Angelobung der Regierung
ORF.at/Roland Winkler
Premiere in Österreich

Erste Regierung ÖVP – Grüne angelobt

Genau 100 Tage nach der Nationalratswahl hat Bundespräsident Alexander Van der Bellen am Dienstag die erste Regierung aus ÖVP und Grünen angelobt. Neben Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) gehören dem neuen Kabinett 14 Ministerinnen und Minister an. Zudem erhält jede Partei einen Staatssekretärsposten.

Als Erster wurde Bundeskanzler Kurz von Van der Bellen in der Hofburg angelobt. Im Anschluss folgten Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und die Ministerinnen und Minister. Zuvor hatte Van der Bellen die Beamtenregierung von Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein „mit sofortiger Wirkung“ des Amtes enthoben.

Die offizielle Formel lautet „Ich gelobe“ – Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) erweitert sie mit „so wahr mir Gott helfe“. Die neuen Regierungsmitglieder wurden auf die derzeit bestehenden Ressorts angelobt. Eine Änderung der Kompetenzaufteilung muss erst durch den Nationalrat genehmigt werden.

Freude bei Kurz und Kogler

Kurz sagte nach der Angelobung, jetzt gehe es darum, das Regierungsprogramm umzusetzen. Als Schwerpunkt nannte er einmal mehr Steuersenkungen. Vizekanzler Kogler berichtete, die Angelobung sei „bewältigbar“ gewesen und ergänzte: „Da haben wir schon Schwierigeres geschafft.“

Der erneut zum Bildungsminister ernannte Heinz Faßmann verlieh ebenfalls seiner Freude über seine Aufgabe Ausdruck. „Ich freue mich sehr, Minister zu sein“, sagte er auf dem Weg Richtung Bundeskanzleramt. Es sei ein „angenehmes Gefühl“, sagte er. Die Grünen als neuen Koalitionspartner müsse er „erst kennenlernen“, aber es gebe ja ein Regierungsprogramm, das man jetzt abarbeiten werde, kündigte Faßmann an.

Der neue Sozial- und Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) ließ mit der Ansage aufhorchen, dass Regieren mit der türkisen ÖVP schwieriger sein werde als mit der schwarzen Volkspartei. „Zwischen Türkis und Schwarz gibt es Unterschiede. Es wird schwieriger werden“, so Anschober, der jahrelang mit der ÖVP in Oberösterreich in einer schwarz-grünen Koalition gesessen ist.

Die Teams von ÖVP und Grünen

Im Regierungsteam der ÖVP sind Finanzminister Gernot Blümel, Außenminister Alexander Schallenberg, Innenminister Karl Nehammer, Verteidigungsministerin Tanner, Bildungsminister Faßmann, Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger, Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck, Integrationsministerin Susanne Raab, Arbeits- und Familienministerin Christine Aschbacher, Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler für Europafragen und Magnus Brunner als Staatssekretär im grünen Umweltministerium.

ZIB Spezial zum Nachschauen: Neue Bundesregierung angelobt

Am Dienstag wurde die erste Regierung aus ÖVP und Grünen angelobt. Der ORF begleitete die Zeremonie mit einer ZIB Spezial.

Die grüne Regierungsmannschaft besteht aus Vizekanzler Kogler, Umwelt- und Infrastrukturministerin Leonore Gewessler, Sozialminister Anschober, Justizministerin Alma Zadic und Staatssekretärin Ulrike Lunacek.

„Unsere Demokratie ist lebendig“

Zu Beginn der Zeremonie in der Hofburg hatte Van der Bellen die Ereignisse der vergangenen Monate Revue passieren lassen. „Die Objektive der Kameras waren in den letzten Monaten ungewöhnlich oft auf diesen Raum gerichtet“, sagte der Bundespräsident. Mit der Angelobung der neuen Regierung schließe sich der Kreis, so Van der Bellen, der an die „Ibiza-Affäre“, die Regierung Bierlein und die Neuwahl im Herbst erinnerte.

„Unsere Demokratie ist lebendig. Sie hat die Kraft zur Selbstreinigung, zur Erneuerung“, sagte Van der Bellen, der die Bedeutung der „unabhängigen Journalisten“ hervorhob. Dankesworte des Bundespräsidenten gab es auch an Bierlein und ihre Beamtenregierung. „Diese Bundesregierung hat der Republik einen großen Dienst erwiesen“, so Van der Bellen.

