Polizistin am Tatort
APA/AFP/Odd Andersen
Rassistisches Attentat

Debatte über politische Folgen von Hanau

Der offenbar rassistisch motivierte Anschlag von Hanau hat in Deutschland eine Debatte über politische Konsequenzen hervorgerufen. So forderte die SPD am Freitag eine Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz. Auch eine mögliche Verschärfung des Waffenrechts wird diskutiert.

„Es ist doch völlig klar, dass die AfD eine Partei ist, die beobachtet werden muss vom Verfassungsschutz,“ sagte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil am Freitag im ARD-„Morgenmagazin“. Die Partei habe das gesellschaftliche Klima in den letzten Monaten und Jahren vergiftet. Er sei dafür, dass das sehr schnell in den Sicherheitsorganen entschieden werde und dass es dazu komme.

Innenminister Horst Seehofer (CSU) bezeichnete den Rechtsextremismus am Freitag als höchste Sicherheitsbedrohung für Deutschland. „Ich will Ihnen heute mitteilen, dass wir im rechten Bereich eine sehr hohe Gefährdungslage haben für unser Land, für unsere Demokratie, für den Schutz unserer Bevölkerung und dass von diesem Bereich derzeit die höchste Bedrohung für die Sicherheit in unserem Lande ausgeht“, sagte Seehofer am Freitag in Berlin. Andere Bedrohungslagen, etwa Islamismus und Reichsbürger, behalte man im Blick. Vergleiche und Relativierungen lehne er ab.

Seehofer gegen Gleichsetzung

Zu sagen: „Aber wir haben doch auch einen Linksextremismus“, akzeptiere er „überhaupt nicht“, sagte Seehofer. Den gebe es und man bekämpfe ihn auch. Aber man dürfe damit nicht „die Gefährdungslage, die hohe Gefährdungslage durch Antisemitismus, Rechtsextremismus und Terrorismus“ relativieren. Auch die Verantwortung des Täters unter Verweis auf Verwirrtheit zu relativieren wolle er nicht akzeptieren, sagte Seehofer.

AfD-Bundestagsfraktionschef Alexander Gauland hatte die Kritik der anderen Parteien zurückgewiesen und gesagt, er halte es für schäbig, in der aktuellen Phase so etwas zu instrumentalisieren. Es handle sich um einen offensichtlich völlig geistig verwirrten Täter.

Der innenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag, Konstantin Kuhle, sagte: „Die AfD bewegt sich als Gesamtpartei immer schneller in Richtung einer Beobachtung durch den Verfassungsschutz.“ Wenn der thüringische Landeschef Björn Höcke offen zu einem Umsturz aufrufe, könne das die wehrhafte Demokratie nicht kaltlassen.

„Der politische Arm des Hasses“

Der Grünen-Politiker Cem Özdemir sagte im Deutschlandfunk über die AfD: „Das ist der politische Arm des Hasses.“ Nach dem Hanauer Anschlag hatten zahlreiche Politiker der Partei eine Mitschuld gegeben.

Eine Organisation kann in Deutschland zum Prüffall werden, wenn die Behörden erste Anzeichen für extremistische Bestrebungen erkennen. Bei einem Prüffall ist eine Beobachtung mit V-Leuten und anderen nachrichtendienstlichen Mitteln aber grundsätzlich nicht erlaubt. Wird sie dagegen zum Verdachtsfall erklärt, so ist der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel wie Observation möglich, wenngleich nur sehr eingeschränkt.

Gesetzesänderung in Arbeit

Nach Angaben des innenpolitischen Sprechers der Unionsfraktion, Mathias Middelberg (CDU), wird zurzeit an einer Änderung des Bundesverfassungsschutzgesetzes gearbeitet. Es gehe dabei um eine Verstärkung der Einzelpersonenbeobachtung, sagte er am Freitag im Deutschlandfunk.

Eine weitere Verschärfung des Waffenrechts sieht Middelberg skeptisch. Er glaube, das werde am Ende nicht die Lösung des Problems sein, sagte er und verwies darauf, dass das Waffenrecht gerade erst verschärft worden sei. Bei jedem, der eine Waffe besitze oder eine neu erwerben wolle, gebe es jetzt eine Regelabfrage beim Verfassungsschutz, um festzustellen, ob es über ihn Erkenntnisse gebe. „Das schließt einen großen Teil derer, die irgendwie problematisch werden könnten, aus.“

Bei dem mutmaßlichen Täter von Hanau hätte das aber wahrscheinlich nicht zum Ergebnis geführt, wenn es keine Erkenntnisse über ihn gebe und er vorher nicht auffällig geworden sei.

Täter hatte Waffenschein

Der 43-Jährige hatte nach Auskunft der zuständigen Kreisbehörde im Jahr 2013 eine waffenrechtliche Besitzerlaubnis bekommen. In der Waffenbesitzkarte des Sportschützen seien zuletzt zwei Waffen eingetragen gewesen. Der Mann soll am Mittwochabend in Hanau aus mutmaßlich rechtsradikalen und rassistischen Motiven neun Menschen mit ausländischen Wurzeln erschossen und dann seine Mutter und sich selbst getötet haben.

Kritik der Türkei und Pakistans

Kritik kam auch von außerhalb Deutschlands. So warf die türkische Regierung Berlin vor, zu wenig Härte im Kampf gegen Fremdenhass und Islamophobie zu zeigen. „Mangelnde Sensibilität im Kampf gegen den wachsenden Fremdenhass in Europa führt jeden Tag zu neuen Anschlägen“, zitierte die Tageszeitung „Die Presse“ das türkische Außenministerium am Freitag.

Mustafa Yeneroglu, ein in Köln aufgewachsener türkischer Parlamentsabgeordneter, forderte indessen „konkretere Taten“ seitens der deutschen Politik und prangerte den institutionellen Rassismus innerhalb der Behörden an. Dieser sei „nicht im Geringsten angegangen worden“, sagte Yeneroglu laut dem Bericht.

Die pakistanische Regierung zeigte sich am Freitag ebenfalls besorgt über eine Welle von Hass gegen Ausländer und Muslime. Eine „steigende Flut von Islamfeindlichkeit, Ausländerfeindlichkeit und Rassismus“ ziehe über weite Teile der Welt hinweg.