Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenski und sein amerikanischer Amtskollege Donald Trump schütteln die Hände
Reuters/Jonathan Ernst
Belastendes Protokoll

Ukraine verteidigt angezählten Trump

US-Präsident Donald Trump hat in einem Telefongespräch mit seinem ukrainischen Amtskollegen Wolodymyr Selenski Ermittlungen angeregt, die seinem politischen Rivalen Joe Biden schaden könnten. Selenski bezeichnete das Telefonat als „normal“: „Niemand hat Druck auf mich ausgeübt.“ Der Druck auf Trump indessen ist immens – ein Amtsenthebungsverfahren steht im Raum.

„Was auch immer Sie mit dem Justizminister (William Barr, Anm.) tun könnten, wäre toll“, sagte Trump laut einem am Mittwoch vom Weißen Haus veröffentlichten Gesprächsprotokoll des Telefonats vom 25. Juli. Bei Trumps Erwähnung von Biden geht es um frühere Geschäfte von dessen Sohn Hunter in der Ukraine. Trump wirft dem ehemaligen Vizepräsidenten vor, seinen Sohn vor Korruptionsermittlungen geschützt zu haben, indem er die Entlassung eines ukrainischen Staatsanwalts veranlasste. Biden weist die Vorwürfe als gegenstandslos zurück.

Mitten in der Aufregung um das Bestreben der Demokraten, ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten auf den Weg zu bringen, kamen Selenski und Trump in New York am Rande der UNO-Vollversammlung zusammen. „Ich denke, (…) dass mich niemand gedrängt hat“, sagte Selenski. „Es war ein gutes Gespräch, es war normal“, und viele Themen seien besprochen worden, sagte er. Als Seitenhieb auf das Telefonat fügte er in scherzhaftem Tonfall hinzu: „Es ist besser, im Fernsehen zu sein als am Telefon.“

Trump: Vorwürfe ein „Witz“

Viele Demokraten sehen durch das nun veröffentlichte Gesprächsprotokoll erwiesen, dass Trump mit Hilfe einer ausländischen Regierung seinem Rivalen Biden schaden und damit den Wahlkampf beeinflussen wollte. Das Weiße Haus veröffentlichte ein Gesprächsprotokoll, aber keine wortwörtliche Wiedergabe der Unterredung, wie es in dem Dokument hieß. Der Kongress hat noch weitere von der Regierung zurückgehaltene Dokumente zu dem Themenkomplex angefordert.

Trump sagte indessen, die von den Demokraten angeführte Begründung für ein mögliches Amtsenthebungsverfahren sei ein „Witz“. „Und dafür eine Amtsenthebung?“ Trump sagte zu, die interne Beschwerde eines US-Geheimdienstmitarbeiters offenzulegen, der die Affäre ins Rollen gebracht hatte. Er habe den Abgeordneten des Repräsentantenhauses mitgeteilt, dass er im Umgang mit dem Dokument „Transparenz“ befürworte, auch wenn es sich „vermutlich um Informationen aus zweiter Hand“ handle.

Whistleblower-Beschwerde offenbar freigegeben

Der anonyme Informant hatte sich alarmiert über ein Telefonat Trumps mit Selenski gezeigt. Die Beschwerde des US-Geheimdienstmitarbeiters ist offenbar freigegeben. Laut einem Bericht von CNN wurde am späten Mittwochabend (Ortszeit) die amtliche Geheimhaltung des Dokuments aufgehoben. Der Bericht könnte demnach bereits am Donnerstag veröffentlicht werden. Mitglieder des Geheimdienstausschusses im Senat, die bereits Einblick in die Beschwerde bekamen, bezeichneten den Inhalt als „beunruhigend“. Neben dem Telefonat zwischen Trump und Selenski soll sie noch weitere belastende Elemente enthalten.

