Starker Rauch kommt aus drei Schornsteinen, im Hintergrund der Sonnenaufgang
AP/Sergei Grits
UNO-Klimakonferenz

Eine letzte Chance im alten Jahrzehnt

In Madrid hat Montagvormittag die 25. UNO-Klimakonferenz (COP25) begonnen. Der Präsident des letztjährigen Treffens im polnischen Katowice, Michal Kurtyka, übergab den Vorsitz Montagfrüh offiziell an die chilenische Regierung. Kurtyka meinte, es habe sich viel geändert seit dem vergangenen Jahr. Er räumte freilich ein: „Die Welt kommt vielleicht noch nicht so schnell voran, wie wir das gern hätten.“

„Aber meine Hoffnung liegt vor allem auf den jungen Leuten. Sie haben den Mut, sich laut zu Wort zu melden und uns daran zu erinnern, dass wir diesen Planeten von unseren Eltern geerbt haben und ihn den künftigen Generationen weitergeben müssen“, sagte er mit Blick auf die globalen Klimaproteste der Bewegung „Fridays for Future“.

Bis vor Kurzem galt die Klimakonferenz als unsicher. Aufgrund der Unruhen musste Chile die Ausrichtung der Mammutkonferenz mit 25.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus fast 200 Staaten absagen. Madrid sprang kurzfristig ein, in Rekordzeit wurde die Konferenz organisiert. Rasche Entscheidungen braucht es jetzt auch im Feilschen um die Zukunft der Erde.

Neuer Rekord bei Treibhausgasen

Die internationale Gemeinschaft hat in Sachen Klimaziele und Tempo bisher stark ausgelassen. Die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) kritisierte zuletzt in ihrem Jahresbericht, dass die Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre 2018 auf einen neuen Rekordwert gestiegen ist. Außerdem wurde auf den Umstand verwiesen, wonach die katastrophalen Auswirkungen des Klimawandels wie Dürren und Überschwemmungen spürbarer werden.

Das UNO-Umweltprogramm (UNEP) mahnte zuletzt einen gewaltigen Veränderungsprozess ein: Die weltweiten Treibhausgasemissionen müssten zwischen 2020 und 2030 jährlich um 7,6 Prozent zurückgefahren werden. Andernfalls werde das im Pariser Klimaabkommen formulierte Ziel verpasst, die Erderwärmung auf möglichst 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen. Reichlich Vorgaben für die Konferenz in Madrid also.

Grafik zu den globalen Temperaturen 2019
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: NOAA

„Zeit zu handeln“

Nach Handlungsabsicht klingt zumindest das Motto des zwölftägigen Treffens: „Tiempo de actuar“ (Zeit zu handeln). Umweltorganisationen hoffen, dass sich in Madrid zumindest einige Länder zu deutlich stärkerem Klimaschutz verpflichten. Tatsächlich ist das nicht einfach, schließlich zeichneten sich im Vorfeld einige manifeste Knackpunkte und entsprechend schwierige Verhandlungen ab.

In erster Linie geht es um ehrgeizigere nationale Klimaziele – im Grunde sind das die freiwillig zugesagten Klimaschutzmaßnahmen von 2015 (Pariser Abkommen), die danach grundsätzlich nur nach oben korrigiert werden dürfen. Eine bittere Erkenntnis zeichnete sich letztes Jahr bei der Konferenz im polnischen Kattowitz ab: Es hat sich kaum etwas getan. Auch der UNO-Sondergipfel im September in New York brachte nicht das erhoffte Signal.

Dort sagten zwar knapp 70 Länder Nachbesserungen an ihren nationalen Klimaschutzplänen zu. Große Treibhausgasemittenten wie die 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G-20) kamen jedoch nicht aus der Deckung. Zwar nicht mehr heuer, aber kommendes Jahr müssen die mehr als 180 Vertragsstaaten ihre überarbeiteten Klimaziele vorlegen.

