Israelische Soldaten hinter palästinensischer Fahne
Reuters/Mohamad Torokman
Trumps Nahost-Plan

Zweifel an Umsetzbarkeit

Drei Jahre lang haben die USA unter der Leitung von Jared Kushner, Schwiegersohn von US-Präsident Donald Trump, einen Nahost-Plan ausgearbeitet. Bereits die Präsentation der „Vision für den Frieden“ war von herber Kritik der Palästinenser und ihnen nahestehenden Akteuren begleitet. Verhaltene Reaktionen von EU, Russland und Weltgemeinschaft folgten – nicht nur das nährt Zweifel an der Umsetzbarkeit.

Tatsächlich sieht der 181-seitige Plan zwei Staaten vor, allerdings zwingt er die palästinensische Seite zu allen nur denkbaren Zugeständnissen. 30 Prozent des Westjordanlands sollen Teil Israels werden. Auch die Anerkennung der umstrittenen jüdischen Siedlungen schließt der Plan mit ein – die internationale Staatengemeinschaft betrachtet sie als illegal. Auch das Jordantal soll Israel zugeschlagen werden. Dafür sollen die Palästinenser arabische Gebiete bekommen.

Zudem wird Jerusalem als „unteilbare“ Hauptstadt Israels gesehen, zugleich wird aber Ostjerusalem den Palästinensern zugesichert. Offenbar gemeint sind damit Vororte im Osten der Stadt – etwa Abu Dis. Allein diese beiden Punkte laufen den Interessen der Palästinenser gravierend zuwider: Schließlich nehmen sie alle seit 1967 von Israel besetzten Gebiete für sich in Anspruch. Und Hauptstadt soll – geht es nach den Palästinensern – ganz Ostjerusalem sein.

Grafik zum Nahost-Konflikt
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

Palästinenser nicht mit einbezogen

Dass die Palästinenser in dem Plan nur eine überschaubare Rolle spielen und das Papier nur den Interessen der derzeitigen israelischen Regierung dienlich erscheint, liegt an der Urheberschaft des Papiers. Denn Trump-Schwiegersohn Kushner ist nicht nur diplomatisch völlig unerfahren, sondern hat sich offenkundig nur einer Seite verschrieben – ein echtes Bemühen, die Palästinenser in das Konzept einzubeziehen, gab es zu keiner Zeit.

„25 Jahre lang die Opferkarte gespielt“

Auch am Tag nach der Präsentation gab sich Kushner in einem Interview recht schroff, als er die Palästinenserführung nach deren offener Ablehnung des Plans kritisierte. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas hatte ja gesagt, der Plan werde „im Mülleimer der Geschichte landen“.

„Sie (die Palästinenser, Anm.) haben die letzten 25 Jahre die Opferkarte gespielt“, so Kushner gegenüber „Fox News“. „Diese Leute sind Profis darin, Deals nicht fertigzustellen oder abzuschließen.“ Der Ball liege nun bei den Palästinensern. „Wenn sie kommen und Frieden schließen wollen, sind wir bereit.“

„Nicht dazu bereit, einen Staat zu haben“

Kushner forderte die Palästinenser auf, „wie Menschen zu handeln, die bereit sind für einen Staat. Und sie beweisen durch ihre Reaktion, dass sie nicht bereit dazu sind, einen Staat zu haben.“ Im Sender CNN sagte Kushner am Dienstag (Ortszeit), der Plan sei offen für Verhandlungen. „Die Bedingungen sind keine endgültigen Bedingungen. Das ist ein Eröffnungsangebot.“ Sollten die Palästinenser verhandeln wollen, werde es „Flexibilität“ geben.

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Bestes Einvernehmen

So gut sich das Verhältnis zwischen den derzeitigen Regierungen der USA und Israels unter Trump und Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zuletzt entwickelt hat (wie die beiden bei der gemeinsamen Präsentation des Plans mehrfach betonten), so schlecht sind die Beziehungen zu den Palästinensern. Die Gründe dafür wurden in der Präsentation genannt: die Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem und die Anerkennung der jüdischen Siedlungen im Westjordanland.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu US-Präsident Donald Trump
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Netanjahu zu Trump: „Sie sind der beste Freund, den Israel jemals im Weißen Haus hatte“

In früheren Plänen sollten die Palästinenser mehr von Ostjerusalem erhalten und ein weniger intensiver Gebietsaustausch mit Israel stattfinden. Israels ultrarechter Verteidigungsminister Naftali Bennett forderte am Mittwoch eine sofortige Annektierung israelischer Siedlungen und des Jordantals. Unklar war jedoch, inwiefern eine israelische Übergangsregierung dazu befugt ist. Ob es zu einem Gewaltausbruch kommt, wenn Israel die Annektierung der Siedlungen und des Jordantals vollzieht, ist unklar. Am Mittwochabend meldete die israelische Armee, dass aus dem Gazastreifen eine Rakete abgefeuert worden sei.

Pompeo fordert „Gegenangebot“ ein

US-Außenminister Mike Pompeo forderte am Mittwoch die Palästinenser zur Vorlage eines „Gegenangebots“ auf. Die palästinensischen Politiker könnten jederzeit „ein Gegenangebot vorschlagen, wenn sie das für angemessen“ hielten, sagte Pompeo. „Ich weiß, dass die Israelis bereit wären, sich hinzusetzen und auf der Grundlage der vom Präsidenten dargelegten Vision zu verhandeln“, sagte Pompeo weiter. Die Bedenken hinsichtlich des Nahost-Plans von Trump kämen „von denselben Kritikern, die seit siebzig Jahren versagt“ hätten, sagte der US-Außenminister.

Trumps Nahost-Plan sorgt für gemischte Reaktionen

Die Palästinenser äußerten sich zu Trumps Nahost-Plan wütend, andere Seiten reagierten unterschiedlich.

Abwartende Reaktionen

Entsprechend setzten EU bzw. einzelne europäische Länder, Russland und die internationale Staatengemeinschaft auf abwartende Reaktionen. Man werde den Plan ordentlich prüfen, lautete der mehr oder minder einhellige Tenor – oftmals versehen mit dem Hinweis, dass die Zweistaatenlösung die Grundlage für Frieden sein müsse. Von denen, die höflich oder positiv kommentierten, hieß es, dass Trumps Plan ein neuer Anstoß für Verhandlungen sei.

Demonstranten im Gaza-Streifen
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Demonstranten verbrennen in Rafah im Gazastreifen aus Protest gegen den US-Plan Autoreifen

Signal an eigene Wähler

Doch werden auch innenpolitische Motive geortet: Die „New York Times“ kommentierte trocken, bei dem Plan gehe es in Wirklichkeit nicht um Frieden, sondern um zwei Wahlen. „Es gibt keinerlei Anzeichen dafür, dass der Plan zu Verhandlungen führen wird“, so US-Nahost-Expertin Michele Dunne. Der Plan solle vielmehr „Netanjahu helfen, seine politischen und rechtlichen Kämpfe zu überleben, und die Unterstützung proisraelischer Wähler für Präsident Trump bei seiner Wiederwahlkampagne verstärken“.

Tatsächlich ist Trump für eine Wiederwahl im November auf jene US-Wähler angewiesen, die bedingungslos hinter Israel stehen. Dazu gehören auch die evangelikalen Christen, die Trump 2016 mit zum Wahlsieg verholfen hatten – und die der Präsident jetzt wieder besonders umgarnt. Aber der US-Präsident und Netanjahu haben jedenfalls klare Signale an ihre Wähler geschickt – das ist zumindest für sie selbst ein Erfolg.