Blick über die Dächer in Innsbruck
Getty Images/Sergey Alimov
Hitze unterm Dach

Das große Schwitzen in der Traumwohnung

Die Sonne brennt herunter, die Temperaturen werden unerträglich: Im Sommer kann der Traum vom Leben in einer Dachgeschoßwohnung schnell zum Alptraum werden. Möglichkeiten, Abhilfe gegen das große Schwitzen zu schaffen, gibt es zwar – vieles hängt allerdings von Bauweise und Bausubstanz ab.

„Die Physik spielt beim Dachgeschoß- und Dachausbau eine besondere Rolle“, sagt Christian Pöhn vom „Kompetenzzentrum Bauforschung, Regulative Bau, Ingenieurservices, Normen“ in der Stadtbaudirektion der Stadt Wien. Hoch über den Dächern der Stadt ist man der Sonnen- und Wärmeeinstrahlung am stärksten ausgesetzt. Hinzu kommt laut Pöhn die „fehlende Verschattung“ durch andere Gebäude und dass bei „geneigten Dachflächen die Strahlungseinwirkung viel stärker als bei senkrecht stehenden Fenstern ist“.

Wer in eine Dachgeschoßwohnung zieht, tut das nicht zuletzt wegen des freien Blicks über die Stadt. Architektinnen und Architekten haben diesem Wunsch in ihren Planungen jahrelang Rechnung getragen. Zahlreiche Dachwohnungen wurden mit großen Fenstern und Glasfassaden ausgestattet. Sowohl im Sommer als auch im Winter, wenn es ums Heizen und nicht zuletzt ums Energiesparen geht, würden diese Glasflächen bei den Wohnungsbewohnerinnen und –bewohnern für konstante Unzufriedenheit sorgen, sagt Pöhn.

Steigender Bedarf an Wohnraum

Der Ausbau eines Dachbodens bzw. das Aufstocken eines Gebäudes sind teuer. Nicht zuletzt deswegen sind viele Dachgeschoßwohnungen im obersten Preissegment zu finden, unerschwinglich für Normalverdienerinnen und Normalverdiener. Auf der anderen Seite wird die verstärkte Nutzung der Dächer in der Bundeshauptstadt in Zukunft zur Notwendigkeit. Im Jahr 2050 werden laut Prognosen 2,1 Mio. Menschen in Wien leben. Mit Neubauten allein lässt sich der zusätzliche Bedarf an Wohnungen nicht decken. Der Wohnraum muss „verdichtet“ werden, wie es im Fachjargon heißt. Wesentlich dabei sind die Nutzung leer stehender Dachböden und die Errichtung zusätzlicher Wohnungen auf den Dächern.

Hausfassaden und -dächer
ORF.at/Christian Öser
Mit Neubauten alleine lässt sich der künftige Bedarf an Wohnraum in Wien nicht decken – auch nach oben muss gebaut werden

Herausforderung durch Klimakrise

Die Klimakrise stellt Architektinnen und Architekten beim Ausbau der Dächer vor besondere Aufgaben. Fachleute sind sich einig, dass Extremereignisse wie Hitzewellen in den kommenden Jahren häufiger werden. Hinzu kommen Herausforderungen wie die nicht wirklich optimale Bausubstanz bei vielen älteren Gebäuden. Nicht jedes Haus kann beliebig viel Last aufnehmen. In Wien mussten in den vergangenen Jahren mehrere Gründerzeithäuser zeitweise evakuiert werden, weil sie das Gewicht des ausgebauten Daches nicht mehr tragen konnten. „Häufig werden Dachausbauten deswegen in Leichtbauweise errichtet“, sagt Pöhn. Das bedeutet allerdings oftmals, dass weniger Masse da ist, „die es ermöglicht, Wärme zu speichern, in der Nacht abzulüften und dadurch tagsüber eine Zeit lang wieder eine kühlere Umgebung zu haben“.