Marktmechanismen miteinbeziehen?

Ein weiterer Knackpunkt ist die Einbeziehung von Marktmechanismen in den internationalen Klimaschutz. Dabei geht es um den Handel mit Emissionszertifikaten. Demnach können Länder, die ihren Treibhausgasausstoß stärker verringern als zugesagt, ihren Überschuss bei der Emissionsminderung in Form von Zertifikaten verkaufen.

Laut Pariser Abkommen muss aber ausgeschlossen werden, dass sowohl das Ausgabeland der Zertifikate als auch das Käuferland sich die zugrunde liegende Emissionsminderung gutschreibt, diese also doppelt gezählt wird. Umstritten ist in diesem Zusammenhang auch, ob und wie unter dem Kyoto-Protokoll erworbene Verschmutzungsrechte unter dem Paris-Abkommen weiter gelten.

Grafik zu den Auswirkungen des Klimawandels
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: Europaparlament

Furcht vor Schlupflöchern für „Sünder“

Umweltorganisationen sehen außerdem die Gefahr, dass Staaten ihre nationalen Klimaschutzziele extra niedriger ansetzen, um bei einer Übererfüllung Geld mit Emissionszertifikaten zu verdienen. Andersherum könnten Staaten ehrgeizige Klimaziele scheuen, weil sie fürchten, zu ihrer Erfüllung Emissionszertifikate zukaufen zu müssen.

Entscheidend für den Erfolg des Pariser Abkommens ist es also, dass robuste Regeln zur Vermeidung von Doppelanrechnungen sowie von Fehlanreizen vereinbart werden. So könnte festgeschrieben werden, dass die nationalen Klimaziele nur zu einem geringen Anteil mit von anderen erworbenen Emissionszertifikaten umgesetzt werden dürfen.

Wie umgehen mit bereits vorhandenen Schäden?

Und auch einen dritten Knackpunkt gibt es: So haben sich die Industrieländer grundsätzlich bereiterklärt, die Entwicklungsländer im Kampf gegen den Klimawandel und bei der Anpassung an klimabedingte Risiken zu unterstützen. Deutlich umstrittener ist der Umgang mit bereits eintretenden klimabedingten Schäden und Verlusten, in der Konferenzsprache „Loss and Damage“.

Hintergrund: Die Industriestaaten fürchten enorme Kosten, wenn sie eine grundsätzliche Verantwortung für Klimaschäden in ärmeren Weltgegenden einräumen. Bei der UNO-Klimakonferenz 2013 in Warschau wurde aber zumindest der „Warschau-Mechanismus“ zu „Loss and Damage“ vereinbart. Jetzt steht seine Überprüfung an. Dabei geht es unter anderem darum, wie der Problematik künftig mehr Raum bei den Klimaverhandlungen gegeben werden kann und ob speziell dafür Mittel bereitgestellt werden.

Van der Bellen will auf mehr Mut drängen

Bundespräsident Alexander Van der Bellen, der auf der Konferenz auch eine Rede halten wird, pochte im Vorfeld auf konkrete Schritte. „Das nächste Jahr ist entscheidend für das Nachbessern der Klimapläne, um die Ziele von Paris zu erreichen. Dann beginnt die Umsetzung der ersten Klimapläne“, so Van der Bellen. Im Vorfeld erklärte er zudem, in vielen bilateralen Gesprächen auf mehr Mut zu drängen, wie er das auch mit seiner Klimainitiative in New York getan habe.

Großer Druck auf die Konferenz baute sich bereits vor dem Wochenende auf. Weltweit verschafften sich zum bereits vierten Mal die Aktivistinnen und Aktivisten von „Fridays for Future“ Gehör, insgesamt gingen Hunderttausende Menschen auf die Straße, um von den Regierungen dieser Welt Handeln einzufordern. Nach Angaben des Netzwerks waren weit über 2.000 Städte in über 150 Ländern Schauplatz von Demonstrationen.