US-Präsident Donald Trump
Reuters/Jonathan Ernst
USA vor UNO

Soleimani-Tötung war „Selbstverteidigung“

Kurz nach der Rede von US-Präsident Donald Trump, in der er neue Militärschläge gegen den Iran ausgeschlossen hatte, haben die USA die Tötung des iranischen Generals Kassem Soleimani vor der UNO als „Akt der Selbstverteidigung“ gemäß der UNO-Charta gerechtfertigt.

Zudem kündigten die USA in einem Brief an, notfalls weitere Maßnahmen zu ergreifen, um ihre Bürger und Interessen in der Nahost-Region zu schützen. Die US-Regierung zeigte sich zugleich offen für Gespräche mit dem Iran.

In dem Schreiben der amerikanischen UNO-Botschafterin Kelly Craft beriefen sich die USA auf Artikel 51 der UNO-Charta. Craft schrieb, dass die Tötung Soleimanis und die US-Luftangriffe im Irak und in Syrien am 29. Dezember gegen eine vom Iran unterstützte Miliz eine Antwort auf eine Serie von Angriffen durch die Islamische Republik und von ihr unterstützte Milizen auf die Streitkräfte und Interessen der USA im Nahen Osten gewesen seien.

Der Iran rechtfertigte seinerseits die Raketenangriffe auf US-Stützpunkte im Irak in einem Brief an den UNO-Sicherheitsrat mit Verweis auf Artikel 51. Der Iran habe sein Recht auf Selbstverteidigung durch eine „maßvolle und angemessene militärische Reaktion“ ausgeübt, schrieb der iranische UNO-Botschafter Madschid Tacht Rawanchi.

US-Präsident Donald Trump
AP/Evan Vucci
Trump bei seiner Rede im Weißen Haus am Mittwoch: Die USA wollen ihr Militär nicht einsetzen, sagte der Präsident

Demokraten wollen Trumps Macht begrenzen

In einer Rede am Mittwoch hatte Trump in dem seit der Tötung des Generals kochenden Konflikt deeskaliert: Die USA würden keine neuen Militäreinsätze starten, aber weitere Sanktionen verhängen. Den oppositionellen Demokraten ist das aber nicht genug. Sie wollen die militärischen Befugnisse von Trump im Konflikt per Resolution beschneiden. Ein Ja im republikanisch dominierten Senat dafür ist zwar unwahrscheinlich. Doch auch aus Trumps Lager kam nach der Eskalation konkrete Unterstützung für eine Machtbeschränkung.

Noch am Donnerstag wollen die Demokraten eine entsprechende Resolution („War Powers Resolution“) ins Plenum einbringen, teilte die Vorsitzende des Abgeordnetenhauses, die Demokratin Nancy Pelosi, am Mittwoch mit. Den Angaben zufolge soll die Regierung etwaige militärische Kampfhandlungen gegen den Iran innerhalb von 30 Tagen beenden müssen, wenn der Kongress ihnen nicht zustimmt.

Pelosi hatte die Resolution am Sonntag angekündigt – wenige Tage nach der gezielten Tötung Soleimanis in Bagdad durch die USA. Am Mittwoch kritisierte Pelosi den Militärschlag als provokativ und unverhältnismäßig. „Der Präsident hat deutlich gemacht, dass er keine schlüssige Strategie hat, um das amerikanische Volk zu schützen, eine Deeskalation mit dem Iran zu erreichen und die Stabilität in der Region zu sichern.“ Sie warf Trump außerdem vor, den Kongress nicht konsultiert zu haben.

Republikaner kritisieren Informationspolitik

Das Abgeordnetenhaus dominieren Pelosis Demokraten, eine Mehrheit für die Resolution ist daher wahrscheinlich. Im Senat – der anderen Kammer im Kongress – dürfte das Vorhaben aber scheitern: Dort stellen Trumps Republikaner die Mehrheit. Unklar war, ob im Abgeordnetenhaus noch am Donnerstag abgestimmt werden sollte.

Sicherheitsexperte Mangott über den USA-Iran-Konflikt

Gerhard Mangott, Professor für internationale Politik und Sicherheitsexperte an der Universität Innsbruck, über die Spannungen zwischen den USA und dem Iran.

Allerdings gerät Trump in der Causa auch von republikanischer Seite unter Druck. Die Senatoren für Utah, Mike Lee, und Kentucky, Rand Paul, kündigten an, sich der demokratischen Initiative anschließen zu wollen. Sie kritisierten, dass die Regierung dem Kongress unzureichend über die Tötung Soleimanis berichten würde.

