Medien: Hongkongs Regierung zieht umstrittenes Gesetz zurück

Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam wird einem Medienbericht zufolge noch heute die formelle Rücknahme des umstrittenen Auslieferungsgesetzes ankündigen. Das berichtete die „South China Morning Post“ unter Berufung auf nicht näher bezeichnete Informanten, andere örtliche Medien meldeten das ebenfalls.

Lam würde damit nach monatelangen Protesten eine zentrale Forderung der Demonstranten und Demonstrantinnen in der chinesischen Sonderverwaltungszone erfüllen. Bisher hatte sie den Gesetzesentwurf, der die Auslieferung beschuldigter Hongkonger an die Volksrepublik China erlaubt, auf Druck der Demonstranten lediglich auf Eis gelegt.

An dem Gesetzesentwurf hatten sich die Proteste der Demokratiebewegung vor rund drei Monaten entzündet. Seit Mitte Juni weiteten sie sich stetig aus. Mittlerweile fordern die Demonstranten den Rücktritt Lams, der sie zu große Nähe zur Führung in Peking vorwerfen.

Der früheren britischen Kronkolonie Hongkong wurden nach der Übergabe an China 1997 besondere Rechte wie das der freien Meinungsäußerung eingeräumt. Diese Rechte sehen die Regierungskritiker nun gefährdet.

Neue Zusammenstöße bei Protesten

Indes gab es neue Zusammenstöße zwischen Polizei und Protestierenden. Die Bereitschaftspolizei habe den Platz vor der Polizeiwache Mong Kok und die Metrostation Prince Edward von Demonstranten geräumt, berichtete der staatlich finanzierte Sender RTHK heute. Ein Mensch sei mit einer Sauerstoffmaske über dem Gesicht auf einer Liege weggetragen worden. Die Polizei habe Pfefferspray eingesetzt.

Protestanführer schreibt Brief an Merkel

In einem offenen Brief an die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel bittet der Anführer der Proteste in Hongkong, Joshua Wong, indes um Beistand. „Frau Bundeskanzlerin Merkel, Sie sind in der DDR aufgewachsen. Sie haben Erfahrungen aus erster Hand über den Schrecken einer diktatorischen Regierung gemacht,“ zitierte die „Bild“-Zeitung gestern Abend vorab aus einem Schreiben Wongs und weiterer Aktivisten.

Aktivist Joshua Wong
Reuters/Joan Huang

„Die Deutschen haben im Kampf gegen den Autoritarismus während der 80er Jahre mutig an vorderster Front gestanden. Wie die gewaltfreien Demonstranten der Montagsdemos bringen wir unser Anliegen in die breite Öffentlichkeit und plädieren für demokratische Prinzipien“, so Wong.

Wong fordert Merkel zu Unterstützung auf

Wong forderte die deutsche Kanzlerin und Deutschland auf, den Demonstranten beizustehen. „Wir wünschen uns, dass Sie den Mut und die Entschlossenheit gegen autoritäre Unrechtsregime zeigen, der Deutschland und Europa vor dem Ende des Kalten Krieges inspiriert hat und den Europa heute zeigt“, zitiert das Blatt aus dem Brief. „Deutschland sollte zudem auf der Hut sein, mit China Geschäfte zu machen, da China das internationale Völkerrecht nicht einhält und wiederholt seine Versprechen gebrochen hat.“

Geleakte Tonaufnahme zeigt Dilemma von Lam

Eine tags zuvor geleakte Tonaufnahme zeigt unterdessen das Dilemma Lam, den seit drei Monaten anhaltenden Konflikt mit den Zehntausenden Demonstrierenden zu lösen. Deutlich wird darin, wie gering offenbar der von Peking akzeptierte Handlungsspielraum von Lam ist. Von Peking hieß es, Lam habe volle Unterstützung.

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