Deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen
APA/AFP/Frederick Florin
Von der Leyen im EU-Parlament

Erster Auftritt nach Nominierung

Die auf dem EU-Gipfel als neue Kommissionschefin nominierte deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hat am Mittwoch in Straßburg erstmals vor dem Europäischen Parlament gesprochen. Dieses entscheidet voraussichtlich am 15. Juli, ob sie nach Jean-Claude Juncker tatsächlich die neue Kommissionspräsidentin wird.

Sie diskutierte in Straßburg mit den Fraktionsmitgliedern der christdemokratischen EVP, deren Vorsitzender Manfred Weber (CSU) sie eingeladen hatte. In ihrer Rede würdigte sie die Bedeutung des Europäischen Parlaments. „Mir war es sehr wichtig, nachdem diese Nominierung erfolgt ist, dass ich sofort als Allererstes hier nach Straßburg gekommen bin, um das Parlament zu treffen, mit den Abgeordneten zu sprechen“, sagte sie im Straßburger Plenarsaal.

Von der Leyen äußerte sich bei ihrem ersten öffentlichen Auftritt seit der Nominierung zuerst auf Englisch, dann auf Deutsch. Sie sei überwältigt, dankbar und fühle sich sehr geehrt durch die Nominierung beim EU-Gipfel. „Hier im Europäischen Parlament schlägt das Herz der europäischen Demokratie, und deshalb ist es so wichtig, sofort den Dialog aufzunehmen.“

„Es geht um viel“

In den kommenden zwei Wochen wolle sie intensive Gespräche mit den Fraktionen und Gruppen führen und viel zuhören. Danach wolle sie vor dem Parlament ihre Vision für die EU für die kommenden fünf Jahre vorstellen. „Mir ist wichtig, dass ich viel zuhöre, viel mitnehme, damit ich in 14 Tagen vor dem Parlament meine Vision für die Europäische Union in den nächsten fünf Jahren darlegen kann“, wie von der Leyen dazu sagte. Beruhen solle ihre Vision dabei auf „einem sicheren, tragfesten Fundament, das gestrickt ist aus dem Trilog zwischen Rat, Kommission und Parlament“.

Erklärtes Ziel sei es, hier die unterschiedlichen Positionen zusammenzuführen, so von der Leyen, die dazu noch sagte: „Es geht um viel, es geht um die Zukunft unseres Europas.“ Auch wenn alle einen schwierigen Wahlkampf hinter sich hätten, sei es nach den Worten von von der Leyen nun „ganz entscheidend, Einigkeit zu zeigen“.

„Hallo Europa! Hello Europe! Salut l’Europe!“

Am Anfang der am Tag nach der überraschenden Nominierung gestarteten Charmeoffensive steht unterdessen mit „Hallo Europa! Hello Europe! Salut l’Europe“ auch einer erster Eintrag auf von der Leyens neu eingerichteten Twitter-Kontos.

Für einige Beobachter steht indes außer Frage: Von der Leyen muss jetzt schnell dafür sorgen, dass sie im EU-Parlament in zwei Wochen auch eine Mehrheit bekommt. „Es gibt das Risiko, dass von der Leyen im Parlament nicht durchkommt“, sagte dazu der Brite Jonathan Faull, ein ehemaliger hochrangiger EU-Funktionär, der jetzt für die Beraterfirma Brunswick Group arbeitet. Denn viele im Parlament hatten gehofft, dass die Staats- und Regierungschefs dem Prinzip Rechnung tragen, dass nur einer der Spitzenkandidaten der Parteien bei der Europawahl Nachfolger von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker werden kann.

Die spanische Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten, Iratxe Garcia Perez, nannte die Gipfelentscheidung deshalb „zutiefst enttäuschend“. Die Grünen kritisierten eine „groteske“ Absprache, nachdem von den Mitgliedsstaaten erst der konservative Spitzenkandidat Manfred Weber und dann der Sozialdemokrat Frans Timmermans als nicht mehrheitsfähig aussortiert wurden.

Abstimmung wohl am 16. Juli

Von der Leyen bleibt nicht viel Zeit, um die Wogen zu glätten. Schon am 16. Juli soll das Parlament über ihre Ernennung zur Kommissionspräsidentin abstimmen. Sie braucht dann die Stimmen von mindestens 376 der 751 Abgeordneten im Parlament. „Die hat sie noch lange nicht“, meint der Grünen-Abgeordnete Sven Giegold.

Denn ohne Sozialdemokraten und Grüne wird es schwierig. Von der Leyens eigene konservative Europäische Volkspartei (EVP) kommt nur auf 182 Sitze, die Liberalen von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der von der Leyen beim Brüsseler Gipfel-Marathon vorgeschlagen haben soll, auf 108.

„Das Parlament ist eher ein Ort blinden Gehorsams“, sagt unterdessen ein namentlich nicht genannter langjähriger EU-Abgeordneter zur AFP, der davon ausgeht, dass von der Leyen am Ende eine Mehrheit haben wird: „Es schreit, aber am Ende macht es, was von ihm verlangt wird.“ „Ich gehe davon aus, dass es am Ende eine Mehrheit geben wird“, sagt auch Janis Emmanouilidis vom Brüsseler European Policy Center (EPC). Das werde von der Leyen aber auch etwas kosten. Derzeit versuche man im EU-Parlament allerdings noch „den Preis hochzudrücken“.