„Macht ist Mittel und nicht Zweck“

An die neue Bundesregierung appellierte Van der Bellen, „im Gespräch mit Österreich zu bleiben“. „Nicht nur ich, auch die Bürgerinnen und Bürger haben große Erwartungen an Sie“, sagte das Staatsoberhaupt. Sorgsam aufgebautes Vertrauen müsse „ständig neu erworben und errungen werden“.

TV-Hinweis

Anlässlich der Angelobung gibt es um 20.15 Uhr eine Zeit im Bild Spezial. Um 21.05 Uhr widmet sich der „Report“ der neuen Regierung, nach der verlängerten ZIB2 diskutiert ein „Runder Tisch“.

Die Farben der Regierung sollen „Rot-Weiß-Rot“ sein, so Van der Bellen. Er appellierte an ÖVP und Grüne, Einzelinteressen zurückzustellen, die Grund- und Freiheitsrechte zu stärken und „die großen Fragen unserer Zeit“ mutig anzugehen. „Ihnen wird Macht in die Hände gelegt. Macht braucht Kontrolle und Balance. Macht ist Mittel und nicht Zweck.“

Ministerrat am Mittwoch, Regierungserklärung am Freitag

Den ersten Ministerrat wird die neue Regierung am Mittwoch abhalten. Am Freitag lernt auch der Nationalrat die neue Regierung kennen. Nach APA-Informationen ist für 9.00 Uhr der Beginn der Sitzung anberaumt, in der Kanzler Kurz seine Regierungserklärung abgeben wird. Dem folgt eine Debatte.

Dazu sind auch zwei von ÖVP und Grünen bereits im Vorjahr auf den Weg gebrachte Gesetze zu behandeln. Bei einem davon handelt es sich um das Bundesministeriengesetz, mit dem den Ressortleitern ihre genauen Aufgaben zugeteilt werden. Zweiter Beschluss ist das Budgetprovisorium, das quasi den Haushalt von 2019 fortschreibt.

Frauenanteil von über 50 Prozent

Das in der Hofburg angelobte Kabinett ist das erste mehrheitlich weibliche in der Geschichte Österreichs. Acht der 15 Regierungsmitglieder sind Frauen. Das bedeutet einen Wert von 53,3 Prozent. Nimmt man den Staatssekretär und die Staatssekretärin dazu, kommt man bei neun von 17 auf fast 53 Prozent. In der nun zurückgetretenen Beamtenregierung unter Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein lag der Frauenanteil bei genau 50 Prozent.

Kurz ist der erste Kanzler, der nach einer Pause – ausgelöst durch die „Ibiza-Affäre“ – erneut ins Amt kommt. Mit 33 Jahren bleibt er auch in seiner zweiten Amtszeit der jüngste Regierungschef, den das Land je hatte. Auch auf EU-Ebene bleibt er der jüngste: Finnlands neue Premierministerin Sanna Marin ist etwa neun Monate älter als der ÖVP-Chef.

SPÖ und NEOS gratulieren, FPÖ erneuert Kritik

Nach heftiger Kritik in den vergangenen Tagen gratulierte die SPÖ der neuen Regierung zur Angelobung. Gleichzeitig mahnten die Sozialdemokraten ÖVP und Grüne zu einer konstruktiven Zusammenarbeit: „Dialog und ständiger Austausch sind essenziell für Vertrauen und eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen Regierung und Parlament. Es ist nicht genug, nur dann auf andere zuzugehen, wenn etwas von ihnen gebraucht wird“, betonte SPÖ-Chefin und Klubobfrau Pamela Rendi-Wagner. Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) plädierte für eine „Zusammenarbeit auf Augenhöhe" im Parlament“.

Von NEOS gab es Glückwünsche und einen Appell an die neue Regierung. Es gebe dringende Herausforderungen anzupacken, so Parteichefin und Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger: „Sie alle tragen eine hohe Verantwortung, denn es gibt viele dringliche Herausforderungen anzupacken. Jetzt gilt es, die vielfach vagen Absichtserklärung des Regierungsprogramms mit Leben zu füllen.“

Deutlich unfreundlicher fiel dagegen die Begrüßung der neuen Ministerinnen und Minister durch die FPÖ aus. „Bundespräsident Alexander Van der Bellen ebnet heute den Weg der ÖVP zur totalen strukturellen Macht“, kritisierte Klubchef Herbert Kickl. Er sah das „pechschwarze System Niederösterreich“ etabliert, ergänzt um „gemeingefährliche linkslinke Experimente“. Einmal mehr schoss sich Kickl auch auf Zadic ein, gegen die es bereits am Wochenende eine Reihe von rassistischen Userkommentaren auf den Facebook-Seiten diverser FPÖ-Politiker gegeben hatte.