Pamela Rendi-Wagner am Dienstag, 26. November 2019, im Rahmen eines Pressegesprächs in Wien
APA/Herbert Neubauer
SPÖ-Krise

Rendi-Wagner schwer angezählt

Pamela Rendi-Wagners Stunden an der Spitze der SPÖ dürften demnächst gezählt sein: Am Donnerstag kamen neue Berichte an die Öffentlichkeit, die den parteiinternen Groll gegen sie weiter schüren dürften. Ein Führungswechsel bei den zerstrittenen Sozialdemokraten scheint absehbar, auch wenn die Bundespartei am Abend von „völlig falschen“ Gerüchten sprach.

Noch ist unklar, ob es tatsächlich schon demnächst zu einem Wechsel kommt. Dem Vernehmen nach wurde Rendi-Wagner von den Landesparteiorganisationen am Donnerstag zum Rücktritt aufgefordert, offenbar aber will sie von sich aus nicht gehen. Bis zuletzt wurde sie trotz der jüngsten Wahldebakel und der viel kritisierten Kündigungsanmeldung von einem Viertel der Belegschaft in der Bundesgeschäftsstelle nicht müde, ihren Willen zu bekunden, weiter an der Spitze zu bleiben.

Aus der Bundespartei hieß es am Abend in einem Statement, die Gerüchte über einen Abgang der SPÖ-Parteivorsitzenden seien „völlig falsch“ und „Unsinn“. „Pamela Rendi-Wagner ist fest entschlossen, den Weg der inhaltlichen Erneuerung der Partei und den leider notwendigen Konsolidierungs- und Stabilisierungskurs zur finanziellen Gesundung zu gehen“. Dabei lasse sich die Vorsitzende „auch von solchen unwahren Gerüchten nicht beirren“.

Auch die Kolportage, wonach Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser bereit sei, die Partei für eine gewisse Zeit zu übernehmen, um wieder Ruhe in die Sozialdemokratie zu bringen, ließ Rendi-Wagners Pressesprecherin gegenüber ORF.at dementieren und verwies auf einen Twitter-Beitrag von Kaisers Pressesprecher. Auch wies sie Gerüchte zurück, wonach Rendi-Wagner parteiintern eine „Deadline“ für den Rücktritt gestellt worden sei.

Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser am Dienstag, 28. Mai 2019 bei einer Sitzung des SPÖ-Präsidiums in Wien.
APA/Helmut Fohringer
Peter Kaiser gilt als der wahrscheinlichste (Kurzzeit-)Nachfolger an der SPÖ-Spitze

Nachfolgefrage völlig offen

Wer Rendi-Wagner längerfristig nachfolgen könnte, ist dabei noch völlig offen. Ob Kaiser die Partei auch länger führen will, ist unklar – und neben seinem Hauptjob als Landeshauptmann schwierig. Anwesenheit in Wien wäre angesichts der Krise der Partei wohl eine Voraussetzung. Zuletzt immer wieder genannt wurde der frühere SPÖ-Bundesgeschäftsführer Max Lercher. Gegenwind für den Steirer gibt es aber vor allem bei den Landesparteien im Burgenland und in Wien.

Der Zweiten Nationalratspräsidentin Doris Bures wurden vor Wochen ebenfalls schon gute Chancen auf den Parteivorsitz nachgesagt, damals hat sie aber abgewinkt. Und nun gilt sie als zu nahe an Rendi-Wagner – und vor allem als zu eng verbandelt mit Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch. Vor einigen Monaten galt der burgendländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil als erster Konkurrent Rendi-Wagners – doch danach warfen ihn Gesundheitsgründe aus dem Rennen. Und mittlerweile steht er mitten im Wahlkampf für die Landtagswahl im Jänner. Noch am Donnerstagabend verkündete er beim Wahlkampfauftakt, Rendi-Wagner werde auch nächstes Jahr Parteichefin sein.

Hebenstreit, Hacker oder Hanke?

Die Gewerkschaft, ob der Vorgangsweise mit den gekündigten SPÖ-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeitern schwer verärgert, soll laut Medienberichten Roman Hebenstreit ins Rennen schicken wollen. Doch der 48-jährige Chef der Verkehrs- und Dienstleistungsgewerkschaft vida ist bundesweit kaum bekannt. Eher still geworden ist es in den vergangene Monaten um die Chancen des Wiener Sozial- und Gesundheitsstadtrats Peter Hacker, der von einigen in der Partei als „Geheimwaffe“ der Sozialdemokraten gesehen wurde. Dafür fällt nun ein anderer Name aus der Wiener Stadtregierung immer öfter: der von Finanzstadtrat Peter Hanke.