„Nicht öffentlich infrage stellen“

Die Regierung habe in der vertraulichen Sitzung in einem abhörsicheren Raum im Kongress kaum Beweise für die Behauptung vorgelegt, dass mit dem Luftangriff ein unmittelbar bevorstehender Angriff verhindert worden sei, sagte Lee. Das sei „absolut verrückt“ und „unamerikanisch“.

Die Regierung habe die Senatoren aufgefordert, „gute kleine Buben und Mädchen zu sein, einfach mitzugehen und das nicht öffentlich infrage zu stellen“, sagte der sichtlich verärgerte Lee, der nicht als Kritiker seines Parteifreundes Trump bekannt ist. Verteidigungsminister Mark Esper, Außenminister Mike Pompeo, CIA-Chefin Gina Haspel und die übrigen Regierungsvertreter hätten sich nur eine gute Stunde Zeit genommen und die meisten Fragen offengelassen. „Ich finde das absolut verrückt. Das ist inakzeptabel“, sagte er.

Trump: Sanktionen, aber kein Militärschlag

Trump hatte am Mittwoch in einer Rede neue scharfe Sanktionen gegen Teheran angekündigt. Einen Militärschlag der USA gegen den Iran schloss Trump in der Rede am Mittwoch aber aus. „Der Iran scheint sich zurückzuhalten, was gut für alle Beteiligten und sehr gut für die Welt ist.“ Die USA seien bereit zum Frieden mit allen, die das wollten.

Die USA würden die Aggression des Iran aber nicht unbeantwortet lassen, so Trump. Die Antwort soll laut dem US-Präsidenten in Form neuer Wirtschaftssanktionen erfolgen. Man werde sie so lange aufrechterhalten, bis die iranische Regierung ihr Verhalten ändere. Zudem rief Trump die verbliebenen Vertragspartner des in Wien geschlossenen Atomabkommens – Russland, China, Frankreich, Großbritannien und Deutschland – zum Rückzug aus dem 2015 geschlossenen Vertrag auf. Die USA hatten sich bereits 2018 aus dem Abkommen zurückgezogen.

US-Vizepräsident Mike Pence sagte seinerseits, er habe „ermutigende“ Geheimdienstinformationen zum Verhalten des Iran in dem Konflikt erhalten. Teheran schicke Botschaften an verbündete Milizen, wonach sie keine „amerikanischen Ziele oder Zivilisten“ angreifen sollten, sagte Pence im Fernsehsender CBS. Verteidigungsminister Esper vertrat die Einschätzung, dass die USA durch die Tötung Soleimanis den „Abschreckungsgrad“ im Iran-Konflikt gesteigert hätten.

Satelitenbild zeigt zerstörtes Gebäude in der US-Militärbasis im Irak
APA/AFP/Ho
Satellitenbilder zeigen die Schäden des iranischen Angriffs auf eine US-Basis im Irak

Neuer Raketenschlag in Bagdad

Inmitten des Konflikts gab es in der Nacht auf Donnerstag erneut Raketeneinschläge im Regierungsviertel der irakischen Hauptstadt Bagdad. Zwei Raketen trafen am Mittwochabend die Grüne Zone, wie Sicherheitskreise der Nachrichtenagentur AFP sagten. Die Angriffe erfolgten nur wenige Stunden nach Trumps Ansprache.

Grafik zu US-Truppenstärke im Nahen Osten
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: CNN

Von wem der neue Angriff auf die Grüne Zone ausging, war unklar. Die mit dem Iran verbündeten Hasched-al-Schaabi-Milizen hatten am Mittwoch mit massiver Vergeltung für den Tod ihres Vizechefs Abu Mahdi al-Muhandis bei einem US-Drohnenangriff am Freitag in Bagdad angekündigt.

Raketenalarm in Bagdad

Mindestens zwei Geschoße schlugen in der Grünen Zone, dem besonders gesicherten Regierungsviertel Bagdads, ein. Eine Rakete verfehlte die US-Botschaft um nur hundert Meter. Verletzt wurde niemand.

Muhandis war zusammen mit Soleimani getötet worden. Es war nun bereits der dritte Raketenangriff auf die Grüne Zone seit der Tötung von Soleimani und Muhandis. Der Angriff erfolgte knapp 24 Stunden, nachdem der Iran als Vergeltung für den Tod Soleimanis zwei Stützpunkte internationaler Truppen im Irak mit Raketen beschossen hatte. Bei diesen Angriffen war niemand verletzt worden.