ÖVP-Chef Sebastian Kurz und Bundessprecher der Grünen Werner Kogler
APA/Georg Hochmuth
Koalitionsverhandlungen

ÖVP und Grüne sehen überwindbare Hürden

Zweieinhalb Stunden lang hat das Vieraugengespräch zwischen ÖVP-Chef Sebastian Kurz und dem Grünen Vorsitzenden Werner Kogler am Dienstagnachmittag gedauert, dann sind die beiden erstmals seit der Wahl gemeinsam vor die Medien getreten – gewissermaßen als Startschuss für die offiziellen Koalitionsverhandlungen.

Sechs verschiedene Hauptgruppen haben ÖVP und Grüne aufgestellt, darunter werden etliche Fachgruppen gebildet. Gesamt werden so von jeder Partei rund 50 Verhandlerinnen und Verhandler involviert sein. Einige davon werden sich bereits am Mittwoch am Rande des Plenums des Nationalrats absprechen.

Wie viel Zeit die Gruppen haben werden, ließ der ÖVP-Chef offen – eine entsprechende Vorgabe gebe es nur „in den Köpfen“. Allerdings wollen die beiden der Öffentlichkeit gelegentlich Einblick in den Verlauf der Gespräche geben. Er habe jedenfalls „keine Sorge, dass wir zu wenig Kontakt haben werden“, sagte Kurz.

Sebastian Kurz und Werner Kogler zum Start der Koalitionsverhandlungen

Sebastian Kurz (ÖVP) und Werner Kogler (Die Grünen) sprechen über die abgeschlossenen Sondierungen und den Beginn der Koalitionsverhandlungen.

Kunst der Kompromissfindung

Was die Erfolgschancen der Verhandlungen angeht, zeigte sich Kogler etwas optimistischer: Die „Vermessung“ in den Sondierungen habe ergeben, dass die Positionen in einzelnen Bereichen leichter und in anderen schwerer kompatibel seien, in keinem Feld aber unüberbrückbar erschienen. So gebe es kein Gebiet, wo es „nicht irgendeine Art der Überschneidung geben würde“. Die große Kunst werde darin bestehen, wie man insgesamt einen Kompromiss finde. Das Risiko eines Scheiterns sei aber da.

Kurz, der einmal mehr hervorhob, dass die FPÖ klar signalisiert habe, nicht für Verhandlungen zur Verfügung zu stehen, war noch etwas vager. In der Sondierungsphase habe er das Gefühl gehabt, dass wechselseitig mit Respekt für die Anliegen des anderen in die Gespräche gegangen worden sei. Der Austausch habe „sehr respektvoll“ stattgefunden. Letztlich werde man aber erst am Ende sehen, „ob sich zwei sehr unterschiedliche Parteien auf ein Regierungsprogramm einigen können“.

Gernot Blümel (ÖVP) zum Auftakt der Koalitionsgespräche

Zum Auftakt der Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP und Grünen ist ÖVP-Koalitionsverhandler Gernot Blümel zu Gast in der ZIB2. Blümel ist Teil der Steuerungsgruppe der ÖVP.

Ähnlich äußerte sich Wiens ÖVP-Landesparteiobmann Gernot Blümel in der ZIB2: Der erste wesentliche Schritt zur Zusammenarbeit sei genommen, man werde nun die Themen sukzessive abarbeiten. Aber auch er erinnerte daran: „Inhaltlich gibt es doch sehr große Unterschiede.“ Letztlich sei aber „keine Koalition wie die andere“, was zähle, sei der „Wille zum Gestalten“. So leicht wie mit der FPÖ würden die Gespräche freilich nicht, die „großen Überschneidungen“ von damals gebe es diesmal nicht.

Verhandlungsteams stehen

Untertags wurden bereits die Teams der ÖVP und der Grünen für die Koalitionsverhandlungen bekanntgegeben. Die Steuerungsgruppen bleiben bei beiden Parteien die sechsköpfigen Sondierungsteams mit Kurz und Kogler an der Spitze. Für sechs weitere Gruppen wurde pro Partei ein Verantwortlicher genannt.

Grafik zeigt Verhandlugnsteams der ÖVP und der Grünen
Grafik: APA/ORF.at; Bilder: APA

Die Themen, die in den Koalitionsverhandlungen ab jetzt durchgenommen werden, haben die Parteien in sechs Gruppen eingeteilt. Die erste nennt sich „Staat, Gesellschaft und Transparenz“ und wird aufseiten der Volkspartei von Wolfgang Sobotka, aufseiten der Grünen von Alma Zadic geleitet. Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer (ÖVP) und der Budgetexperte Josef Meichenitsch (Grüne) matchen sich im Bereich „Wirtschaft und Finanzen“.

Thomas Langpaul (ORF) über den Start der Koalitionsgespräche

ORF-Redakteur Thomas Langpaul berichtet vom Ort der Koalitionsgespräche, dem Winterpalais in der Wiener Innenstadt.

