Spielfiguren zur Illustration politischer Parteien
ORF.at/Peter Pfeiffer
Justiz-"Aussprache“

Opposition reagiert mit Kritik und Anzeigen

Nach der „Aussprache“ mit Standesvertretern der Justiz hat die Regierung eine neue Justizreform angekündigt. Die Opposition bezeichnete diese unter anderem als „Nebelgranate“, mit der von eigenen Verfehlungen abgelenkt werden solle. Für Kritik sorgte auch eine Aussage von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). FPÖ und NEOS erklärten bereits, Anzeige erstatten zu wollen.

Eine Maßnahme der neuen Justizreform betrifft neben schnelleren Ermittlungsverfahren und der Stärkung des Rechtsschutzes auch die Digitalisierung von Strafakten. Damit soll verhindert werden, dass vertrauliche Informationen etwa durch Staatsanwälte an die Öffentlichkeit gelangen.

Laut Justizministerin Alma Zadic (Grüne) ist das aber ohnehin nicht der Fall. Es gebe weder Indizien dafür, noch seien Verfahren anhängig. Die Präsidentin der Vereinigung österreichischer Staatsanwälte, Cornelia Koller, argumentierte, dass Staatsanwälte „die Letzten“ seien, die Interesse daran hätten, wenn Details von Ermittlungen öffentlich bekanntwerden, würden sie damit doch an ihrer Arbeit gehindert.

FPÖ wittert Amtsmissbrauch

Kurz betonte indes, dass ihm gegenüber zwei „leitende Journalisten“ zugegeben hätten, dass ihre Medien Informationen direkt von der Staatsanwaltschaft bekommen haben. Auf die Frage, ob daraufhin ein Verfahren wegen Amtsmissbrauchs eingeleitet wurde, antwortete Kurz, dass er hier „Vertraulichkeit wahre“.

Die FPÖ witterte Amtsmissbrauch: Wenn Journalisten aus der Staatsanwaltschaft Informationen über Verfahren erhalten, wäre das „mutmaßlicher Amtsmissbrauch“. Da Kurz diesen „nach eigenen Angaben bisher vertuscht und nicht zur Anzeige gebracht hat, wird das die FPÖ übernehmen“, kündigte Klubobmann Herbert Kickl in einer Aussendung an.

„Unbekannte Täter aus dem Bereich der Staatsanwaltschaft“ will die FPÖ bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) anzeigen – und dafür Kurz und zwei „von ihm unter Wahrheitspflicht bekanntzugebende Journalisten“ als Zeugen anbieten.

FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl
APA/Fotokerschi.at/Kerschbaummayr
Kickl kündigte eine Anzeige an

Kurz: Würde „natürlich“ unter Wahrheitspflicht aussagen

Auch NEOS kündigte an, Anzeige wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs gegen Unbekannt zu erstatten – mit Kurz als Zeugen. „Wenn er öffentlich sagt, dass ihm Medienvertreter erzählt haben, dass sie Infos aus der StA erhalten, dann darf das nicht vertraulich bleiben“, so NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger auf Twitter.

Kurz kündigte gegenüber Puls24 bereits an, sollte er als Zeuge geladen werden, „selbstverständlich“ unter Wahrheitspflicht auszusagen. Zu einer Einvernahme werde es Kurz zufolge allerdings nicht kommen, „weil es zu unspezifisch ist“. Und weiter: „Es ist nicht besonders sinnvoll, einen Journalisten zu outen, weil er da besonders mutig war und sich da in den Dienst der Sache gestellt hat, und mir das eben gesagt hat.“

NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger
APA/Herbert Neubauer
Meinl-Reisinger sprach in der Causa zuvor von „Anpatzerei“

Parlamentarische Anfrage von SPÖ

Die SPÖ forderte Kurz in einer schriftlichen Anfrage auf, seine Behauptungen „zu belegen oder sie öffentlich zu widerrufen“. Unter Hinweis, dass Kurz zur wahrheitsgemäßen Beantwortung verpflichtet sei, fragte ihn die SPÖ, welche Journalisten wann und in welchem Rahmen diese Äußerungen getätigt hätten – und warum er nicht Anzeige erstattet habe. Außerdem weist die SPÖ Kurz darauf hin, dass „der fälschliche Vorwurf einer strafbaren Handlung selbst eine strafbare Handlung darstellt (Verleumdung)“.

Parteichefin Pamela Rendi-Wagner erweiterte das auf Twitter noch: „Das Verbreiten von falschen Gerüchten ist Verleumdung. Das Nicht zur Anzeige-Bringen von strafbaren Handlungen ist Unterlassung. Was jetzt, Herr Kurz?“

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner
APA/Georg Hochmuth
Keine Anzeige, aber Kritik gab es von der SPÖ

Die unerlaubte Weitergabe von Akten durch Amtsträger – also Staatsanwälte – könnte als Amtsmissbrauch oder auch als Verletzung des Amtsgeheimnisses erachtet werden. Auf Amtsmissbrauch stehen laut Paragraf 302 Strafgesetzbuch sechs Monate bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe, für Verletzung des Amtsgeheimnisses drohen laut Paragraf 310 StGB bis zu drei Jahre Haft.

Treffen: „Ablenkungsmanöver“ und „Nebelgranaten“

Doch nicht nur an der Aussage von Kurz, sondern an dem Treffen an sich gab es Kritik. So bezeichnete etwa SPÖ-Klubchef Jörg Leichtfried den Justiztermin als „billiges Ablenkungsspektakel“. „Während die ÖVP in der Causa Casinos und beim Eurofighter-Schmiergeldskandal massiv unter Druck ist, wird stundenlang ein letztlich ergebnisloses Treffen zelebriert. In Wahrheit geht es Kurz nur darum, die Justiz für seine Zwecke – Ablenken von ÖVP-Skandalen, SPÖ anpatzen – zu instrumentalisieren“, so Leichtfried in einer Aussendung.

Auch NEOS bemängelte in einer Aussendung, dass es an konkreten Vorschlägen fehle, die tatsächlich die Unabhängigkeit der Justiz stärken würden – wie die Einsetzung eines weisungsfreien Bundesstaatsanwalts. NEOS-Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger sprach von „Nebelgranaten“, die Kurz werfe, um von seinem Fehltritt abzulenken.

Kickl kritisiert „Unehrlichkeit der Debatte“

FPÖ-Klubobmann Kickl kritisierte unterdessen die „Unehrlichkeit der Debatte“ über die WKStA. ÖVP-Minister hätten von 2008 bis Mitte 2019 das Justizministerium geführt, und es seien nie lange Verfahren, Personal- und Geldmangel noch parteipolitische Besetzungen Thema gewesen, sagte Kickl bei einem Pressetermin am Montag in Wien.

Kickl ortete bei Kurz „ein Problem der Glaubwürdigkeit“. Die WKStA sei schon seit Längerem „so etwas Ähnliches wie ein Dorn im Auge der ÖVP“, unter anderem weil gegen Personen aus dem Umfeld der Volkspartei ermittelt werde und wegen der Causa rund um das BVT. „Wenn man sich parteipolitische Einflussnahme auf die Justiz anschaut, dann bitte nicht nur im Bereich der WKStA“, sagte der FPÖ-Klubobmann in Richtung des Bundeskanzlers.