Gebäude müssen grundsätzlich außen gedämmt werden, sagt Pöhn. Nur so kann das Dämmmaterial verhindern, dass Hitze eindringt und Wärme aus dem Innenraum hinausgeht. Im Innenraum steht dagegen die „Speicherfähigkeit“ im Vordergrund. Eine dicke Ziegelwand etwa kann Wärme aufnehmen, speichern und wieder abgeben. „Im Sommer bedeutet das, dass sich die Wohnung nicht sofort stark aufheizt“, sagt Pöhn, „und im Winter geht mir nicht gleich die ganze Wärme verloren, wenn ich lüfte.“ Wände mit hoher „Speicherwirksamkeit“ sollten – so es sich einrichten lässt – daher nicht mit großen Kleiderkästen zugestellt werden, so Pöhn.

Richtig lüften

Den positiven Effekt kann man sich freilich auch mit „falschem“ Durchlüften ruinieren. „Die Fenster sollte man nur öffnen, wenn es draußen kühler ist als drinnen, sprich nachts“, sagt Pöhn. „Ist es draußen wärmer als drinnen, sind die Fenster zu schließen.“ Wenn die Sonne scheint, sollten die Jalousien bzw. Rollos hinuntergezogen werden – auch dann, wenn die Strahlung nicht direkt auf die Scheibe trifft. Das „Optimum“ sei es, wenn in der Wohnung die Möglichkeit zum Querlüften bestehe, sagt Pöhn.

Die Praxis, das Fenster ab der Früh den ganzen Tag über ein Spalt offen zu lassen, hält Pöhn für „das Ungeschickteste, das man machen kann“, da die heiße Luft den über Nacht erzielten Speichereffekt zunichtemache. Klimaanlagen und Klimageräte sollten das allerletzte Mittel sein: „Kühlung gehört dorthin, wo die Anzahl von Menschen so groß ist, dass sie so viel Wärme abgegeben, dass es nicht ein Sonnenproblem, sondern ein Menschenproblem ist“, sagt Pöhn.

Das berüchtigte „Barackenklima“

In Wien gibt es seit den 1980er Jahren Vorschriften, die regeln, wie Wohnungen vor sommerlicher Überwärmung geschützt werden müssen. Manche Dachgeschoßwohnungen wurden bereits vor Inkrafttreten der Regelungen errichtet. Diese älteren Konstruktionen verfügen oftmals nur über dünne Bitumen- oder Blechdächer ohne Wärmedämmung. An heißen Sommertagen bedeutet das, dass die Temperaturen innerhalb des Daches jenen außerhalb rasch folgen – und so zur Entstehung des berüchtigten „Barackenklimas“ beitragen.

Blick über die Dächer in Wien
ORF.at/Christian Öser

Zudem verfügen viele ältere Dachausbauten über keine schattenspendenden Außenrollos bzw. Rollläden. Die Einrichtung dieser „Abschattungseinrichtungen“ sei früher oft daran gescheitert, dass man das Thema „Windanfälligkeit von Jalousien in den Vordergrund gerückt hat“, sagt Pöhn. Kommen all diese Faktoren zusammen, hilft auch richtiges Lüften nur eingeschränkt.

Die geschicktere Variante

Wo eine Nachrüstung möglich ist und sich diese nicht mit dem Stadtbild- und Ensembleschutz schlägt, empfiehlt Pöhn Rollläden. Diese seien günstiger als Jalousien und garantierten sowohl Sturm- als auch Einbruchssicherheit. Dass sich Diebe auch im Dachgeschoß über Fenster Zugang in die Wohnung verschaffen, kommt laut Pöhn öfter vor, als man denkt.

„Nur weil etwas schlecht geplant ist, heißt es nicht, dass es nicht funktionieren kann“, sagt Pöhn. Habe man etwa eine extrem große Glasfläche, lohne es sich, während Hitzewellen die Jalousien geschlossen zu halten. Im Dachgeschoß „ist das vielleicht die Nichtausnutzung eines architektonischen Vorteils. Aber an ein paar Tagen im Jahr die geschicktere Variante.“ Hitzeschutz sticht in diesem Fall Aussicht.