Die ÖVP-Ex-Umweltministerin Elisabeth Köstinger verhandelt mit der Ökoexpertin Leonore Gewessler den Themenblock „Klimaschutz, Umwelt, Infrastruktur und Landwirtschaft“. In der Gruppe „Europa, Migration, Integration, Sicherheit“ stehen einander ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer und der grüne Landesrat Rudolf Anschober gegenüber.

Um „Soziale Sicherheit, neue Gerechtigkeit und Armutsbekämpfung“ kümmern sich für die ÖVP Klubobmann August Wöginger und für die Grünen die Wiener Landesparteichefin Birgit Hebein. Ex-Ministerin Margarete Schramböck und die Grüne Sigrid Maurer verhandeln den Bereich „Bildung, Wissenschaft, Forschung und Digitalisierung“.

Grafik zeigt Verhandlugnsteams der ÖVP und der Grünen
Grafik: APA/ORF.at; Bilder: APA

Die Steuerungsgruppen in den Regierungsverhandlungen entsprechen den sechsköpfigen Sondierungsteams. Bei der ÖVP umfasst diese Steuerungsgruppe Kurz, dessen Berater Stefan Steiner, Köstinger, Schramböck, Landesparteiobmann Gernot Blümel und Wöginger. Bei den Grünen besteht die Steuerungsgruppe aus Parteichef Kogler, Hebein, Gewessler, Anschober, Zadic und Meichenitsch. Wann die Verhandlungen der Teams starten, ist noch nicht bekannt.

Kurz: Grüne politisch berechenbarer als SPÖ

Am Montag hatte Kurz in Interviews mit dem ORF und österreichischen Tageszeitungen begründet, warum er mit den Grünen in Koalitionsverhandlungen getreten ist. „Wenn ich eine stabile Regierung will, sind die Grünen politisch berechenbarer als die SPÖ“, so Kurz im „Kurier“ (Dienstag-Ausgabe). Es sei in der Tat so, dass die Situation in der SPÖ unübersichtlich sei, „dass man nicht weiß, wohin dort die Reise geht, wer sich dort am Ende durchsetzen wird“, so Kurz. „Wir als ÖVP sind bei der Wahl gestärkt worden, aber wir haben keine absolute Mehrheit. Wir brauchen einen Koalitionspartner“, so Kurz.

Interview mit ÖVP-Obmann Sebastian Kurz

ÖVP-Parteiobmann Sebastian Kurz in der Langfassung des Interviews mit ORF2-Chefredakteur Matthias Schrom über die mögliche Koalition mit den Grünen.

„Die FPÖ hat – leider, das sage ich dazu – gesagt, dass sie keine Koalitionsverhandlungen führen will, und hat den Gang in Opposition angekündigt. Das muss ich respektieren“, so Kurz in dem Interview. Er habe dennoch eine gute Gesprächsbasis zu (FPÖ-Chef Anm.) Norbert Hofer.

Dieser brachte sich im Interview mit oe24.TV und der Zeitung „Österreich“ (Dienstag-Ausgabe) nun aber wieder in Stellung für ÖVP-FPÖ-Koalitionsgespräche. „Wenn die Gespräche mit den Grünen scheitern, werde ich den Bundesparteivorstand einberufen und empfehlen, in Gespräche einzutreten. (…) Die inhaltlichen Unterschiede (zwischen ÖVP und Grüne Anm.) sind zu groß. Dass man zusammenkommt, kann ich mir nur schwer vorstellen. Bei Wirtschaft und Zuwanderung etwa sehe ich überhaupt keine Schnittmengen.“

FPÖ als möglicher Partner „nicht disqualifiziert“

Die Situation in der freiheitlichen Partei „ist so, wie sie ist“, so Kurz im Interview mit dem „Standard“. „Wenn es hier jetzt zu einem Meinungsumschwung käme, dann ändert das ad hoc nichts an der Situation, weil wir die Regierungsverhandlungen ehrlich und aufrichtig und auch exklusiv mit den Grünen führen“, so Kurz weiter. „Darüber hinaus müsste ja erst einmal geprüft werden, wie ernst das gemeint ist. Denn die Statements der FPÖ in den letzten Wochen waren doch sehr eindeutig“ so Kurz weiter.

Durch die Vorgänge der letzten Woche, Stichwort NS-Liederbuchaffäre in der Steiermark rund um den FPÖ-Abgeordneten Wolfgang Zanger, sieht Kurz die FPÖ auf eine entsprechende Frage des „Standard“ hin nicht disqualifiziert. Er habe vor der Wahl gesagt, dass jede demokratisch gewählte Partei ein potenzieller Partner ist. Er wüsste nicht, warum er diese Meinung nach der Wahl ändern sollte. „Es gibt ohnedies zu viele Politiker, die ihre Meinung ständig ändern. Aber diese Frage stellt sich derzeit ohnedies nicht, weil sich die Freiheitlichen selbst aus dem Rennen genommen haben und wir mit den Grünen verhandeln“, so Kurz im „Standard“.