Schüler lernen gemeinsam in einem Klassenzimmer
Getty Images/Matthias Tunger
Schule besser machen

Mehr Chancen mit Hilfe von außen

Schulen brauchen mehr Unterstützung, heißt es oft. Das Problem: Häufig fehlen die finanziellen Mittel. Unterstützung kann aber auch von außerhalb des Schulsystems kommen, von NGOs, Vereinen und Ehrenamtlichen etwa. Und selbst wenn es gegenüber schulfremden Personen anfangs manchmal eine gewisse Skepsis gibt – vieles spricht dafür, sie in die Schulen zu lassen.

„Frischen Wind“ – diese Antwort hört Gebhard Ottacher von Lehrern und Schulleiterinnen am öftesten auf die Frage, was Teach For Austria den Schulen bringt. Seit 2012 bildet die Initiative, deren Geschäftsführer Ottacher ist, Quereinsteigende für den Unterricht mit Schülerinnen und Schülern aus, die ein hohes Risiko für einen frühen Ausbildungsabbruch haben.

Ottacher bezeichnet die Fellows, wie die meist jungen Leute genannt werden, im Gespräch mit ORF.at als Impulsgeber, die den Lernalltag bereichern: Ein Fellow, der einen Abschluss in Theater- und Medienwissenschaften und Kontakte in die Szene hat, organisiert Lehrausgänge ins Theater. Und mit einem Fellow, der früher in einem Betrieb gearbeitet hat, eröffnen sich neue Einsatzmöglichkeiten für schulpraktische Tage.

Durch ihr spezifisches Training für den Einsatz an Neuen Mittelschulen (NMS) und Polytechnischen Schulen in städtischen Ballungsräumen steht bei den Fellows zudem das Thema Bildungsgerechtigkeit im Fokus: „Sie haben das Ziel, allen Kindern einen weiterführenden Bildungsweg zu ermöglichen.“

Bildungschancen sind ungleich verteilt

Ob ein Kind in Österreich gute Chancen für einen erfolgreichen Bildungsweg hat, hängt oft weniger von seinen Potenzialen als vom Einkommen und der Bildung der Eltern ab. Damit alle Kinder die gleichen Chancen haben, muss die Schule unterschiedliche Startbedingungen ausgleichen. Wie zahlreiche Studien zeigen, gelingt das in Österreich nur selten.

Schulen, in die überdurchschnittlich viele Kinder gehen, die mit schlechteren Startbedingungen als andere in die Bildungslaufbahn gestartet sind, sind besonders gefordert.

Pädagogen von „Teach for Austria“ mit Schülern, die beschriebene Zettel in die Höhe halten
Teach For Austria/David Blacher
Seit sieben Jahren werden Teach-For-Austria-Fellows an Schulen in Wien, Linz, St. Pölten und anderen Städten eingesetzt

Wie Teach For Austria setzt sich auch das Projekt „Interkulturelles Mentoring für Schulen“ für gerechtere Bildungschancen ein: Mentoren und Mentorinnen kommen an Schulen, um Kinder und Jugendliche zu begleiten, die einen ähnlichen sprachlich-kulturellen Hintergrund wie sie selbst haben. Sie unterstützen beim Deutscherwerb und beim Lernen, sind für ihre jeweiligen Schützlinge da und helfen, wo sie gebraucht werden.

„Wie eine große Schwester oder ein großer Bruder“

„Die Schülerinnen und Schüler erfahren es als Wertschätzung, dass jemand ,speziell für sie‘ kommt und sich Zeit für sie nimmt – wie eine große Schwester oder ein großer Bruder. Weil die Mentorinnen und Mentoren nicht leistungsgebunden arbeiten müssen, können sie sich den Kindern ganz anders widmen“, so die Leiterin des Projekts, Susanne Binder, gegenüber ORF.at. Ein weiterer Vorteil der externen Unterstützung sei die Entlastung der Lehrenden. Diese seien zudem interessiert an der Sichtweise der Mentorinnen und Mentoren in Bezug auf interkulturelle Fragestellungen.

Mit den Kindern und Jugendlichen teilen die Mentorinnen und Mentoren, die entweder studieren oder bereits einen Uniabschluss haben, nicht nur Migrations- oder Fluchterfahrung, sondern auch Erlebnisse im österreichischen Schulsystem. Das Projekt wird zurzeit an Volksschulen und NMS in Wien und St. Pölten angeboten.

Vieles muss beachtet werden

Um überhaupt einen Fuß ins Schultor zu bekommen, müssen allerdings erst die Schulbehörden vom Konzept überzeugt werden. Darüber, wer an öffentlichen Schulen mit Kindern und Jugendlichen arbeiten darf, gebe es eine enge Abstimmung zwischen dem Schulqualitätsmanagement der Bildungsdirektion und den einzelnen Schulstandorten, so die Bildungsdirektion Wien gegenüber ORF.at.

Dass die genaue Überprüfung der Konzepte von schulfremden Personen und Vereinen notwendig und sinnvoll ist, zeigte zuletzt die Causa TeenSTAR. Ende vergangenen Jahres waren Schulungsmaterialien des christlich-konservativen Vereins öffentlich geworden, in denen unter anderem Homosexualität als heilbares Identitätsproblem und Selbstbefriedigung als schädlich dargestellt wurden.

In Oberösterreich, wo etwa Teach For Austria im Einsatz ist, heißt es aus der Bildungsdirektion, zahlreiche Kriterien müssten berücksichtigt werden: von der Übereinstimmung mit den didaktischen Zielsetzungen über die sachliche Richtigkeit des Inhaltes. Von der Berücksichtigung der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler bis zur Berücksichtigung des Indoktrinationsverbots, nach dem Lehrkräfte zum vorurteilsfreien Unterricht verpflichtet sind.

