Pamela Rendi-Wagner
Reuters/Lisi Niesner
SPÖ verliert

Suche nach der Trendumkehr

Es ist nicht das Jahr der österreichischen Sozialdemokratie. Bei vier von fünf Wahlen musste die SPÖ Verluste einstecken. Einzig bei der Landtagswahl in Vorarlberg gab es ein kleines Plus. Im Jahr 2020 stehen Urnengänge in den roten Hochburgen Burgenland und Wien an. Fachleute sind sich einig: Eine Trendumkehr ist möglich, aber sie dauert.

Nach der Wahlschlappe in der Steiermark trat SPÖ-Landeschef Michael Schickhofer am Montag von allen Parteifunktionen zurück. Er sei, sagte er, „mehr Unternehmer und Manager als klassischer Politiker“. Die SPÖ erzielte mit rund 23 Prozent ihr historisch schlechtestes Ergebnis bei einer Landtagswahl in der Steiermark. Im Vergleich zu der Wahl 2015 verlor man 6,3 Prozentpunkte – mehr als bei der Nationalratswahl im September. Mit einem Minus von 5,7 Prozentpunkten landete die SPÖ unter Pamela Rendi-Wagner bei 21,2 Prozent.

Auch dieses Ergebnis war für die heimische Sozialdemokratie historisch gesehen das schlechteste bei einer bundesweiten Wahl. In Vorarlberg konnte man zwar ein Plus für sich verbuchen, bei der EU-Wahl im Mai und bei den Salzburger Gemeinderatswahlen gab es jedoch Verluste. Wie will die SPÖ die Trendumkehr schaffen? Wird sie wieder zu einer Großpartei? Oder ist der Weg für die SPÖ hier zu Ende?

Grafik zeigt SPÖ-Wahlergebnisse 2019
ORF.at

Aus der ÖVP-Geschichte lernen

Politikberater Thomas Hofer und Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle sind sich, was die letzte Frage angeht, einig: Ein Ende gibt es nicht. Mit Blick auf die jüngste Geschichte der ÖVP, die erst unter Sebastian Kurz Wahlsiege feiert, sagte Hofer im Gespräch mit ORF.at, dass es immer zu „ups and downs“ komme. Auch in der ÖVP habe es nach Wahlen „viele Abstürze“ gegeben, die zu internem Streit geführt hätten, bundesweit sei es ein „Gemurkse“ gewesen, so Hofer. In dieser Lage befinde sich nun die SPÖ, die personelle und inhaltliche Probleme habe.

Stainer-Hämmerle ortet wie ihr Kollege Hofer „sehr viele Baustellen“ bei der SPÖ – von Personalrekrutierung über die inhaltliche Positionierung bis zu einem fehlenden Zusammenhalt in der Partei. So sei es zwar verständlich, dass eine Landesorganisation für sich selbst spricht, allerdings wirkten sich Querschüsse, die zuletzt auch aus der Steiermark Richtung Bund kamen, negativ auf die Stimmung aus. „Mit Rücktritten allein wird die SPÖ nicht auf die Erfolgsspur kommen“, so die Politikwissenschaftlerin.

Hofer sieht es ähnlich. „Bei der ÖVP sind in den 2000er Jahren viele Köpf gerollt. Wilhelm Molterer, Josef Pröll, Michael Spindelegger und zuletzt Reinhold Mitterlehner“, sagte Hofer. Genutzt habe es der ÖVP aber erst, als der neue ÖVP-Chef mehr Rechte bekam. „Freilich ist Rendi-Wagner angezählt. Es wäre allerdings zu einfach, nur zu sagen: Okay, sie geht, dann läuft es wieder prima. Die SPÖ muss sich fragen, wer denn überhaupt als Nachfolger bzw. Nachfolgerin infrage kommt. Es gibt keinen roten Sebastian Kurz.“

SPÖ in Turbulenzen

Am Sonntag hatte Michael Schickhofer, der steirische Spitzenkandidat der SPÖ, noch daran geglaubt, im Amt zu bleiben. Einen Tag später war dann alles anders.

