumsposten zu beginnen. Obwohl es sich nach den Worten Bierleins um eine überraschende Bestellung gehandelt habe, nannte Österreichs künftige Kanzlerin bereits erste Namen.

Vizekanzler und Außenminister stehen fest

Der ehemalige Präsident des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH), Clemens Jabloner, sei bereit, Vizekanzler und Justizminister zu werden. Der derzeitige Leiter der Europasektion im Bundeskanzleramt, Alexander Schallenberg, wurde von Bierlein zudem als Kandidat für das Außenministerium genannt.

Weitere Persönlichkeiten werden folgen, wobei Bierlein hier neben fachlicher Expertise auch politische Sensibilität als Voraussetzung nannte. Dass hier vor allem erfahrene Beamte zum Zug kommen sollen, ist laut Van der Bellen auch mit den Parteien bereits abgesprochen.

Termin für Angelobung noch ausständig

Hier gebe es nach den Worten des Bundespräsidenten weitgehend Konsens. Obwohl es den einzelnen Parteien derzeit schwerfalle, sich gegenseitig zu vertrauen, äußerte Van der Bellen die Hoffnung, dass sie die neue Regierung in den nächsten Monaten dennoch so weit wie möglich unterstützen.

Verfassungsjurist Öhlinger zur Übergangsregierung

Der Verfassungsjurist Theo Öhlinger erklärt, wie rasch die neue Kanzlerin angelobt werden kann und was bei der Suche nach Übergangsministern beachtet werden muss.

Van der Bellen nannte die Bildung einer „Vertrauensregierung“ als sein Ziel. Wie lange Bierlein für die Bildung einer Regierung brauchen wird, war am Donnerstag noch unklar. In Medien wird darüber spekuliert, dass Anfang nächster Woche das vollständige Kabinett präsentiert werden könnte. Die neue Bundesregierung soll laut Van der Bellen so lange im Amt bleiben, bis es nach der Nationalratswahl im Herbst eine neue Bundesregierung gibt.

Bierleins Stellvertreter übernimmt bei VfGH

Die 1949 in Wien geborene Juristin Bierlein blickt auf eine steile Karriere zurück. Nach der Ablegung der Richterprüfung im Jahr 1975 war sie zunächst Richterin am Bezirksgericht Innere Stadt und am Strafbezirksgericht Wien, ab 1977 dann Staatsanwältin. 1986 folgten der Wechsel in die Oberstaatsanwaltschaft Wien und 1987 der Wechsel in die Strafrechtssektion im Justizministerium.

Es folgte eine neuerliche Zwischenstation als Oberstaatsanwältin, 1990 wurde Bierlein die erste weibliche Generalanwältin in der Generalprokuratur. 2003 wurde Bierlein zunächst zur ersten Vizepräsidentin und im Vorjahr zur ersten Präsidentin des VfGH ernannt. Am Donnerstag folgte nun die Bestellung zur Regierungschefin. Der VfGH-Chefposten geht interimistisch an Bierleins bisherigen Stellvertreter Christoph Grabenwarter.