Internationale Best-Practice-Beispiele

„Wenn es Bedarf an Schulen gibt, gibt es auch einen Weg zur Zusammenarbeit“, ist Johanna Pisecky überzeugt. Sie ist Leiterin von SESAM, einem Projekt der Diakonie, bei dem ganz die Eltern im Mittelpunkt stehen. Zahlreiche Studien würden belegen, dass Lernerfolg durch intensive Elternarbeit gefördert wird. Und durch frühzeitige Begleitung könne vielem vorgebeugt werden. SESAM startete im März und ist bisher an zwei öffentlichen Volksschulen in Wien aktiv. Der Fokus liegt auf dem Übergang vom Kindergarten in die Volksschule.

„Der Schuleintritt ist schön und aufregend, bedeutet aber für die ganze Familie eine große Umstellung. Es gibt zu wenig Begleitung für jene, die Unterstützung brauchen, sich in diesem neuen Alltag gut zurechtzufinden“, so Pisecky im Gespräch mit ORF.at. Um die Schulbehörden vom Projekt zu überzeugen, habe man von internationalen Beispielen erzählt. So ist intensive Elternarbeit etwa in New York eine wichtige Strategie, mit der die Stadt Schulen unterstützt, die vor besonders großen Herausforderungen stehen. Dass hinter SESAM eine bekannte NGO steht, habe „sicher auch geholfen“.

„Eine gewisse Skepsis ist völlig klar“

Mit einem Blick über die Grenzen konnte auch Teach For Austria überzeugen. „Das Konzept gab es ja schon in anderen Ländern“, erzählt Ottacher. „Wir haben damals die Stadtschulratspräsidentin Susanne Brandsteidl nach London mitgenommen, damit sie dort in einer Schule selbst anschauen kann, wie das Konzept funktioniert.“ Dass anfangs „eine gewisse Skepsis“ da ist, sei völlig klar: „Solange etwas nur auf dem Papier existiert, ist der Schutzmechanismus von Behörden verständlich.“

Im ersten Jahr in einem neuen Bundesland laufe es „immer etwas holprig“, so Ottacher: „Die Arbeitsbeziehung und das Vertrauen müssen sich erst aufbauen.“ In Wien, Niederösterreich und Oberösterreich, wo Teach For Austria bisher aktiv ist, funktioniere die Zusammenarbeit mit den Schulen und den Schulbehörden mittlerweile sehr gut. Als Nächstes möchte Teach For Austria an Grazer Schulen starten, so der Plan. Und ab Herbst gehen Fellows erstmals auch in Kindergärten.

Willkommene Ergänzung oder dringend notwendig?

Doch wie sehr sind öffentliche Schulen auf Unterstützung von außerhalb des Schulsystems angewiesen? Sind Angebote wie Teach For Austria, Interkulturelles Mentoring, SESAM sowie ehrenamtliche Lesepatinnen und -paten eine willkommene Ergänzung oder dringend notwendig?

„Selbstverständlich kommt Schule auch ohne externe Unterstützung aus“, meint Binder, „aber es macht den Schulalltag leichter, wenn zusätzliche Ressourcen genutzt werden.“ Die kulturell-sprachliche Vielfalt der Gesellschaft könne derzeit zudem fast nur über Außenkontakte wie eben das Projekt „Interkulturelles Mentoring“ in die Schulen geholt werden – denn der Lehrkörper sei in Bezug auf Mehrsprachigkeit und Migrationserfahrung meist nur wenig divers.

Als „ganz dringende Unterstützung“ sieht Pisecky Angebote wie SESAM. Die Herausforderungen seien bekannt, etwa auch im Hinblick auf Gewalt in Schulen, dennoch werde für Prävention zu wenig getan. Begleitung von Familien brauche es aber schon in der Volksschule, denn „wenn der Hut erst einmal brennt, ist es schwierig, alle Schritte, die notwendig sind, wieder zurückzugehen“.

„Das Schulsystem hat es auch ohne uns gegeben“

Unterstützung von außen könne „nur als zusätzliches Angebot, als Bereicherung“ dienen, heißt es aus der Bildungsdirektion Oberösterreich, denn guter Unterricht könne nicht davon abhängig gemacht werden, ob externe Angebote zur Verfügung stehen. Auch der Wiener Bildungsdirektor Heinrich Himmer betont, dass es Aufgabe der öffentlichen Hand sei, „den Schulen jene Ressourcen zur Verfügung zu stellen, die sie brauchen.“

Er mache aber „kein Hehl daraus, dass unsere Schulen manchmal mehr Unterstützung, mehr Ressourcen und mehr Lehrkräfte bräuchten“. Und selbst wenn es genug Ressourcen gebe, würde er nicht auf die Unterstützung von ehrenamtlichen Helfern verzichten wollen, so Himmer. Denn diese produzierten zusätzlich zu ihrer konkreten Arbeit „einen weit darüber hinausgehenden sozialen und gesellschaftlichen Mehrwert“.

Teach-For-Austria-Geschäftsführer Ottacher sieht es pragmatisch: „Das Schulsystem hat es ohne uns gegeben und wird es auch ohne uns geben.“ Teach For Austria wolle dazu beitragen, „dass es noch besser funktioniert“. Und das sei immer ein Teamergebnis: „Eine Zusammenarbeit von Lehrern, Schulleitern, Fellows, und anderen Unterstützern wie zum Beispiel Lesepaten.“ Schließlich gehe es darum, gemeinsam etwas für die Kinder zu erreichen.