Kurz „klaute“ SPÖ einen Begriff

Zumindest in der SPÖ Steiermark wird es demnächst einen neuen Chef bzw. eine neue Chefin geben. Vorerst soll Jörg Leichtfried übernehmen. Dieser hatte am Sonntag in der ORF-Sendung „Im Zentrum“ gesagt, dass es der Sozialdemokratie in ganz Europa – „nur mit einigen Ausnahmen“ – nicht gutgehe. Stainer-Hämmerle stimmt dem nicht zu. Die Probleme der SPÖ seien „hausgemacht“, so die Politologin. Die Partei habe eine gewisse „Themenschwäche“, viele Wähler und Wählerinnen sowie Mitglieder würden nicht mehr wissen, wofür die SPÖ steht.

„Im Zentrum“: Wahlen und Regierungssuche im Schatten der Enthüllungen

Welche Bedeutung hat das Ergebnis der Landtagswahl in der Steiermark für die Bundespolitik? Wie beeinflusst der Wahlausgang die derzeit laufenden Koalitionsverhandlungen zwischen der ÖVP und den Grünen?

In seinem aktuellen Buch „Wahl 2019“ beschreibt Hofer diese „Themenschwäche“ übrigens auch. Dort heißt es etwa, dass es die SPÖ verabsäumt habe, wichtige Begriffe neu zu besetzen. Die „Erzählung“, wie Hofer es nennt, fehle und somit auch die Glaubwürdigkeit. Zum Vergleich: „Die ÖVP hat es seit 2017 geschafft, der SPÖ den Begriff der Gerechtigkeit ‚zu klauen‘, salopp gesagt. Überall wurde Gerechtigkeit plakatiert. Die SPÖ fand darauf keine Antwort, reagierte nur passiv.“

Ob „neue Gesichter“ die SPÖ aus der derzeitigen Krise holen können, wie Medienmanager Gerhard Zeiler in seinem Buch „Leidenschaftlich rot“, das am Montag präsentiert wurde, schreibt, glauben Hofer und Stainer-Hämmerle nicht. Zwar könne „etwas Neues“ auch Neustart bedeuten. Aber grundsätzlich müsse die SPÖ zunächst glaubhaft Positionen vertreten und der Öffentlichkeit auch erklären. „Es gibt genügend Positionierungschancen beim Wohnen, in der Gesundheit und so weiter. Diese Themen sind den Menschen wichtig“, so Hofer.

Medienmanager Gerhard Zeiler zur Krise der SPÖ

Medienmanager Gerhard Zeiler, der früher Pressesprecher der Bundeskanzler Fred Sinowatz und Franz Vranitzky sowie ORF-Generalintendant war, hat jetzt ein Buch über die SPÖ veröffentlicht.

Wien für SPÖ heikler als Burgenland

Für Politikbeobachter und -beobachterinnen war das Ergebnis in der Steiermark wenig überraschend. Die ÖVP war in sämtlichen Umfragen deutlich vor der SPÖ, die zwischen 20 und 25 Prozent schwankte. Rendi-Wagner und Parteimanager Christian Deutsch bezeichneten das Resultat als „ein schmerzliches Ergebnis für die SPÖ Steiermark“. Ein Grund sei, dass die SPÖ nach der Wahl 2015 der ÖVP den Landeshauptmann überlassen habe, obwohl sie stärkste Partei war.

Umso spannender wird es im kommenden Jahr, wenn in Wien der Gemeinderat und im Burgenland der Landtag gewählt wird. Denn folgt man der Argumentation der SPÖ, kann bei diesen Wahlen fast nichts schiefgehen. Im Burgenland regiert eine Koalition aus SPÖ und FPÖ, in Wien aus SPÖ und Grünen. „Für die SPÖ im Burgenland war das Ergebnis 2015 nicht so berauschend. Heute ist man besser positioniert, ein großer Verlust zeichnet sich nicht ab“, so Politikberater Hofer.

Hans Peter Doskozil und Michael Ludwig
APA/Robert Jaeger
Doskozil und Ludwig kämpfen im kommenden Jahr um ihre Landeshauptmann-Sessel

In Wien fehle der SPÖ allerdings ein Faktor, der ihr bei der letzten Landtags- und Gemeinderatswahl 2015 noch geholfen habe, so Hofer: „Das blaue Schreckgespenst“. Gemeint ist die FPÖ mit Heinz-Christian Strache. Mit Strache als Feindbild konnte der damalige Wiener SPÖ-Chef Michael Häupl „richtig mobilisieren“, wie der Politikberater sagte. Für den amtierenden Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) könnte es ohnehin „heikler“ werden, wenn eine ÖVP-Grüne-Bundesregierung steht. „Wie will sich die SPÖ da abgrenzen und positionieren?“