Berichte befeuern Negativstimmung

Nationalratsabgeordneter und Klubvize Andreas Kollross fordert auf Twitter unterdessen einen Neustart: „Manchmal muss man zur Kenntnis nehmen, dass es nicht mehr geht. Aus. Schluss.“ Direkt zielte er auf die Vertrauten von Ex-Kanzler Werner Faymann wie Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch: „Es braucht ein Ende des Revanchismus. Es braucht ein Ende Funktionen zur Aufarbeitung des eigenen Trauma zu verwenden, dass durch Pfiffe bei manchen hinterlassen wurde.“

Hans Bürger (ORF) zum parteiinternen Gezänk der SPÖ

Der ZIB-Innenpolitik-Ressortleiter kommentiert die SPÖ-internen Querelen rund um den Schuldenstand von 15 Millionen Euro und die Kündigungen von einem Viertel der SPÖ-Mitarbeiter.

Die Stimmung gegen Rendi-Wagner befeuerten am Donnerstag Berichte, wonach zum einen die 27 betroffenen Mitarbeiter in der SPÖ-Parteizentrale via E-Mail über ihre bevorstehende Kündigung informiert worden seien. Zum anderen hieß es, dass die SPÖ-Chefin monatelang ihre Parteisteuer schuldig geblieben sei.

„Bitte verstehe dieses Schreiben nicht als Kündigung“

„Aufgrund der äußerst angespannten finanziellen Situation der SPÖ werden wir bedauerlicherweise gezwungen sein, zum Jahresende das mit Dir bestehende Anstellungsverhältnis zum 31.3. 2020 zu kündigen“, hieß es laut „Wiener Zeitung“ in der Kündigungsmail. Und: „Bitte verstehe dieses Schreiben nicht als Kündigung, sondern als schlichte Information.“ Die „Wiener Zeitung“ berichtete von verärgerten Mitarbeitern, die „ohne Vorwarnung“ per E-Mail des Bundesgeschäftsführers Christian Deutsch und der Personalabteilung diese Informationen via E-Mail bekommen hätten.

In der E-Mail heißt es demnach, dass die SPÖ gemeinsam mit dem Betriebsrat eine „sozial verträgliche Lösung für alle Beteiligten“ herbeiführen möchte. Kommende Woche soll im Büro der Bundesgeschäftsführung die weitere Vorgehensweise mit den Betroffenen besprochen werden. Es werde derzeit auch versucht, „bei anderen Gesellschaften oder Organisationen für Dich und andere KollegInnen, von denen wir uns ebenfalls trennen werden müssen, Ersatzarbeitsplätze zu finden“.

SPÖ-Sprecher Stefan Hirsch sagte gegenüber der APA, dass in einem mehrstündigen Gespräch zwischen Betriebsrat, Bundesgeschäftsführung und der Personalabteilung das schriftliche Informationsschreiben vereinbart worden sei. Laut „Kurier“ soll allerdings auch der Betriebsrat über die Vorgehensweise empört sein, für morgen sei in der Parteizentrale eine ganztägige Betriebsversammlung beschlossen worden.

Die Parteizentrale der SPÖ auf der Löwelstraße in Wien
ORF.at/Carina Kainz
Für Freitag sind Betriebsversammlungen in der SPÖ-Zentrale geplant

Rendi-Wagner mit Zahlungsversäumnis

Das Nachrichtenmagazin „profil“ berichtete unterdessen von einer ihm zugespielten Mahnung der SPÖ Wien an Rendi-Wagner, datiert mit Mai 2019. Demnach blieb die SPÖ-Chefin 16 Monate lang ihre im SPÖ-Parteistatut vorgesehene Mandatsabgabe („Parteisteuer“) schuldig. Die Außenstände sollen zwischenzeitlich mehr als 13.000 Euro betragen haben. Inzwischen ist Rendi-Wagner ihren Verpflichtungen nachgekommen, so das Magazin.

Die Landesgeschäftsführerin der Wiener SPÖ, Barbara Novak, erklärte laut „profil“, Rendi-Wagner habe derzeit „keine Außenstände und ist allen Zahlungsverpflichtungen zu hundert Prozent nachgekommen“. Warum die Vorsitzende die Zahlungsaufforderung 16 Monate lang ignorierte, beantwortete Novak dem Bericht nach nicht.

Post von Kern

Öl ins Feuer goss am Donnerstag auch noch Ex-SPÖ-Chef Christian Kern: Er rechnete via Facebook mit parteiinternen Gegnerinnen und Gegnern ab. In einem Post veröffentlichte Kern einen Brief an die aktuelle Führungsriege der Partei. Der Vorgänger von Rendi-Wagner erinnert darin an eigene Erfolge, aber auch an die an internen Widerständen gescheiterte Organisationsreform. Die größten Gegner der SPÖ ortete er in den eigenen Reihen.

Donnerstagabend bei der Eröffnung des Europäischen Mediengipfels in Lech am Arlberg sagte er allerdings, dass er sich zu den internen Konflikten und zur finanziellen Lage der SPÖ nicht mehr weiter öffentlich äußern werde. „Ich habe heute schon an die 20 Interviewwünsche abgewimmelt“, sagte Kern.