Der Hauptvorwurf gegen den US-Präsidenten, er habe die Freigabe von Militärhilfen an die Ukraine an die Lieferung von belastendem Material über Biden geknüpft, wird in dem bereits vorliegenden Gesprächsprotokoll nicht belegt. Trump erwähnte mehrfach, dass die USA sehr viel für die Ukraine tun würden, die Hilfsgelder für das ukrainische Militär wurden dem Protokoll zufolge in dem Gespräch aber nicht erwähnt. Trump übte in dem Telefonat der Mitschrift zufolge auch Kritik an Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel. Diese tue „nichts“ für die Ukraine.

Nancy Pelosi
AP/Andrew Harnik
Die demokratische Abgeordnete Nancy Pelosi kündigte am Dienstag eine Amtsenthebungsuntersuchung gegen Trump an

Pelosi zu Verfahren bereit

Die Veröffentlichung des Gesprächsprotokolls war mit Spannung erwartet worden. Die Demokraten werfen Trump wegen des Umgangs mit der Ukraine Verfassungsbruch vor. Die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, hatte am Dienstag angekündigt, formal erste Schritte für ein mögliches Amtsenthebungsverfahren gegen Trump einzuleiten. „Sie hat sich verrannt“, sagte Trump in New York. Pelosi werde dominiert von der radikalen Linken in der Demokratischen Partei.

Der Machtkampf zwischen Trump und den US-Demokraten hat damit eine neue Dimension erreicht. Biden warf Trump Machtmissbrauch vor. Es sei eine Tragödie für das Land, dass der Präsident persönliche politische Belange vor seinen Amtseid stelle, erklärte Biden. „Es ist ein Affront gegen jeden einzelnen Amerikaner und die Grundwerte unseres Landes.“

Der Minderheitsführer der Demokraten im Senat, Chuck Schumer, erklärte, mit der Veröffentlichung von nur einem Gesprächsprotokoll seien die Vorwürfe nicht ausgeräumt. Der Chef des Geheimdienstausschusses im Repräsentantenhaus, Adam Schiff, bezeichnete das Protokoll als Beweis dafür, dass Trump den Ukrainer „mafiamäßig erpresst“ habe.

Hannelore Veit (ORF) zum möglichen Amtsenthebungsverfahren

Die USA-Korrespondentin kommentiert in Washington DC die Hintergründe und Erfolgschancen des Amtsenthebungsverfahren gegen US-Präsident Trump.

Bisher gibt es keinen genauen Zeitplan für das von den Demokraten angestrebte Amtsenthebungsverfahren. Nach Untersuchungen und der Identifizierung von Anklagepunkten gegen Trump könnte ein Impeachment mit der Mehrheit der Demokraten im Repräsentantenhaus angestrengt werden. Nötig wären dafür mindestens 218 Stimmen in der Kammer, in der die Demokraten eine Mehrheit von 235 der 435 Sitze haben. Nach Angaben des Senders CNN haben sich inzwischen rund 200 demokratische Abgeordnete für das Verfahren ausgesprochen.

Die Entscheidung über eine tatsächliche Amtsenthebung fiele aber im Senat, wo Trumps Republikaner die Mehrheit haben. Die Aussichten auf Erfolg eines solchen Verfahrens sind daher gering. Bisher wurde noch kein US-Präsident durch ein Impeachment-Verfahren des Amtes enthoben.

Von Impeachment überschattete Wahl

Abseits davon, dass es kaum eine Mehrheit für ein Impeachment geben wird, verwiesen US-Medien auch auf mögliche Auswirkungen auf die Demokraten. Die Amtsenthebungsuntersuchung könnte mit Blick auf die laufende Kandidatenfindung für die US-Wahl 2020 nun etwa wichtige inhaltliche Fragen in den Schatten stellen. Nicht zuletzt sei fraglich, ob es bei einem Amtsenthebungsverfahren, sofern ein solches überhaupt eingeleitet werde, bereits bis zur Wahl 2020 ein Ergebnis gebe.

Der nun von den Demokraten gesetzte Schritt sei allein aus diesem Grund „so historisch wie gefährlich“, sagte dazu der einstige Berater von Ex-Präsident Barack Obama, David Axelrod, laut CNN. Der genannte Hintergrund: Die Demokraten könnten bei der Wahl abgestraft werden und dabei auch die Mehrheit im Abgeordnetenhaus wieder verlieren.